
© Andreas Klaer
Das Kunsthaus sans titre zeigt Künstlerplakate: Die Farbe streicheln
Ein schönes Plakat hatte im Osten seinen Wert. In Ermangelung von Kunstdrucken und Originalen oder auch schönen Tapeten klebte man sich gern eine originelle Theater- oder Ausstellungsankündigung an Wand oder Küchentür.
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Ein schönes Plakat hatte im Osten seinen Wert. In Ermangelung von Kunstdrucken und Originalen oder auch schönen Tapeten klebte man sich gern eine originelle Theater- oder Ausstellungsankündigung an Wand oder Küchentür. Das Kunsthaus sans titre zeigt nun originale Künstlerplakate aus dem Archiv Trümmel. Die Cottbuser Druckerei, Inhaber Thomas Lehmann, stellte in den Jahren seit ihrer Gründung 1986 Hunderte, wenn nicht sogar Tausende Plakate her, gestaltet von Künstlern für die Kunst. Auftragswerke oder Eigenwerbung. Von jedem Druck verblieb ein Belegexemplar im Archiv.
Die Restlichen wurden ihrer Bestimmung nach benutzt, landeten im Müll oder wurden sorgsam aufgehoben. Manche mit Künstlersignatur, was sie noch wertvoller machte. Die Ausstellung umfasst Werke von 26 Künstlern, darunter viele des Cottbusers Malers und Grafikers Hans Scheuerecker, von Matthias Körner, Dieter Ladewig und Dieter Zimmermann. Auch das erste Ausstellungsplakat des Potsdamer Bildhauers Chris Hinze wurde damals bei Trümmel gedruckt.
Die Auswahl dokumentiert zudem den Übergang von der DDR, in der jedwedes Drucken streng beäugt wurde, in eine neue Zeit, in der bisweilen auch Wahlplakate in Siebdruckwerkstätten entstanden. Das Siebdruckverfahren wurde Anfang des 20. Jahrhunderts in den USA erfunden. Und löste komplizierte, aufwendigere Druckmethoden wie Holzschnitte und Radierungen ab. Andy Warhol und Roy Lichtenstein entdecken später die Methode für ihre bunte Pop-Art. „Der Siebdruck ist quasi ein früher Vorläufer der Farbdrucker“, sagt Chris Hinze.
Damit konnten Originale in kleinen Auflagen reproduziert werden – die Kunst wird in gewisser Weise massentauglich, ohne an Strahlkraft zu verlieren oder durch die Sonnenstrahlung auszubleichen. „Der Farbauftrag ist einfach viel dicker als bei anderen Verfahren“, sagt Chris Hinze, Bildhauer im sans titre. Wer die Augen schließt und die Finger über das Papier gleiten lässt, kann das sogar spüren: die unterschiedlichen Farbschichten und Oberflächen, die Übergänge. Man kann die dicken Farbschichten streicheln, an manchen Stellen fühlen sie sich an wie raue Haifischhaut. Mit modernem, schnellem Offsetdruck ist das nicht zu vergleichen. Auch weil sich die einzelnen Exemplare durch winzige Details voneinander unterscheiden. Und sei es nur, weil sich ein Fussel in der Sieb-Vorlage eingenistet hatte und Spuren hinterließ.
In Ostdeutschland gab es damals nur eine Handvoll Siebdruckereien. Nicht nur, weil sämtliche Druckaufträge staatlich zensiert wurden. Wer druckte, war per se verdächtig. „Da hätte man ja Flugblätter herstellen können“, sagt Hinze. Wer Druckfarben kaufen wollte, brauchte dafür einen Ausweis. „Und dann wusste man: Aha, der will was machen.“ Ganz Mutige nutzten die Technik, bei der mittels einer Kunststoffvorlage auch unebene Flächen bedruckt werden können, um Textilien zu gestalten. Auch Thomas Lehmann. Der druckt das Konterfei des Serienhelden „Alf“ auf Kopfkissen und verkauft gut. Bis die Stasi die Druckerei vorübergehend dicht macht. Aber vor allem Künstler, die nicht im Verband waren, brauchten diese Möglichkeit, um Werbematerial für ihre Veranstaltungen zu produzieren. Solche Plakate hingen später an Kirchentüren und in Gemeindezentren.
Im Wendeherbst desselben Jahres findet – dann schon in Berlin West – die Ausstellung „Zwischenspiele: Junge Künstler und Künstlerinnen aus der Deutschen Demokratischen Republik“ statt. Hans Scheuerecker gestaltet das Bild, ein schwarz-rotes Kopfgebilde, mit seltsamen Formen überlagert. Und für den Cottbuser Jugendclub Südstadt entwirft Scheuerecker ein wiederverwendbares Blanko-Plakat für diverse Veranstaltungen. Steffi Pyanoe
sans titre, Französische Straße 18, bis 31. 7., geöffnet Do bis So 14 - 18 Uhr
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