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Kultur: Die Karten werden täglich neu gemischt

„Die Spur der Spiele“: der Offene Kunstverein startete ein internationales Kunstprojekt

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Die am Abend zuvor geleerten Chardonnay-Flaschen sind heute mit Wasser gefüllt. Jede hat einen anderen Pegelstand und ist bestens geeignet, darauf Musik zu machen. Roberto greift zu Messer und Gabel und lässt das Glas klangvoll schwingen. Andere in seiner „Band“ haben sich aus dem Müll einen alten Blechtopf und eine Apfelsinenkiste gesichert und schlagen nun rhythmisch mit ihren Holzscheiten auf die „Instrumente“. In einen Laden gehen und sich ein fertiges Instrument kaufen, kann schließlich jeder, meint Roberto, der italienische Kammermusiker, der sein Diplom für Violine längst in der Tasche hat. Sich aber selbst eine Trommel oder ein Schlagzeug zu bauen, dazu brauche es Fantasie.

Und die ist in diesen Tagen beim Offenen Kunstverein am meisten gefragt. Wer den Hof des Kunstwerks betritt, wird indes von einer ganzen Kreativflut überschwemmt. Kein Wunder, wenn die geballte Energie von 50 jungen Menschen aus fünf Ländern aufeinander trifft.

Die 17- bis 25-jährigen Schüler und Studenten sind tags zuvor aus Portugal, Spanien, Bulgarien und Italien angereist und bilden nun mit ihren deutschen Gastgebern einen „Morgenkreis“. Theaterfrau Ulrike Schlue als eine der Workshop-Leiterinnen macht erst einmal der Müdigkeit nach dem langen bulgarischen Abend Beine. Alle schütteln die letzte Schlaffheit wie Regentropfen vom Körper ab. Dann geht es straff organisiert in die verschiedenen Arbeitsgruppen. Bei den Malerinnen Sabine Raetsch und Sabine Heron haben sich die „Bildenden Künstler“ versammelt. Sie stecken ihre Köpfe über Kleistertöpfe und Pinsel zusammen und sind dabei, verschiedenen Kopfschmuck zu kreieren. Ein Hirschgeweih streckt bereits seine Enden auf der langen Tafel aus. Doch es müssen noch drei weitere „Hut“-Varianten entstehen. Schließlich sind sie für das große interaktive Spiel mit Karten und Figuren gedacht, an der vier unterschiedliche Mannschaften gut erkennbar gegeneinander antreten sollen.

Die große Überschrift des Internationalen Jugendkunstprojektes heißt nämlich „Die Spur der Spiele“. Jeder hat deshalb sein Lieblingsspielzeug aus Kindertagen mitgebracht: zumeist Kuscheltiere, aber auch ein Jojo oder Diabolos zum Jonglieren. Die Italiener nahmen ein dickes Buch mit ganz speziellen regionalen Knobeleien mit auf die Reise. „Wir versuchen, aus alten bekannten Spielen ein neues zu erfinden“, sagt Nikki Bernstein, die zwischen den vier Workshops koordiniert. Spielen, das heiße Geselligkeit und Wettkampf, Spaß und Strategie, Verführung und Verlust. Da lässt es sich trefflich aneinander reiben. Und man spürt den Feuereifer, der mehr und mehr von den jungen Leuten Besitz ergreift. Auf Englisch werfen sie sich gegenseitig die Ideen-Bälle zu. Vessi aus Sofia hat inzwischen skizziert, was sie dem Geweih-Team entgegenstellen könnte: Mannschaften mit Kronen sowie engelsgleichen Heiligenschein. Mit Pappe und Draht probiert sie gemeinsam mit den anderen aus ihrer bunt zusammengesetzten Gruppe aus, wie sie ihre Entwürfe umsetzen könnte.

Andere Jugendliche pirschen derweil mit einer Videokamera durch die Stadt. Desislava, die vor zwei Jahren im Offenen Kunstverein ein freiwilliges europäisches Jahr absolvierte, wartet auf die „Mitbringsel“. Die Bulgarin weiß, dass nicht alles, was einem vor die Linse kommt, auch filmreif ist. Die Regisseurin wird ihren Schützlingen nun zeigen, was künstlerisch verwertbar ist. „Eventuell wird ja ein Stummfilm daraus, der dann von Roberts Rhythmus-Gruppe begleitet wird“, überlegt Nikki Bernstein. Aber das wird sich erst entscheiden, kurz bevor das große Spiel beginnt. Und dazu werden am 25. Juli am Bassinplatz die Würfel fallen. Die Karten werden bis dahin sicher noch oft gemischt. Auf jeden Fall sollen auch die Potsdamer zu Akteuren werden, wenn der „Spielzug“ quer durch die Stadt zum Kunstwerk zieht. Bei diesem Spiel gibt es am Ende mit Sicherheit nur Gewinner.

Die Präsentation startet am 25. Juli ab 18 Uhr auf der Spielfläche am Bassinplatz.

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