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Kultur: Die Johannes-Passion in Israel

Der Neue Kammerchor Potsdam reiste 14 Tage lang durch das Land des Nahen Ostens und gab acht Konzerte

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„Es war eine Reise, die an die Grenzen führte“, sagt Ud Joffe, der jüdische Dirigent und Gründer des Neuen Kammerchors Potsdam. Nach Israel ging die gut 14-tägige Reise des Klangkörpers, die das Goethe Institut und das Land Brandenburg finanziell unterstützten. Es war bereits die zweite innerhalb von acht Jahren, seit der Chor besteht. 2005 wurden Bachs h-Moll-Messe sowie ein a-cappella-Programm zu Gehör gebracht .

„Acht Konzerte haben die Chormitglieder diesmal bestritten. Auch erlebnisreiche Wanderungen gab es , unter anderen durch die Wüste und durchs Gebirge. Von den Chormitgliedern wurde dabei physisch viel verlangt. Bis an die Grenzen des Landes, aber auch der eigenen Kräfte gingen die Fahrten. Es war eine Reise, in der man mit Religionen, mit Geschichte, Kunst und aktueller Politik konfrontiert wurde, die uns täglich bewegen, auch hier in Deutschland.“

Mit Bachs Vertonung der Johannes-Passion war der Neue Kammerchor eingeladen. Gemeinsam mit dem Israel Kibbuz Orchestra reiste man durchs Land, so auch zum Vocalfestival in Abu-Ghosh, einem eher arabischen Dorf in der Nähe von Jerusalem. Dort musizierte man in der christlichen Klosterkirche. Joffe hat jedoch nicht am Dirigentenpult gestanden, sondern Yaron Gottfried, der Chef des Kibbuz-Orchesters. „Ich habe im Chor mitgesungen. Auch das war für mich ein wunderbares Erlebnis.“ Für Joffe war die Tournee, bei der er seinen 40. Geburtstag feierte, etwas Besonderes, schließlich konnte er wieder einmal sein Heimatland besuchen.

Bachs Johannes-Passion – eines der wichtigsten Werke der Christenheit – also in Israel. Die zumeist jüdischen Zuhörer haben die Geschichte des Juden Jesus von Nazareth, der von den römischen Besatzern vor gut 2000 Jahren auf Verlangen des manipulierten Volkes am Kreuz hingerichtet wurde, mit großem Interesse verfolgt, die Musik und den Text: die hebräische Übersetzung des Neuen Testaments sowie die Dichtungen der Arien und Choräle, die eindringliche und tiefgründige Vertonung. „Bachs Werke haben heute in Israel die gleiche Stellung wie in Europa. Sie gehören für die Juden ebenfalls zum Gipfel der Musikgeschichte“, erzählt Ud Joffe. Die Matthäus- und die Johannes-Passion fanden den Weg aber erst in den achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts in die israelischen Konzertsäle. Die Gächinger Kantorei aus Stuttgart unter der Leitung von Helmuth Rilling hat vor mehr als 20 Jahren die Matthäus-Passion erstmals in Jerusalem vorgestellt. Das war eine Sensation, vor allem wohl auch eine theologische.

Ud Joffe beschäftigt sich immer wieder mit den Passionsmusiken Bachs und natürlich mit den Evangelien, die von Jesus von Nazareth berichten. „Ich weiß nicht, ob Christen die Juden in der Gottesfrage absolut verstehen. Für die Juden kann die Einigkeit Gottes nicht in Frage gestellt werden. Eine Dreieinigkeit ist für sie ein Tabu. Darum können die Juden die Aussage von Jesu ,Ich bin Gottes Sohn“ nicht akzeptieren.“

Der Neue Kammerchor hat nach den Aufführungen der Johannes-Passion als Zugabe immer ein hebräisches Gebet gesungen, das der israelische Komponist Yeheskel Braun vertonte. Neben dem Kulturgut aus dem christlichen Deutschland erklang Musik, die zum jüdischen Gemeingut gehört. „Das war mir wichtig: Über alle religiöse Bekenntnisgrenzen hinweg deutlich zu machen: Wir sind alle Gottes Geschöpfe. Und dies wurde von den Zuhörern gut verstanden.“

Der Potsdamer Kammerchor ist wieder zu einer Tournee nach Israel eingeladen worden, Ud Joffe u.a. zu Workshops für Chöre. Die Chorlandschaft sei in seinem Heimatland zur Zeit nicht homogen, auch durch kulturelle Einflüsse osteuropäischer Juden, so der Dirigent, der seit zehn Jahren in Potsdam lebt und seitdem die Musik an der Erlöserkirche prägt. Aber wann Chor und Dirigent sich wieder nach Israel begeben, ist ungewiss.

Ud Joffe und der Chor, die nun wieder zurück in Potsdam sind und die reichen Eindrücke verarbeiten, bereiten sich jetzt auf das Festival „Vocalise“ an der Erlöserkirche vor. Am Eröffnungsabend (23. 11.) musizieren sie das Mozart-Requiem.

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