zum Hauptinhalt

Kultur: Die im Dunkeln sieht man nicht

Kondome als Alltagsgegenstand und eine Diskussion über Homosexualität in der Fachhochschule

Stand:

Die Grenzlinie zwischen den Bildern und den weißen Wänden der Fachhochschule am Alten Markt ist kaum sichtbar, denn auch der Hintergrund auf den großformatigen Fotografien von Christian Metzner ist annähernd farblos. Die schwarzweiß abgelichteten Körper selbst bleiben ebenfalls schwach kontrastiert, wodurch die zarte Nacktheit der Models zusätzliche Betonung erfährt. Umso stärker treten aus dieser weißen Umgebung knallig bunte Modeaccessoires hervor: Blau, orange oder pink schmücken sie die anmutigen Frauen und Männer. Mehr noch als die auffälligen Farben ziehen jedoch die Schmuckstücke selbst die Aufmerksamkeit auf sich. Wo man gewöhnlichen Schmuck erwartet, sind Kondome zu sehen. Als Armbanduhr, als Krawatte, als Haarklammer.

Christian Metzner, der im 4. Semester Design an der Potsdamer Fachhochschule studiert, will mit „Love, Sex, Save“ nicht schockieren. Bewusst setzt er sich etwa von Oliviero Toscanis erschütternden Bildern mit von AIDS gezeichneten Menschen ab. Metzner fordert durch die makellos in Szene gesetzte Körper vielmehr zum Nachdenken über die Immunschwächekrankheit auf. Die Arbeiten entstanden im Rahmen eines Wettbewerbs der Kampagne „Mach''s mit“ der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung und wollen einen positiven Zugang zum Thema bieten. Kondome, so die Botschaft des Künstlers, sollten mehr als eine Mode, vielmehr eine alltägliche Selbstverständlichkeit sein. Sind sie aber nicht. Gerade unter Jugendlichen sind sie unbeliebt. Auch unter Homosexuellen, bei denen die Krankheit stärker verbreitet ist als in heterosexuellen Kreisen, schwindet das Bewusstsein der Ansteckungsgefahr, wird zunehmend auf Medikamente vertraut, die die Folgen einer Infektion dämpfen sollen.

Um das Schweigen über die Krankheit zu brechen, organisierten das Homosexuellenreferat der Fachhochschule Potsdam und die schwul-lesbische Hochschulgruppe der Universität Potsdam „Queer UP" die Ausstellung. Doch während „Love, Sex, Save“ in Deutschland ohne größere Hindernisse dazu beitragen kann, die Gefahren von AIDS wieder mehr ins Licht zu rücken, ist dies nur ein paar Kilometer weiter östlich kaum möglich, worauf die Veranstaltung ebenfalls aufmerksam machen wollte.

Wie die in Berlin lebende Polin Kasia Lachowicz von der Gruppe „Tolerancja Po Polsku – Toleranz auf Polnisch“ in einer der Ausstellungseröffnung folgenden Podiumsdiskussion ausführte, wäre die Schau in einer polnischen Hochschule kaum denkbar. Wie in anderen Ländern der Europäischen Union auch, ist das Thema Homosexualität in Polen weitgehend Tabu. Nur im Verborgenen können sich dort Lesben und Schwule treffen. Aus Furcht vor Diskriminierung und Gewalt scheuen viele davor zurück, sich offen zur gleichgeschlechtlichen Liebe zu bekennen.

Wie der Potsdamer Kulturarbeiter Uwe Fröhlich erläuterte, sind auch öffentliche Demonstrationen von Homosexuellen in Polen immer wieder Zielscheibe von Übergriffen. Eine weit verbreitete Mischung aus „Religion und Rechtskonservatismus“ erschwere Homosexuellen östlich von Oder und Neiße den Alltag. Fröhlich berichtete von Anfeindungen, die er selbst in Polen erlebte: „Ab in die Gaskammern“ sei während einer Demonstration skandiert worden, Steine und Flaschen geflogen. Die Abgeordnete des Europaparlaments Elisabeth Schroedter verdeutlichte daher, wie wichtig die Europäische Union für die Durchsetzung der Grundrechte homosexueller Frauen und Männer ist.

In der Diskussion mit Kasia Lachowicz verwies die Grünen-Politikerin darauf, dass eine EU-Richtlinie die Diskriminierung im Berufsleben aufgrund der sexuellen Orientierung verbietet. Sollte ein Land diese Richtlinie nicht umsetzen, gelte sogar direkt das betreffende EU-Gesetz. Allerdings müssten die Ausgegrenzten erst einmal dazu ermutigt werden, vor dem Europäischen Gerichtshof, ihre Rechte notfalls auch einzuklagen.Moritz Reininghaus

Die Ausstellung „Love, Sex, Save“ ist noch bis zum 2. Juni in der Fachhochschule, Friedrich-Ebert-Straße zu sehen.

Moritz Reininghaus

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })