Von Heidi Jäger: Ein begehbarer Traum
Markus Lüpertz eröffnet in der Villa Henckel am Pfingstberg eine private Kunstakademie
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Seine täglich hundert Liegestütze hat er bereits gestemmt und auch die morgendliche Runde mit dem Rennrad liegt hinter ihm. Der 68-Jährige sprüht vor Energie: In seinem riesigen Teltower Atelier hinter der rund acht Meter hohen Glasfassade erzählt Kunstprofessor Markus Lüpertz, der gerade von seiner Rektorenstelle an der Staatlichen Kunstakademie in Düsseldorf verabschiedet wurde, begeistert vom nächsten Projekt. In Potsdam, an schönster Stelle, möchte der international renommierte Künstler eine private Akademie etablieren. Dazu auserkoren hat er die einstige Bankier-Villa Henckel am Pfingstberg, die derzeit auf seine Zwecke zugeschnitten restauriert wird.
Im Oktober wird der in Böhmen geborene und 1948 mit seiner Familie ins Rheinland geflohene Maler und Bildhauer den auf zehn Jahre fixierten Mietvertrag unterschreiben und im Herbst 2010 soll der Studienbetrieb der „Akademie Souci GmbH Markus Lüpertz Potsdam“ starten. Dass er das Wort Sans aus dem Sanssouci-Schloss Friedrichs kappte, heißt nicht, dass sich der Künstler von Sorgen übermannt fühlt. „Es geht um ein kulturelles Sorgen im besten, im philosophischen Sinne: Die Menschen kommen miteinander aus, weil sie sich umeinander sorgen.“
Lüpertz weiß, dass der zweite und dritte Vorname eines jeden Künstlers Einsamkeit und Krise heißt. Deshalb entfloh er 38 Jahre lang als Akademieprofessor immer wieder der Abgeschiedenheit im Atelier. Er suchte den Austausch, die Annäherung. „Ich bin ein Mensch, der nicht allein sein kann, ich brauche den Trubel, das Leben.“
Und das soll nun ganz zugeschnitten auf seine eigene Künstlerpersönlichkeit in Potsdam, „der poetischen Attitüde Berlins“, passieren: „Mit meinen Ideen, meiner Sehnsucht zu kommunizieren, in Poesie, Musik, Philosophie.“ Er möchte der Kunst im Raum Potsdam und Berlin Präsenz und gesellschaftliche Bedeutung geben. Zwar habe er auch in Düsseldorf bereits die Freiheit der Individualität durchgesetzt und eine größtmögliche Toleranz gehabt. Doch nun möchte er dem Werkstattcharakter mehr Gewicht geben und seine ganz eigene Kunstposition weitergeben und verhärten, wie er immer wieder herausstreicht.
Die Akademie hätte durchaus auch in Teltow stattfinden können, dort, wo er meterhohe Skulpturen wachsen lässt, beäugt von ausgestopften Tieren, die er als leidenschaftlicher Jäger erlegte. Für ihn hat Teltow etwas vom Wilden Westen. „Es ist so zersiedelt, dass ich die Stadt als Stadt gar nicht begreife. Aber seine aus 42 Containern zusammengesetzte, verkleidete Halle, die er neben sein Malatelier in Märkisch-Wilmersdorf unterhält, sei einfach hinreißend, „sie hat etwas Asoziales und das mag ich.“
Doch für die Akademie, seinem „Wolkenkuckucksheim,“ mit dem er die Notwendigkeit über das Mögliche beweisen möchte, entschied er sich schließlich doch für das Schmuckkästchen Potsdam mit hohem elitärem Anspruch. „Die Akademie verkauft sich als Ereignis und daran kann man für ein gewisses Geld teilhaben. Die Schüler müssen begreifen, dass sie dazugehören und Mit-Sponsor sind.“ Sie werden semesterweise studieren und können darüber hinaus in den Ferien Kurse bei anderen berühmten Malern belegen. „Meine Schüler müssen in jedem Fall mit einer gewissen Qualität aufwarten. Sollte es keine Leute geben, die die richtige Leidenschaft für die Sache aufbringen, ist das ganze Unterfangen zum Untergang verurteilt. Doch die Kultur lebt von Atlantisträumereien.“ Und sein begehbarer Traum sei durchaus handfest. „Schon viele Künstlerkollegen haben mir geschrieben, dass sie mitmachen möchten.“ Trotz beinharter Lehre soll die Akademie Leichtigkeit verströmen und wie ein Korken auf dem Wasser tanzen.
Das Studium werde ausschließlich auf die Lehre des Neoexpressionisten Markus Lüpertz basieren, dessen Bilder auf Auktionen Millionen einbringen. „Erst im Vergleich lässt sich Qualität feststellen. In der Avantgarde gibt es keinen solchen Vergleich. Sie bringt die Malerei nicht weiter. Beuys und Vostell waren großartige Künstler und sie waren notwendig gegen den sich verbreitenden Akademismus. Doch dann hat sich die Avantgarde etabliert und sich damit erübrigt“, so Lüpertz, der für seine Kunst zahlreiche Ehrungen erhielt, wie den Preis vom Deutschen Kritikerverband, den Preis der Villa Roma und den Lovis-Corinth-Preis der Künstlergilde Esslingen. „Kunst geht auf die Ewigkeit los und auf Vollendung. Das ist die Sehnsucht. Über sie können sich die Künstler wieder nähern.“ Und um diese Annäherung gehe es letztlich in seiner Akademie, der ein Senat vorstehen soll, in dem Unternehmer mit großem kulturellen Interesse ebenso sitzen wie Kunstwissenschaftler oder Dichter. Und einmal im Jahr plant Lüpertz eine Senatssitzung, die mit einem öffentlichen Ball prunkvoll ausklingt. „Ich hoffe, dass sich die Leute um die Karten schlagen“, sagt der Malerfürst, der auch gern durch seine elegante, ausgefallene Kleidung auf sich aufmerksam macht.
Während der Maler genüsslich sein Tartar verspeist und Cappuccino aus dem geliebten Pappbecher trinkt, erzählt er von seinem Plan, in der Villa auch eine Galerie einzurichten und zu Jahresausstellungen einzuladen. Mit Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender der Axel Springer AG kam er zudem überein, Kooperationen mit der von Döpfner sanierten Villa Schöningen an der Glienicker Brücke anzustreben. Lüpertz zeigt sich geradezu begeistert von der bisherigen Unterstützung durch die Stadt. Oberbürgermeister Jann Jakobs habe ihm eine wohlwollende Begleitung seines Vorhabens zugesichert.
Lüpertz, der auch gerne schreibt, möchte seinen bereits bestehenden Verlag der Akademie angliedern und eine eigene Rundfunkstation gründen. „Rundfunk ist hundert Mal spannender als Fernsehen, abstrakter, intellektueller. Aber gerade dort findet eine Verrohung statt, werden nur Platten aufgelegt und falsches Deutsch gesprochen.“ Schon in Düsseldorf plante er einen Akademie-Sender. Doch da wollten die „Asten“, die studentischen Vertreter, mitreden „und die hätten ohnehin nur Mist erzählt. Das hätte ich dann wieder als Rektor zu verantworten gehabt,“ so Lüpertz rigoros, der sich ohne Umschweife dazu bekennt, diktatorisch zu sein. „Ich entscheide schließlich auch, wer ausstellt und wer nicht.“ Andererseits betont er, dass ihm der Respekt vor anderen Künstlern sehr am Herzen liege. „Viele Kollegen sind nach Düsseldorf an die Akademie gekommen, weil ich dort Rektor war.“ Nun also wird er Senator – wie im alten Rom. Und er hält sich nicht nur durch Liegestütze dafür fit, gerade weil er bereits viele Mitstreiter durch Krankheit, Tod, unglückliche Lieben oder weil sie nicht mehr trinkfest genug waren, verloren hat.
Auch er, der früher im Schwergewicht gerungen und in der A-Jugend in Gladbach Fußball gespielt hat, bekam schon einen „Dämpfer“ und musste vor drei Jahren die eigene Fußballmannschaft „Lokomotive Lüpertz“ aufgeben. „Ich bin beim Autofahren eingeschlafen, obwohl ich gerade ,Lotte in Weimar’ hörte und an der Stelle war, wo Goethe Lotte kennenlernte.“ Achtsamkeit wird er also künftig in jeder Hinsicht brauchen, um sein Wolkenkuckucksheim auf starken Wänden zu gründen und mit Leichtigkeit zu füllen.
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