Kultur: „Die Kunst der DDR-Zeit polarisiert“
Michael Philipp über die Ausstellung „Hinter der Maske. Künstler in der DDR“, auf die sich das Barberini jetzt mit einem Symposium vorbereitet
Stand:
Herr Philipp, „Dürfen Kommunisten träumen?“ heißt Ihr Vortrag für das Symposium zur Ausstellung von DDR-Kunst, die im Herbst am Barberini stattfinden wird. Warum dieser Titel?
Der Titel ist ein Zitat des Bildhauers Fritz Cremer. Das war die Themenstellung, die für Maler gesetzt war, die 1974 beauftragt wurden, Bilder für den Palast der Republik zu malen. Es war die einzige Vorgabe, die die Maler bekamen. Das Zitat zeigt die Problematik auf, mit der viele Künstler in der DDR zu tun hatten. Das eigentliche Skandalon an der Frage ist ja das Wort „dürfen“: Dass allein die Frage gestellt wird, ob Träumen erlaubt ist, zeigt, mit welchen Einschränkungen Künstler in der DDR arbeiten mussten.
Wie wird sich die Schau des Barberini mit ihren etwa 80 Bildern von anderen Ausstellungen zur DDR-Kunst unterscheiden?
In den vergangenen Jahren hat es zahlreiche Ausstellungen zur Kunst in der DDR gegeben, mit ganz unterschiedlichen Ausrichtungen: Den Ost-West-Vergleich, einen Diktaturenvergleich zwischen DDR und Nationalsozialismus, den Blick auf die regionalen Schulen – Leipzig, Dresden, Berlin – oder mit einem Fokus auf bestimmte Zeitabschnitte, wie es gerade in der 80er-Jahre-Schau am Potsdam Museum der Fall war. Wir haben uns einen neuen Zugang gesucht.
Und welcher ist das?
Wir schauen auf die Figur des Künstlers. Wir fragen danach, wie sich der Künstler in diesem Staatsgefüge positioniert und bewegt hat. Wie er sich selbst und seine Rolle definiert hat, wie er um seinen individuellen künstlerischen Ausdruck gerungen hat und wie er mit den Zumutungen umgegangen ist, die ihm die politischen Verhältnisse auferlegt haben.
Im Symposiumsprogramm sind keine der noch lebenden Künstler von damals vertreten. Wollen Sie die auch mit einbeziehen?
Ja, wir sind im Rahmen der Vorbereitung zur Ausstellung mit vielen Künstlern im Gespräch. Unser Ansatz beim Symposium ist aber zunächst, wissenschaftlich mit der Frage umzugehen. Es geht also um einen analytischen Zugang und weniger um den Zeitzeugenblick. Es gibt ja auch bereits eine Vielzahl von Dokumentationen und Zeugnissen, die Forschung bewegt sich also keineswegs auf einer Terra incognita. Und begleitend zur Ausstellung im Herbst werden wir auch Podiumsdiskussionen veranstalten, bei denen wir Künstler einladen, sich zu äußern und zu diskutieren.
Was wird in der Schau zu sehen sein? Ausschließlich Bilder aus der Sammlung des Museums Barberini?
Es wird ein sehr breites Spektrum zu sehen sein, neben Gemälden auch Fotografien und Videofilme. Und keineswegs nur aus unserer Sammlung, sondern mit zahlreichen Leihgaben aus Dresden, Halle, Chemnitz, Frankfurt/Oder, anderen Museen, bei denen die Leihanfragen noch laufen, sowie von Privatsammlern, von Künstlern und Galerien. Die Ausstellung wird in thematische Schwerpunkte gegliedert sein, etwa die eigene Inszenierung in typologischen Rollen, Atelierbilder und Selbst- oder Gruppenporträts. Letztere sind für Künstler immer ein wichtiges Moment der Auseinandersetzung mit den Kollegen. Und unter den Bedingungen der DDR-Gesellschaft kam künstlerischen Freundeskreisen eine besondere Qualität zu.
Bei den Leihgebern haben Sie das Potsdam Museum nicht genannt. Ihr Nachbar wäre ja auch eine Möglichkeit gewesen, oder?
Selbstverständlich werden wir auch Werke aus der herausragenden Sammlung des Potsdam Museums anfragen. Wir sind im besten Kontakt mit der Direktorin Frau Dr. Götzmann.
Kuratieren wird die Ausstellung Valerie Hortolani, eine junge Kunsthistorikerin aus Berlin. Wie würden Sie Ihren eigenen Zugang zur DDR-Kunst beschreiben?
Als Kurator beim Bucerius Kunst Forum in Hamburg war ich für die Alten Meister zuständig, meine letzte Ausstellung dort war Hieronymus Bosch gewidmet. Insofern bin ich es gewohnt, ausgestellte Werke aus zeitlicher größerer Entfernung anzusehen. Mit dieser Erfahrung der historischen Distanz möchte ich auch die Kunst der DDR betrachten.
Sie haben den kühlen Kopf des Außenstehenden?
Das setze ich mir als Wissenschaftler zumindest zum Ziel. Natürlich bewegen mich die Kunstwerke, mit denen ich intensiv arbeite; aber auch persönliches Empfinden lässt sich auf eine sachliche Ebene führen. Dabei ist das Thema emotional besetzt. Wir präsentieren ja jetzt schon eine Schau mit DDR-Kunst und erleben bei den Besuchern unterschiedliche Reaktionen. Das Thema und die Kunst der DDR-Zeit polarisieren, und das finde ich auch prima. Über Monets Seerosen regt sich heute keiner mehr auf. Aber es gibt Besucher, die sich darüber ärgern, dass im Museum Barberini Werke von Willi Sitte zu sehen sind. Andere sagen, es gab keine Staatskunst, wie könnt ihr das so nennen? Und wieder andere meinen: „Mensch toll, das sind die Kunstwerke, mit denen ich groß geworden bin – schön, das hier zu sehen, weil es in vielen Museen nicht präsent ist.“ Wir freuen uns auf entsprechende Reaktionen der Zuschauer bei der neuen Ausstellung.
Eine Einladung zur Debatte?
Genauso ist es. Gerne zur sachlichen Debatte. (lacht)
Das Interview führte Lena Schneider
Michael Philipp, Jahrgang 1962, ist promovierter Historiker. Er war Kurator am Bucerius Kunst Forum in Hamburg und ist seit September 2016 Chefkurator am Museum Barberini.
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