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Kultur: Die schöne Form von Hausmusik Oboist Albrecht Mayer im Haus Sedemund

Hauskonzerte benötigen eigentlich keine bestimmten Voraussetzungen. Sie können auf die vorhandenen Formen eingehen: unabhängig von jeder Mode, jeder Regel, jedem Klischee.

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Hauskonzerte benötigen eigentlich keine bestimmten Voraussetzungen. Sie können auf die vorhandenen Formen eingehen: unabhängig von jeder Mode, jeder Regel, jedem Klischee. Unzählige Künstler, auch die bedeutenden, haben das erkannt und sich intensiv beteiligt. Natürlich ist es schön, wenn man viele Freunde und Bekannte daran teilnehmen lassen kann. Im Haus des großzügigen Mäzen Jochim Sedemund, dem Trägervereinsvorsitzenden der Kammerakademie Potsdam, ist es möglich. Mehrmals im Jahr finden in den gastlichen Räumen Musikabende statt, an denen vor allem Mitglieder der Kammerakademie musizieren.

Hauskonzerte können auch mühelos menschliche Kontakte schaffen, um die heute ja oftmals so verzweifelt gerungen wird. Sie bieten aber auch Wege zur persönlichen Auseinandersetzung, zum Ausprobieren alter und neuer Kunstformen. Und wenn die hohe Qualität des Dargebotenen noch hinzukommt, dann wird eine Hausmusik nahezu perfekt.

Solch einen Abend konnten am Mittwoch die Gäste im Haus Sedemund erleben. Nicht nur einen podiumserfahrenen Musiker gewann man dafür, sondern auch einen regen Plauderer, der sich seines Charmes sicherlich bewusst ist: den Solooboisten der Berliner Philharmoniker, Albrecht Mayer.

Gerade von einer Bruckner-Probe aus der Berliner Philharmonie nach Potsdam kommend, verstand er es natürlich, sich stilistisch von der Spätromantik auf die Barockmusik ohne Probleme umzustellen. Geriet er aber an diesem Abend doch hin und wieder an die Grenzen seiner Kondition? „Wenn der Bluthochdruck von 300 runterfährt, dann geht’s weiter“, sagte er scherzend, um etwas Zeit für den nächsten Satz zu gewinnen. Aber bei einer Hausmusik können strenge Konzertregeln ruhig ad acta gelegt werden. Mit den Kammerakademie-Mitgliedern hat Mayer jedenfalls eine exquisite Veranstaltung bestritten.

Johann Sebastian Bach, der für ihn und für viele seiner Kollegen der inspirierendste Komponist ist, stand im Zentrum. Konzerte, die für andere Instrumente oder sogar als Kantaten ursprünglich geschrieben wurden, hat Andreas N. Tarkmann, einer der gefragtesten Arrangeure für Bläsermusik und selbst Oboist, für Mayers Instrument rekonstruiert oder neu arrangiert.

So hörte man unter anderen ein dreisätziges Konzert für Oboe d’amore, das man als weltliche Solokantate „Non sa che sia dolore" (BWV 209) kennt. Oder die Sinfonia aus der Kantate „Ich steh mit einem Fuß im Grabe“. Die berühmte schmerzlich-schöne Arie „Lascia ch‘ io pianga“ aus der Händel-Oper „Rinaldo“ beendete den Konzertteil. Albrecht Mayers schlanker und modulationsfähiger Oboenton, seine Freude am Gestalten begeisterte die Zuhörer. Man war sich bewusst, einen grandiosen Musiker und perfekten Techniker unter sich zu haben. All dies übertrug sich auf die Kammerakademie-Mitglieder, die ihm wunderbare Musizier-Partner waren. Nicht nur im Zusammenspiel mit Mayer kam deren Kompetenz des barocken Musizierens zum Ausdruck, sondern auch bei ihrem temperamentvollen „Soloauftritt“ von Antonio Vivaldis Concerto ripieno in C-Dur. Nur mit der Kunst des Improvisieren sollte es nicht recht klappen. Als Mayer bei der Zugabe die Altarie aus Bachs h-Moll-Messe intonierte, war man ohne Notenvorlage hilflos. Macht nichts, es war dennoch ein gelungener Konzertabend im Haus von Jochim Sedemund. Klaus Büstrin

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