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Kultur: Die Eroberung der Brandenburg

Lutz Partenheimers „Die Entstehung der Mark Brandenburg“ erschienen / Heute Präsentation

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Kann man den Geburtstag der Mark Brandenburg datieren? Die Mark ist nicht ausgerufen worden wie beispielsweise das Bismarck-Reich. Sie wurde nicht durch Beschluss einer verfassungsgebenden Versammlung konstituiert wie die Bundesrepublik Deutschland. Und doch wird der Anfang auf den 11. Juni 1157 gelegt, auf jenen Tag, als der Askanier Albrecht der Bär die Brandenburg belagerte, die ihm der sieben Jahre zuvor verstorbene letzte Hevellerfürst Pribislaw-Heinrich vererbt hatte. Der Sprewanenfürst Jaxa von Köpenick, der mit Pribislaw-Heinrich möglicherweise verwandt war und nach dessen Tod ebenfalls Anspruch auf Brandenburg erhob, hatte mit einer Mischung aus Verrat, Bestechung, List und Gewalt und mit polnischer Hilfe die Burg Brandenburg besetzt, um die Macht im Hevellerland an sich zu reißen.

„So gewann also im Jahr der Fleischwerdung des Herrn ... der oben genannte Markgraf durch göttliche Begünstigende Gnade die Burg Brandenburg äußerst siegreich zurück und zog mit großem Gefolge prächtig ein, ließ an einem erhöhten Ort ein Siegesbanner aufpflanzen und zollte Gott, der ihm den Sieg über die Feinde gewährt hatte, nach Gebühr Lob.“ In dieser zeitgenössischen Darstellung von Heinrich von Antwerpen heißt es auch, dass bei den Kämpfen viel Blut auf beiden Seiten geflossen sei.

Diese kämpferischen Auseinandersetzungen schienen für die brandenburgische Staatskanzlei problematisch zu sein, ihr als Gründung eines Landes zu gedenken und sogar zu feiern.

Auf dieses Nachdenken geht der Potsdamer Historiker Lutz Partenheimer im Vorwort seines Buches „Die Entstehung der Mark Brandenburg“ ein, das dieser Tage, also kurz vor dem „Jubiläumstag“ am 11. Juni, im Böhlau Verlag Köln Weimar Wien erschienen ist. „Krieg galt im 12. Jahrhundert – wie manchen Staaten noch heute – als ein völlig legitimes Mittel der Politik, erst recht, wenn einem Fürsten Unrecht widerfuhr.“ Und dann an die Adresse der Staatskanzlei gerichtet, meint der Autor: „Derartige Bedenken lassen sich wohl nur mit mangelndem Geschichtsbewusstsein erklären“.

Nun ist es nicht unbekannt, dass viele Zeitgenossen, aus welchen Gründen auch immer, sich ungern mit Geschichte beschäftigen. Und schon gar nicht mit mittelalterlicher. Was soll dieses Reich von Königen und Kaisern, fragen sie sich. Sie heißen Heinrich oder Otto oder Konrad oder Friedrich, jeder von ihnen zieht nach Italien, sogar mehrere Male, wird von einem Papst, der ihn entweder gerufen hat, oder den er erst selbst einsetzen muss, gekrönt, dann ziehen sie wieder ab, weil sie sich in Italien, aber auch zu Hause in Deutschland mit irgendwelchen Feinden herumschlagen müssen. Dabei wird das Land in immer kleinere Teile aufgespalten.

Dieselben Menschen aber, denen man nachsagt, sie seien geschichtsvergessen und hätten kaum einen Begriff von den vergangenen Wirklichkeiten, in denen die Gegenwart doch wurzelt, bevölkern als Touristen die Schauplätze der Vergangenheit, soweit sie noch erhalten und zugänglich sind. Vielleicht begreift so mancher von ihnen nicht, was sie da bestaunen; aber wohl nur ein intellektueller Snob wird ihnen das vorwerfen.

Bücher wollen helfen, Geschichte lebendig zu halten. Auch Lutz Partenheimers Text über die Entstehung der Mark Brandenburg. Er richte sich an alle an märkischer Geschichte interessierten Leser, heißt es auf dem Hardcover des Buches. Nun ist es nicht immer einfach, die verworrenen und komplizierten Geschehnisse des Mittelalters anschaulich zu machen. Wie schön wäre es zudem, wenn der Streifzug durch die frühe brandenburgische Geschichte, der sich auch an den „Laien“ wenden will, neben aller wissenschaftlichen Akkuratesse zudem noch unterhaltend wäre. Aber das will offenbar Partenheimer nicht. Seine Darstellung ist sachlich, verständlich, gut lesbar. Er informiert über die lange Vorgeschichte der Eroberung der Brandenburg durch Albrecht den Bären. Die beginnt mit dem Jahre 928, als die Heveller durch König Heinrich I. unterworfen wurden, über die Eingliederung der Slawen unter Kaiser Otto I. , die frühen Askanier sowie die Schritte zur Gewinnung des Hevellergebietes und die Wiedererrichtung des Bistums Brandenburg bis zur „Gründung“ der Mark Brandenburg. Das Wort Gründung setzt Lutz Partenheimer in Anführungszeichen. Das könnte also heißen, dass auch ein anderes Gründungsdatum als der 11. Juni 1157 möglich ist.

Beispielsweise das Jahr 1150, als Albrecht der Bär die Burg Spandau, die Zitadelle, als askanische Burg neu errichten ließ. Einige Historiker sind der Ansicht, dass dieses Ereignis als der eigentliche Beginn der Geschichte der Mark Brandenburg betrachtet werden kann.

Am 3. Oktober 1157 nennt sich Albrecht der Bär erstmals selbst Markgraf von Brandenburg (Adelbertus Die gratia marchio in Brandenborch). Vielleicht sollte man diesen Tag als die eigentliche Gründung der Mark Brandenburg betrachten. Aber das Jahr scheint zu stimmen. Und das ist das Wesentliche. Diese Urkunde kann man in einem weiteren Teil des Buches lesen, in dem Lutz Partenheimer die hoch interessanten Quellen zur Entstehung der Mark Brandenburg veröffentlicht.

Der Historiker, der an der Universität Potsdam tätig ist, ermöglicht dem Leser eine spannende Reise in die Geschichte, die auch nach 850 Jahren die unsere ist.

In der Reihe Historische Streifzüge durch die Mark Brandenburg präsentiert Lutz Partenheimer heute in der Stadt- und Landesbibliothek um 19 Uhr sein Buch „Die Entstehung der Mark Brandenburg“.

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