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Von Klaus Büstrin: „Ein kleines Museum für den König zusammengefunden“

Erster Bestandskatalog der Antiken der Schlösserstiftung erschienen: Wechselvolle und spannende Geschichte von Kunstwerken

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Homer hält Wache. In der Bibliothek des Schlosses Sanssouci schaut der blinde Dichter, der Verfasser der ersten beiden großen literarischen Werke des Abendlandes, Ilias und Odyssee, auf die literarischen Erzeugnisse seiner Kollegen. König Friedrich II. vereinte in seinem Bücherarsenal die Großen der Literaturgeschichte, vor allem die der griechischen und römischen Antike sowie Frankreichs. Die in deutscher Sprache schrieben, fanden keinen Raum. Der feierlich-würdevollen Homer-Büste ist am Orte des Geistes der richtige Platz zugewiesen.

Der König erwarb sie 1742 neben anderen aus dem Nachlass der berühmten Sammlung des französischen Kardinals Melchior de Polignac. Der einstige Botschafter Frankreichs beim Vatikan nannte 300 Skulpturen, vor allem römische Büsten sein Eigen. Seit 1747 findet man Homer, der in der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts nach Christus geschaffen wurde, in der Bibliothek des Schlosses Sanssouci, also von Anfang an. Die Geschichte der Homer-Büste ist in „Die Antiken“, dem soeben erschienenen Bestandskatalog der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, beschrieben. Seit 2000 gibt es Gesamtkataloge, für Stickereien, Kronleuchter, Potente-Gartenpläne und für historistische Möbel. Sie wurden wissenschaftlich erfasst, kommentiert und jedes einzelne Stück fotografisch dokumentiert. Der neueste Überblick umfasst 415 Antiken, die einst für die Schlösser und Parks des brandenburgisch-preußischen Herrscherhauses erworben wurden, vom 17. bis zum 19. Jahrhundert. Heute beherbergt die Stiftung lediglich 80 Antiken in ihren Mauern.

Die Kustodin der Stiftungs-Skulpturensammlung, Saskia Hüneke, hat bereits 1992 mit der Auflistung der Büsten und Statuen begonnen. Die langjährige und verdienstvolle Arbeit ist nicht nur eine des Fleißes. Das Ergebnis zeugt von einem immensen kunsthistorischen Wissen. Saskia Hüneke konnte für die Katalogsmitarbeit namhafte Archäologen, Kunsthistoriker und Restaurierungsfachleute gewinnen.

Die einzelnen Epochen der Herrscher werden in puncto Erwerbungsumstände und Einsatz der antiken Skulpturen im Rahmen der repräsentativen Raumprogramme, näher beleuchtet. Man lernt zudem die wechselvolle und spannende Geschichte der Werke kennen. Ein zweiter Katalog wird voraussichtlich im nächsten Jahrzehnt erscheinen.

Die Antiken gehören zwar zum Mittelpunkt der Stiftungs-Sammlungen, aber sie haben nicht den Bekanntheitsgrad wie andere Kunstwerke. Vielleicht sind der Homer in der Bibliothek und die Statuen in der Kleinen Galerie von Friedrichs Sommerschloss Sanssouci sowie die Plastiken im Park von Charlottenhof noch diejenigen, die Kunstliebhabern am ehesten vor Augen sind. Diese Bauten stehen für die Epochen Friedrichs II. und Friedrich Wilhelms IV. Die beiden kunstinteressierten Könige, Friedrich Wilhelm II. inbegriffen, haben immer wieder Antiken angekauft. Friedrich erwarb neben dem Nachlass Polignacs auch Werke aus der Sammlung seiner Schwester, Markgräfin Wilhelmine von Bayreuth. Der König ließ in der Nähe des Neuen Palais ein Extra-Gebäude erbauen, den Antiken-Tempel: zum Studium der Antiken und zur „Präsentation der Gelehrsamkeit ihres Eigentümers“.

Friedrich Wilhelm II. beauftragte den Architekten Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff, in Rom Bildwerke zu kaufen. 1790 schrieb dieser an seine Frau, er „habe ein kleines Museum für den K(önig) zusammengefunden, und ich glaube er soll Vergnügen daran haben.“ Friedrich Wilhelm IV., der als Kronprinz Antiken vor Ort am Golf von Pozzuoli 1828 besichtigte, kaufte sie und schmückte damit Park und Schlösser.

Die Antiken „wanderten“ zur Zeit der preußischen Herrscher durch mehrere Städte. Friedrich Wilhelm I. schenkte dem sächsischen König August dem Starken Skulpturen, Napoleon raubte 27 Statuen und 45 Büsten während seines Feldzuges 1806 und brachte sie nach Paris. Die meisten kamen gut zehn Jahre später wieder zurück nach Preußen. Als 1823 das Berliner Museum eröffnet wurde, verbrachte man aus den Potsdamer Schlössern auch Antiken in die Residenzhauptstadt. Ein im Buch abgebildetes Aquarell aus dem 19. Jahrhundert zeigt, dass die Kleine Galerie im Schloss Sanssouci leergeräumt war. In Museen in Berlin findet man auch heute Antiken aus den Potsdamer Schlössern. Für sein neu erbautes Schloss in Posen entnahm Wilhelm II. ebenfalls Kunstwerke aus den hiesigen Schlössern. Ein Kooperationsvertrag mit den Staatslichen Museen Berlin regelt heute, dass durch Leihgaben Lücken in rekonstruierten Schlossräumen wieder geschlossen werden sollen, beispielsweise wie geschehen, im Marmorpalais.

Saskia Hüneke u.a., Antiken I, Bestandskatalog der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, Akademie Verlag Berlin, 128 Euro.

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