Kultur: Die erste Frau Roms wurde zur Staatsgöttin
Die Potsdamer Althistorikerin Christiane Kunst schrieb das Buch „Livia – Macht und Intrigen am Hof des Augustus“ / Premiere in der Villa Quandt
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Die Römer, die vor gut 2000 Jahren ein Teil der Welt beherrschten, meint man zu kennen. Monumentalfilme aus Hollywood bringen sie direkt ins Wohnzimmer. Da sieht man sie nun, die Römer der Antike. Die Männer tragen einen Helm und einen Brustpanzer, darunter ein bis zu den Oberschenkeln reichendes Hemd, die Tunika. Die Herren gehen in Sandalen, die Beine sind nackt. Das Kriegshandwerk beherrschen die römischen Legionäre gut. Immer wieder ziehen sie aufs Schlachtfeld, um politische und militärische Macht über andere Völker zu erlangen. Wenn die Männer in den Krieg ziehen oder in den fernen Provinzen als Staatsbeamte ihre Dienste leisten, hüten die Frauen das Haus und sind für die Erziehung der Kinder voll verantwortlich.
In den zahlreichen filmischen Erzählungen findet man Dichtung und Wahrheit, aber allzu oft siegt bei den Filmemachern wohl eher die Fantasie. Und heraus kommt ein undifferenziertes Bild einer hochzivilisierten Gesellschaft, die nicht nur aus Soldaten und Beamten bestand.
Die habilitierte Althistorikerin Christane Kunst hat nun im renommierten Stuttgarter Verlag Klett-Cotta eine Biografie über eine wichtige römische Herrschersfrau veröffentlicht, über Livia (58 v. Chr. bis 29 n. Chr.). Darin schreibt sie auch, wie es im Untertitel des Buches heißt, über die Macht und die Intrigen am Hof des Augustus (63 v. Chr. bis 14 n. Chr.), dem ersten römischen Kaiser. Das Leben als Kaisergattin – sie war 52 Jahre mit Augustus verheiratet – gab der Potsdamer Autorin die Möglichkeit, eine Kulturgeschichte des Alten Rom und vor allem seiner Frauen darzustellen.
Wie nah, wie fern sind uns die Menschen jener Zeit? Dr. Christiane Kunst versteht es in einer allgemein verständlichen Sprache diese uns anscheinend ferne Welt bildhaft vor Augen zu stellen.
In unserer Region könne man viele Realien der römischen Antike bewundern, betont die Historikerin. Im Pergamonmuseum oder im Bodemuseum in Berlin, in den Gärten und Schlössern von Sanssouci, wo man neben vielen Kopien auch so manches Original entdecken kann. „Denn die brandenburgisch-preußischen Kurfürsten und Könige hatten eine große Vorliebe für die römischen Herrscher, Philosophen und Dichter. Friedrich der Große las aber deren Geschichtsbücher oder literarischen Werke, beispielsweise die Metamorphosen des Ovid, nie im lateinischen Original, sondern in den damals gängigen französischen Übersetzungen.“
Vom Vater, der aus der Prignitz stammt, hat Christiane Kunst das Interesse auch an preußischer Geschichte und an der Historie überhaupt „geerbt“. Und so studierte die aus Hannover Gebürtige in Marburg, München sowie in London Geschichte. Besonders wurde sie von Karl Christ, dem Nestor der deutschen Althistoriker, beeinflusst. Die Wissenschaftlerin wohnt seit nunmehr 13 Jahren mit ihrer Familie in Potsdam. Sie lebt gern in dieser Kulturlandschaft. Und am Historischen Institut der Universität Potsdam lehrt sie Alte Geschichte. Christiane Kunst hat mehrere Bücher in Sachen römische Antike veröffentlicht. Beispielsweise: „Leben und Wohnen in der römischen Stadt“ oder „Römische Tradition und englische Politik“.
Nun also das beeindruckende Buch über Livia. „Diese Frau, die aus einer der vornehmsten römischen Familien stammt, war zur Herrschaft geboren“, sagt Christiane Kunst. Ovid soll über Livia gesagt haben, dass sie die Schönheit der Venus und das Wesen der Juno besaß. Und was ist das Wesen der Gattin des obersten Gottes, des Jupiter? Vor allem Tugendhaftigkeit. Und so nahm Livia auch die Vorbildfunktion für Generationen von Römerinnen ein. Bevor sie aber den Princeps (erster Bürger und offizieller Titel des Kaisers) heiratete, war sie die Frau des Tiberius Claudius Nero, Mutter des Tiberius. Octavian, wie Augustus zunächst noch hieß, verliebte sich in Livia. Eine damals nicht unübliche Praxis war, dass er erreichte, dass Tiberius ihm seine Frau „abtrat“, obwohl sie mit Drusus, ihrem zweiten Sohn, schwanger war. Ihrer Verbindung mit Augustus entsprangen jedoch keine Kinder. Dennoch führte sie ein großes Haus, in dem sie nicht nur ihre Kinder und den Stiefsohn erzog, sondern auch den Nachwuchs anderer Familienangehöriger. „Ihr politisches Agieren spielte sich nicht in der Öffentlichkeit ab, sondern hinter dem Vorhang. Sie hatte eine informelle Macht, fungierte unterstützend und fördernd“, so die Historikerin.
Doch Zeitgenossen hielten sie auch für machthungrig und skrupellos. Besonders Tacitus zeichnete ein Negativbild von Livia. Ihr Ziel sei es, so der römische Historiker, ihrem Sohn den Thron zu sichern - und sei es durch Giftmord. Lange nach ihrem Tod wurde sie als Staatsgöttin in Rom verehrt. Eine Statue, die sich im Louvre befindet, zeigt sie als Ceres, als Göttin der Fruchtbarkeit.
Das Buch von Christiane Kunst ist eine farbige Beschreibung einer Epoche, deren Kultur und Kunstwerke wir heute bewundern. Es lohnt sich, in diese Zeit mit „Livia“ einzutauchen.
Buchpremiere am 27. April um 11 Uhr in der Villa Quandt, Gr. Weinmeisterstraße 46/47: Alexander Gauland unterhält sich mit Christiane Kunst. Anmeldung unter 0331/2804103. Eine Veranstaltung des Brandenburgischen Literaturbüros
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