
© B. Rohm
Kultur: Die Kunst, das Vergängliche zu bewahren Vorstellung des Buches „Menschen in Sanssouci“
„Die Geschichte zu bewahren – das hatten wir schon immer vor. Es gehört zu unserem Leben dazu, zu uns.
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„Die Geschichte zu bewahren – das hatten wir schon immer vor. Es gehört zu unserem Leben dazu, zu uns. Sowohl in der Denkmalpflege als auch politisch“, sagt Heide Schönemann. Das Vergängliche zu bewahren, steht im Zentrum des Lebens der beiden Akademiker Heide und Heinz Schönemann. Im wortwörtlichen Sinne. Denn seit nunmehr 46 Jahren wohnt das Ehepaar in der Fasanerie im Park Sanssouci, dem kulturellen und geschichtlichen Mittelpunkt dieser Stadt. In dem Buch „Menschen in Sanssouci. Leben und Arbeiten im Weltkulturerbe“ von Autorin Francisca Drechsler und Fotografin Barbara Rohm, das am vergangenen Freitag in der Villa Quandt vorgestellt wurde, kann man nun einen Einblick erhaschen in das Leben jener Menschen, die in den Schlössern und Gärten von Potsdam ihr Zuhause gefunden haben.
An den ersten Moment, als Heinz und Heide Schönemann die Fasanerie betraten, können sie sich auch nach den vielen Jahren noch erinnern. „Weißt du noch, ich sagte damals: Schau, jetzt wissen wir endlich, wo unsere Bücherregale stehen sollten“, erzählt Heinz Schönemann. Das war 1987. Bereits zehn Jahre zuvor war das Ehepaar Schönemann nach Potsdam gekommen. Aus Halle, wo Heinz Schönemann als Direktor am Moritzburgmuseum gearbeitet hatte und sich dem Sammeln der Kunst der 20er- und 30er-Jahre verschrieben hatte. „Ich hatte mich der Illusion hingegeben, mit Kunst und Diskussion die DDR ändern zu können“, erzählt er. „Doch mit Kunst ist gegen Panzer nichts zu machen, vor allem nicht mit deutscher Kunst gegen sowjetische Panzer.“
Der Prager Frühling brachte Heinz Schönemann, der seine eigene Geschichte beim Erzählen fast mühelos mit der Historie Sanssoucis verwebt, dazu, sich zurückziehen zu wollen – sein Leben hinter den Zaun von Sanssouci zu verlegen. Das Angebot, als Schlösserdirektor dort anzufangen, nahm er an, um einfach einmal nur Denkmalpflege zu betreiben. Völlig unpolitisch. „Aber natürlich war auch das eine Illusion“, meint seine Frau dazu, während das Ehepaar völlig in ihrer eigenen Geschichte aufzugehen scheint, das Erlebte eher miteinander teilt, als mit dem Zuhörer. Es folgten für den heute 80-Jährigen Stellungen als stellvertretender Generaldirektor und nach der Vereinigung der Potsdamer und Berliner Schlösserverwaltung als Stiftungskonservator. Ganz zurückziehen konnte sich der 1934 geborene Schönemann jedoch nicht. Mit „Menschen in Sanssouci“ ist seine Geschichte nun für jedermann gut lesbar in die Bücherregale gewandert. „Wir standen dem Buchprojekt eigentlich von Anfang an sehr aufgeschlossen gegenüber“, meint die Germanistin und Filmwissenschaftlerin Heide Schönemann. Es habe sie ermuntert, ihre Geschichte zu erzählen und sie gleichzeitig auch herausgefordert.
Ähnlich erging es auch Sigrid Gerlitz, die seit 28 Jahren das Damenhaus im Neuen Garten bewohnt. „Es ist erst einmal eine Überwindung, sich so zu öffnen“, meint die 59-Jährige, die als Textilrestauratorin im Neuen Palais arbeitet. Obwohl ihr das Gefühl, jemanden in die Privatheit hineinzulassen, durchaus nicht unvertraut ist. „Die meisten Menschen sind neugierig und einige können auch den nötigen Abstand nicht wahren“, erzählt sie von ihrem Zusammenleben mit den Scharen von Touristen, die jedes Jahr an ihrem Haus vorbei in die Gärten des Neuen Garten ziehen. Meist lebe man einfach aneinander vorbei. „Doch man wird meistens erst durch die Touristen wieder geerdet und bemerkt, dass es etwas Besonderes ist, hier zu wohnen. Das geht im Alltag meist verloren.“ Die Geschichte, mit der ihr Wohnort so eng verknüpft ist, habe sie jedoch auch während des ganz normalen Lebens meist im Hinterkopf.
Der rote Faden der Geschichte, der das Leben des Ehepaars Schönemann so kontinuierlich durchzieht, verwebt sich auch mit dem Alltag auf der anderen Seite des Zauns. „Manchmal kommen Touristen hier vorbei, während wir auf dem Balkon sitzen. Da kommt man schon manchmal ins Gespräch“, erzählt Heide Schönemann. Die meist flüchtigen Begegnungen können sich dann auch manches Mal zu einer angeregten Diskussion entwickeln. Beim Erzählen verliert sich Heinz Schönemann dann wieder in seiner Geschichte und der von Sanssouci. Bis er lächelnd aufblickt: „Entschuldigen Sie, wenn ich aushole, aber das ist wichtig. Das ist Geschichte, die ist nirgends aufgeschrieben.“ Denn schließlich hat er sein Leben dem Bewahren des Vergänglichen verschrieben. Chantal Willers
Chantal Willers
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