Kultur: „Die Erde dreht sich unter meinen Füßen“
Märkischer Almanach Nr. 2 soeben erschienen
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Lebensmomente. Sie durchziehen den Märkischen Almanach von der ersten bis zur letzten Seite – erfahrene und empfundene Lebensmomente, die für die Autoren prägend wurden, solche, die man schnell wieder vergessen möchte oder die wirklich nur für einen Moment wichtig waren. Sie findet man in dem Band der unlängst im Docupoint Verlag Magdeburg erschien. Zwanzig Autoren haben über Erlebtes und Erfundenes geschrieben und sie in dem Almanach „Die Erde dreht sich unter meinen Füßen“ veröffentlicht. Herausgeber ist das Literatur-Kollegium Brandenburg e.V. Und so kommen in dem Buch Autoren zu Wort, die im Land Brandenburg leben und arbeiten und diejenigen, die Mitglieder des Kollegiums sind.
Der Herausgeber wählte Texte aus, die im Literatur-Wettbewerb 2006 des Vereins einen vorderen Platz errangen, unter ihnen die erste Preisträgerin Elisabeth Richter aus Potsdam, sowie Schriftsteller, die eingeladen wurden für den Almanach zu schreiben. Ein buntes und spannungsreiches Kaleidoskop, für dessen Veröffentlichung gestandene Schriftsteller, „Einsteiger“ sowie Mitglieder von Arbeitsgemeinschaften Schreibender Sorge trugen. Darunter findet man auch Autoren, die zu DDR-Zeiten mehr oder weniger ihr Brot durchs Bücherschreiben verdienten. Heutzutage haben es viele von ihnen bekanntlich schwer, ihre Manuskripte den Verlagen - den größeren noch seltener - schmackhaft zu machen. Die meisten werden ignoriert. Und so ist dieser Almanach für manch „altgedienten“ Schriftsteller eine gute Möglichkeit, Texte zu präsentieren. Beispielsweise für die Potsdamerin Christa Müller mit ihrem metaphernreichen und sehr sinnlichen Lyrikzyklus „Vom Wandern“, der nach einer Reise durch Norwegen entstand.
Auch der Kleinmachnower Schriftsteller Walter Kaufmann fand einen Platz im Almanach. Aus seinem Italienischen Tagebuch veröffentlichte er einen Bericht aus der Toskana, der, wie bei ihm zu erwarten war, nicht nur die landschaftlichen und künstlerischen Höhepunkte der Region ins Visier nahm, sondern auch ihre Menschen. „Ohne Begegnungen bleibt für mich fast jede Stadt wenig mehr als Kulisse, so neu und anders sie auch sein mag“, schreibt Walter Kaufmann in seinem bewegenden Tagebuch.
Die zu DDR-Zeiten durch ihre Kinder- und Jugendbücher bekannt gewordene Brigitte Birnbaum, sie lebt jetzt in Hamburg, steuerte ihre Erzählung „Erwischt“ bei, eine in lakonischem Wortduktus geschriebene Geschichte über vermeintliche Einbrecher in einem Nachbarhaus zur Adventszeit.
Schön, dass man in dem Buch eine Erzählung von Jürgen Groß begegnet, der sich in den vergangenen Jahren vor allem der Dramatik erfolgreich zuwandte. Sein „Tod eines Abgeordneten“ hat etwas Bemitleidenswertes, doch es wurde überwiegend mit köstlicher Ironie verfasst, in denen Persönliches und Gesellschaftliches märchenhaft verwoben ist – von einem Politiker, der bisher „noch nie einer Versuchung erlegen war, sein Leben mit dem einer Frau zu verbinden“, der sich aber plötzlich einer fremden Frau nähern möchte, doch versagt.
Der Almanach hat die Erzählung „Stumm“ der Potsdamerin Elisabeth Richter, der im vergangenen Jahr der Brandenburgische Literaturpreis zugesprochen wurde, aufgenommen. Die Autorin erzählt von dem jungen Mädchen Tina, die mit ihrer toten Schwester Mara, in ihrem biederen Elternhaus konfrontiert wird. Trostlosigkeit herrscht wohl auch dann dort, wenn kein Toter zu betrauern ist. Die Geschichte ist ein Nachdenken nicht so sehr um den Tod, sondern mehr um die Menschen, die schwer an dem Verlust, der sie betroffen hat, zu tragen haben, jeder in seiner eigenen Art, bei unterschiedlichen Generationen.
Elisabeth Richter hat mit feiner Sensibilität diese Geschichte erzählt, in dem Trauer über Verlust, Konventionen im familiären Zusammenleben, Aufbegehren und schließlich die Suche nach Wärme eine wesentliche Rolle spielen. Die Figuren – Tochter Tina und Eltern – sind treffsicher charakterisiert. Darüber hinaus bezieht „Stumm“ seine erzählerische Kraft aus den sorgsam geschilderten Details.
Es lohnt sich, in diesem Almanach zu blättern. Er hält so manche Neuentdeckung von Erzählern und Lyrikern aus dem Brandenburgischen bereit, die den Lebensmomenten eine unverwechselbare Stimme verleihen.
„Die Erde dreht sich unter meinen Füßen“ – Märkischer Almanach 2, herausgeben vom Literatur-Kollegium Brandenburg e.V., Docopoint Verlag Magdeburg, 12,50 Euro.
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