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Kultur: Ein wahrer Kinderheld

Benno Pludra trägt sich heute in das Goldene Buch der Stadt Potsdam ein

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Die Helden seiner Bücher sind Kinder mit einem Traum, einem Wunsch oder einer Utopie, deren Realisierung sie unbeirrbar und zeitweise stur gegen die Umwelt durchsetzen. Ob das die „weiße Muschel“ bei Lütt Matten ist oder das Schiff „Tambari“ von Jan Töller, wichtig ist das, was die Kinder mit ihrem Traum verbinden: eine Freundschaft, Freiheit, einen Schatz. Und ganz nebenbei beschreibt Benno Pludra Menschlichkeit und natürlich auch die Landschaft um das Meer, den Bodden, die Küste.

Ohne Meer kann Pludra, der sich heute in das Goldene Buch der Stadt Potsdam eintragen darf, nicht leben. Und auch in Potsdam-Nedlitz sieht er von seinem Haus auf eine Ahnung von Meer. Zwar sei das nur ein Kanal, aber Wasser sei lebendig, und darauf komme es an, sagt der kleine weißhaarige Mann mit den leuchtenden Augen, die immer noch wirken wie die seiner Helden. Verträumt, an das Gute in der Welt und im Menschen glaubend. Vertrauend. „Man braucht das doch, Vertrauen.“ Darauf insistiert der 1925 Geborene: Man kann doch nicht immer denken, dass der Gesprächspartner das, was man preisgibt, gleich anderswohin trägt. Vertrauen ist es wohl auch, was die Kinder bei ihm spüren, die ihm nun schon seit den fünfziger Jahren treu sind und in seinen Geschichten träumen dürfen. Er habe Glück gehabt, weiß Benno Pludra, er sei auch in der DDR immer gewarnt worden vor jenen, die Übles im Schilde führten. Schlechte Erinnerungen an den Staat, den er nicht loswerden wollte, hat er keine. Sicher, die Mauer sei von vornherein ein Fehler gewesen, aber ohne sie hätte die DDR keine Blüte erlebt, gibt er zu bedenken. Selbst die Versuche, bei seinen Werken Zensur zu üben, sieht er gelassen, und mit jugendlich wirkendem Kichern kommentiert er: „Na ja, da habe ich halt gewartet und ein halbes Jahr später haben die ganz anders gedacht und ich durfte publizieren.“ Er ist sehr froh, dass er diese „Arbeitsstrecke“ gefunden habe. Wer weiß, meint er, wenn es anders gekommen wäre, „hätte ich vielleicht richtige Bücher für Erwachsene geschrieben“, lacht er die Vorurteile anderer von sich weg und hebt unterstreichend die Arme.

Eigensinnig wie seine Helden hat er über 40 Romane verfasst und viele Ehrungen erhalten: 1966 den Nationalpreis für Kunst und Literatur der DDR, 1992 den Deutschen Jugendliteraturpreis und 2004 für sein Lebenswerk den Sonderpreis des Deutschen Jugendliteraturpreises. „Wir brauchen noch viel mehr gute Kinderbücher, man kann doch nicht immer auf Tom Sawyer zurückgreifen.“ Er ist dankbar, dass die Freunde immer wieder sagten: „Jetzt schreib doch mal.“ Da habe er eben geschrieben, denn eigentlich sei er ja ein „fauler Hund“. Das nimmt man ihm nicht ganz ab. Auch jetzt sitzt er wieder an einem Buch. „Wie heißt der Titel gleich noch? Ach ja richtig: ,Hat jemand den weißen Lincoln gesehen?““ Darüber sitzt er allerdings schon seit einigen Jahren. Nun, es kam eine Krankheit seiner Frau – die ihn übrigens freundlich-ehrerbietig „Lord“ nennt – dazwischen.

Nach der Wende könne man nicht mehr so schreiben wie davor, wusste Benno Pludra recht bald, und mit „Jakob heimatlos“ (2000) hat er die wohl traurigste seiner bisherigen Kindergeschichten geschrieben. Jakob nämlich will sich nicht abfinden damit, dass sein Vater arbeitslos wird und nur noch aus dem Fenster schaut. Er haut zu – und dann ab. Pludra lässt offen, ob der Junge wieder nach Hause zurückkehrt, aber er legt Wert darauf, dass auch diese Geschichte nicht hoffnungslos sei.

Seine große Stärke, Kinder mit ihren Hoffnungen und Ängsten ernst zu nehmen, blieb Pludra immer erhalten. Wie seine eigensinnigen Helden werden, wenn sie älter sind, kann man an dem Autoren selbst studieren: bescheiden-bestimmt Meinungen vertretend, vertrauensvoll und ein wenig träumerisch auf das Wasser draußen schauend, auch wenn es sich nur um den Kanal in Nedlitz handelt. Potsdam kann stolz auf diesen Schriftsteller sein.

Lore Bardens

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