zum Hauptinhalt
Verortung. Volker Braun suchte in Potsdam nach einem Ort für Peter Weiss.

© dpa

Symposium zur Rolle und Präsenz des Künstlers: Deutschland, ein Ort für Peter Weiss?

Kurz vor dem Ende des Symposiums sucht der Schriftsteller Volker Braun nach einem „Ort für Peter Weiss“. In dem Essay, den Braun zum ersten Mal im Dezember 1997 in der Schaubühne Berlin vorgetragen hat, schreibt Braun unter anderem von Weiss’ Zerrissenheit zwischen seinem Heimatland Deutschland und dem Exil in Schweden.

Stand:

Kurz vor dem Ende des Symposiums sucht der Schriftsteller Volker Braun nach einem „Ort für Peter Weiss“. In dem Essay, den Braun zum ersten Mal im Dezember 1997 in der Schaubühne Berlin vorgetragen hat, schreibt Braun unter anderem von Weiss’ Zerrissenheit zwischen seinem Heimatland Deutschland und dem Exil in Schweden. Er fragt insbesondere nach dem Standpunkt und der politischen und literarischen Verortung des Autors und seiner eigenen nach der Wende, und damit auch über Bedeutung und Notwendigkeit von Peter Weiss’ Werk für die Gegenwart. „Ich habe die ,Ästhetik des Widerstands’ immer als Steinbruch betrachtet, als immenses Material für andere Generationen“, heißt es in dem Text über das wohl wichtigste Werk von Weiss.

Doch der Künstler scheint in der Öffentlichkeit und in den Medien kaum noch vertreten zu sein. Auch an den Universitäten werden seine Werke nur selten thematisiert. „Es scheint sich ein Bruch durch die Generationen zu ziehen“, so Hans-Christian Stillmark, Professor am Institut für Künste und Medien der Universität Potsdam und Leiter des interdisziplinären Symposiums „Ermittlungen – 100 Jahre Peter Weiss“, das am Wochenende im Potsdam Museum stattfand. Bei der Tagung trafen sich Wissenschaftler verschiedener Disziplinen, Künstler und Interessierte aus Deutschland, Ungarn und Frankreich, um Aktualität, Rezeption und Wirkung von Weiss’ Werken zu diskutieren und sich auszutauschen.

Viele Jahre hat Stillmark das Symposium vorbereitet und auch an den anderen Veranstaltungen in Potsdam mitgewirkt. Anlässlich des runden Geburtstages von Weiss, der im November 1916 in Nowawes geboren wurde, würdigen mehrere Kultureinrichtungen das Werk des Autors mit einigen Ausstellungen und Begleitprogrammen. Dabei war es Stillmark wichtig, das Multitalent Weiss mit all seinen verschiedenen Facetten zu zeigen, als Maler, Filmemacher und Autor. Über Aktualität und Bedeutung des Künstlers reden auch unter der Moderation von Hans-Christian Stillmark zum Abschluss des Symposiums eine Handvoll von Kennern und Experten. Die ältere Generation hat Weiss noch persönlich erlebt oder kennengelernt, wie der renommierte Literaturwissenschaftler Jürgen Schutte, der Weiss zum ersten Mal bei der berüchtigten Vietnam-Konferenz 1968 in Berlin sah, oder Film- und Theaterregisseur Alexander Stillmark, der mit dem Künstler am Berliner Ensemble zusammenarbeitete. Eine Generation, die die Umbrüche und Protestbewegungen der 1960er- und 70er-Jahre hautnah miterlebte und Peter Weiss als eine wichtige Stimme, als großen politischen Autor dieser Zeit kannte und schätzte. Die jüngere Generation findet den Zugang zu Weiss nur über seine Werke. Und der ist schwierig, wenn seine Texte an Schulen und Unis nicht gelesen und seine Stücke an den deutschen Theatern kaum gespielt werden. Die Komparatistin Jenny Willner von der Ludwig-Maximilians-Universität München, die sich seit vielen Jahren mit dem Autor und seinem Werk beschäftigt, glaubt, Weiss sei in Deutschland nicht präsent, da er mit seinen Werken zu nahe dran und die historischen Brüche, sowohl Nationalsozialismus als auch der gescheiterte Sozialismus, noch nicht verarbeitet seien. Ein Diskurs über diese Zeit sei noch nicht möglich, eine Sprache dafür noch nicht gefunden, so Willner.

Jürgen Schutte erläutert, wie nach 1989/90 der Vorwurf von Kritikern kam, dass die politischen Autoren vor der Wende nur Gesinnungsliteratur geschrieben hätten. Zudem sieht Schutte das Ende der politischen Literatur. Weiss’ Texte gelten damit für viele als veraltet und haben vermeintlich an Relevanz verloren. Doch ist ein gewachsenes Interesse spürbar. Willner berichtet, dass viele aus eigenem Antrieb wieder die Texte von Weiss lesen und einige junge Künstler unorthodoxe Zugänge zu seinem Werk suchen. Durch die zeitliche Distanz würden neben dem Politischen und der Gesellschaftskritik andere Aspekte der Werke sichtbar werden, ließen sich neue Interpretationen finden und andere Perspektiven einnehmen, so Willner. „Da gibt es noch sehr viel zu entdecken.“ Sarah Stoffers

Sarah Stoffers

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })