Walter Flegel machte fast täglich einen Spaziergang in die still-herbe Bornimer Feldflur. Freundlich grüßend, ein paar Worte mehr oder weniger wechselnd, nichts Überflüssiges redend, so begegnete man dem Schriftsteller Walter Flegel als Nachbarn. Dies hat ein jähes Ende gefunden, denn am 14. Juni verstarb er ganz unerwartet im Alter von 76 Jahren.
Gestern Vormittag lud das Brandenburgische Literatur-Kollegium Brandenburg, dessen Mitbegründer, Vorsitzender und Geschäftsführer er war, zu einer Gedenkfeier in das Filmmuseum ein. Kollegiums-Mitglieder lasen aus dem feinsinnigen lyrischen Werk Walter Flegels, aus „Ansichten von Rügen“ und „Mein Orplid“ – Gedichte, die von der Schönheit der Ostseelandschaft, doch auch von Ängsten und Hoffnungen und Glück erzählen. Auf Rügen als sein Sehnsuchtsort reiste Walter Flegel mindestens einmal im Jahr. Dort suchte er vor allem Stille für Meditationen.
Während der Feier gab es auch Worte des Gedenkens von Weggefährten, Liedbeiträge sowie den Defa-Film „Zum Teufel mit Harbolla“ aus dem Jahre 1988. Walter Flegel gehörte zu den drei Szenaristen des Films von Bodo Fürneisen, der einen köstlich ironischen Ausschnitt aus dem Leben der ersten Offiziersgeneration der NVA in den fünfziger Jahren gibt. Militärklamotte und Milieuschwank lassen grüßen, doch die Filmemacher haben flache Späße – bis auf wenige Ausnahmen – gemieden. Die Veranstaltung im Filmmuseum war keine, die von tiefer Trauer gekennzeichnet war, sondern von trostvoller Heiterkeit.
Nach dem Studium am Literaturinstitut „Johannes R. Becher“ in Leipzig leitete Walter Flegel das Bezirksklubhaus der NVA in Potsdam, von 1973 bis 1986 war er am Militärgeschichtlichen Institut der DDR tätig. 1986 schied er als Oberstleutnant aus der DDR-Armee aus und wurde freischaffender Schriftsteller. Das Soldatenleben in der DDR hat er vor allem in seinen Prosataxten behandelt. Romane aus dem NVA-Alltag wie „Der Regimentskommandeur“ oder „Ein Katzensprung“ flossen aus seiner Autorenfeder. Darin war eine Treue zu den Allmachts- und Wahrheitsansprüchen der SED unverkennbar. Flegel wusste sich in der DDR gut aufgehoben. Er war überzeugt von dem antifaschistisch-sozialistischen Credo, mit dem dieser untergegangene Staat einst sein Dasein antrat und agierte. Doch der Schriftsteller sprach während der Nachbarschaftsgepräche davon, dass die unbewegliche DDR mit ihren zahlreichen Irrtümern und Fehlern zu ihrem Untergang führen musste. Seine Kritik an den Verhältnissen, die er mehr oder weniger versteckt geäußert habe, sei wohl zu spät gekommen.
Sein großes Thema in den Texten vor und nach der Wende hieß: Wie geht der Mensch mit Menschen um – auf dem Kasernenhof. Im Film sagt Harbolla zu seinem Leutnant: „Mensch ist ein Dienstgrad, höher als General“. Darum bemühte sich auch Walter Flegel. Nach der Wende schrieb und veröffentlichte er weiterhin fleißig Prosatexte. Und er war sozial stets hoch engagiert im Einsatz. Er kümmerte sich um den literarischen Nachwuchs, um schreibende Senioren und Menschen mit Behinderungen. Für sie hat er gern viel Zeit aufgewandt und ihnen dadurch das Leben noch ein Stück lebenswerter gemacht.
Auf seinen eigenen Wunsch wird in den kommenden Tagen die Ostsee vor der Insel Rügen seine sterblichen Überreste aufnehmen. Klaus Büstrin
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