zum Hauptinhalt

Kultur: Die eigene Sicht

Saskia und Andreas Hüneke geben im Kutschstall einen Einblick in ihre Sammlung von DDR-Kunst

Stand:

Müssen die eigenen vier Wände nun ohne Bilder auskommen? Diese Frage beantwortet Saskia Hüneke mit einem klaren Nein. Die Sammlung der Potsdamer Kunsthistoriker Saskia und Andreas Hüneke mit Werken von Künstlern, die sich zu DDR-Zeiten Freiräume schufen, ist noch nicht erschöpft, obwohl immerhin 150 Bilder seit Donnerstag im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte (Kutschstall) zu sehen sind. Eine liebenswerte, informative und anregende Privatsammlung unter dem Titel „Expressiv – konstruktiv – phantastisch. Ostdeutsche Kunst 1945 bis 1990 aus einer Privatsammlung“ kann nun von jedermann in Augenschein genommen werden.

Als Bilder aus 40 Jahren DDR ab 1990 in bundesdeutschen Depots verschwanden und in Ausstellungen wie „Aufstieg und Fall der Moderne“ in Weimar als Sperrmüll der Geschichte vorgeführt wurden, wurde eine leidenschaftliche Debatte über Künstler und deren Arbeiten, über Anpassung und Isolation in einer ideologisch geprägten Gesellschaft entfacht. Erst die große Schau in der Neuen Nationalgalerie Berlin vor elf Jahren führte zu einer differenzierteren Betrachtungsweise der DDR-Kunst. Saskia und Andreas Hüneke hatten aber schon zu Zeiten des Arbeiter- und Bauernstaates ihre eigene Sicht auf seine Kunstszene, vor allem auf die, die nicht von den Oberen des Landes gefördert wurden. In Halle oder Leipzig lernten sie alternative Milieus kennen, Künstler, die dem ideologischen und ästhetischen Einheitsgebot von Partei und Staat nicht folgten. Die heute weit über Potsdam hinaus bekannten Kunsthistoriker waren und sind mit Malern, Grafikern und Bildhauern bekannt oder befreundet. Doch nicht nur aus oppositionellen Gründen erwarben sie bereits als Studenten Kunstwerke, sondern weil ihnen dieses und jenes Bild gefiel. Sie hatten in ihrem Sammlereifer ganz subjektive Vorlieben. Auch heute stehen sie nach wie vor zu ihnen. Man spürt ihre Begeisterung, mit der sie durch die Ausstellung führen.

Angefangen hat alles mit dem Ölbild „Winterlandschaft“ des Magdeburger Malers Jochen Aue. „Der Künstler, der in den Sechzigerjahren in der Galerie ,Kunst der Zeit‘ in Magdeburg ausstellte, wurde wegen seiner Motive stark kritisiert. Er male nur Grau in Grau, so die damalige Presse“, erzählt Andreas Hüneke. „Der Zeitungsbericht regte mich zum Besuch der Ausstellung an. Ich war von Aues ,Winterlandschaft‘ begeistert und erwarb es. Mit 50-DDR-Mark, über mehrere Monate verteilt, zahlte ich es in Raten ab.“ Hüneke lernte, als er wissenschaftlicher Mitarbeiter der Moritzburg Halle und als Kurator tätig war, so manche Künstlerin, so manchen Künstler kennen. Er und seine Frau besuchten immer wieder Ateliers, erwarben oftmals Kunstwerke und einige gelangten als Geschenk in ihre immer größer werdende Sammlung.

Die Präsentation im Kutschstall haben die beiden Sammler eingeteilt in Städte, in denen die Künstler zu DDR-Zeiten vorrangig wirkten: Halle, Magdeburg, Chemnitz, Usedom, Leipzig, Dresden, Potsdam und Berlin. Die Flächen der Hallenser und Leipziger Szene nehmen den größten Teil der Ausstellung ein. Die Halleschen Altmeister Karl Müller, Carl Marx und Albert Ebert bestechen durch ihre klare beziehungsweise malerisch-fantasievolle Bildsprache. In der Messestadt Leipzig sollten Namen wie Wolfgang Mattheuer, Werner Tübke und Bernhard Heisig alle Kunst überstrahlen. Der Geldbeutel der Sammler für die Preise, die die Maler-Stars für ihre Werke verlangten, reichte sowieso nicht aus. Und die Hünekes interessierten sich eher für Künstler, die sich nicht vereinnahmen ließen, die ihre Arbeiten nur an unattraktiven Orten zeigen durften. Und so sind Günther Huniat, Frieder Heinze, Hans Hendrik Grimmling, Olaf Wegewitz, Gil Schlesinger oder Lutz Dammbeck mit metamorphorischen, informellen Bildern in der Sammlung vertreten.

Der Teil mit Potsdamer Künstlern ist zwar nicht übermäßig groß, aber er weist qualitätsvolle Bilder, zumeist Grafiken, und plastische Arbeiten auf: Hubert Globischs expressive „Windmühle in Werder“, Bernd Krenkels Aufmerksamkeit fordernde „Baustelle im Holländerviertel“, Gottfried Höfers still-verhaltener Schnecken-„Einschluss“ oder Rudolf Böhms klassisch gearbeiteter Kopf aus Granit gehören zu den Sammlungsschätzen von Saskia und Andreas Hüneke. Beide wissen, dass es in Potsdam noch mehr private Sammlungen gibt. Sie hoffen, dass der öffentliche Einblick in den Schatz ihrer Kunstwerke andere Potsdamer inspiriert, ihnen nachzueifern.

Die Ausstellung „Expressiv – konstruktiv – phantastisch. Ostdeutsche Kunst 1945 bis 1990 aus einer Privatsammlung“ ist noch bis zum 5. Oktober im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte, Am Neuen Markt 9, zu sehen. Der Eintritt kostet 3, ermäßigt 2 Euro.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })