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Kultur: Eine aktivierende Kunst

Natalie Gommert und Dieter Wendland edierten im Wichern-Verlag ein Buch über Wilhelm Groß

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Natalie Gommert und Dieter Wendland edierten im Wichern-Verlag ein Buch über Wilhelm Groß Von Klaus Büstrin „Christus in Gethsemane knieend“ – Dieter Wendland erlebt an vielen Sonn- und Feiertagen diese Holzplastik. In der Gethsemanekirche im Prenzlauer Berg in Berlin kann auch Wendland, der dort Mitglied des Gemeindekirchenrates ist, nicht unbeteiligt an ihr vorbeigehen. Sie zwingt zum Nachdenken, zum Nachvollzug. Das Gesicht des Jesus von Nazareth verharrt in tiefer Angst und Traurigkeit, wohl wissend, dass seine Gefangennahme, Verurteilung und Hinrichtung bevorstehen. Wilhelm Groß (1883-1974) ist der Schöpfer dieser beeindruckenden Skulptur aus dem Jahre 1922. Dieter Wendland wollte mehr über diesen Künstler erfahren, Leben und Werk der Öffentlichkeit bekannt machen. Er konnte den Wichern-Verlag in Berlin zur Veröffentlichung einer Publikation über Wilhelm Groß überzeugen, ebenso die Potsdamer Journalistin Natalie Gommert, die den Text schrieb. Dieter Wendland besorgte das reichhaltige Bildmaterial, das Auskunft gibt über ein weit gespanntes künstlerisches Werk. Auch so manches private Foto aus dem Familienbesitz zeigt viele interessante Facetten aus dem Leben des Künstlers. Und so haben beide Autoren das Buch „Wilhelm Groß – Bildhauer und Prediger“ ediert, das vor allem gestalterisch sehr für sich einnimmt. Natalie Gommerts Text führt die Persönlichkeit Wilhelm Groß’ ganz lebendig vor Augen. An der Kunst dieses Bildhauers werden sich wohl kaum die Geister und Meinungen scheiden, wie beispielsweise bei den religiösen abstrakten Arbeiten des Dresdners Friedrich Press. Dennoch sind die Skulpturen von Wilhelm Groß, die in mancherlei Hinsicht an Ernst Barlachs Figuren erinnern, nicht immer eine bequeme Kunst, sie ist vielmehr eine aktivierende. Damals, als die knieende Christusfigur in der Gethsemanekirche aufgestellt wurde, hatten die Gemeindeglieder noch Schwierigkeiten, sich dieser Figur zu nähern. Ihnen lag der vor dem Gotteshaus stehende Abguss des „Segnenden Christus“, den Bethel Torvaldsen im romantischen Gestus geschaffen hat, weit näher. Daran erinnert auch Bischof Wolfgang Huber in seinem Vorwort zum Buch und betont, dass die Großsche Kunst weder schön noch leicht oder eingängig sei. Vor allem wollte der Künstler inmitten einer „religionslosen Welt“ die Wirklichkeit der christlichen Wirklichkeit bezeugen. Beispielsweise der mit beiden Armen mahnende und drohende Prophet Amos (St. Jacobikirche Stralsund), die zahlreichen Kruzifixe in verschiedenen Stadt- und Dorfkirchen, der Christophorus oim Johannesstift in Berlin-Spandau oder der Mose mit den Gesetzestafeln in der Epiphanienkirche Berlin. Das Werkverzeichnis ist immens groß. Der Künstler wurde in Schlawe bei Stolp in Pommern geboren. Er lässt sich als Bildhauer ausbilden, erhielt 1908 den renommierten Rompreis des Deutschen Künstlerbundesund zog nach Berlin. 1919 wählten er und seine Familie den Wohnsitz in Eden bei Oranienburg. In dieser Siedlung befleißigen sich die Einwohner einer vegetarischen Lebenshaltung. Man steht dort für eine Lebens- Wirtschafts- und Bodenreform. Den christlich-jüdischen Idealen – seine Vorfahren waren Juden – zutiefst zugewandt, hatte er eine tiefe Abneigung gegenüber dem Nationalsozialismus und dem Sozialismus, wie ihn die DDR-Oberen propagierten und pflegten. Er stand dem Theologen Martin Niemöller, damit der Bekennenden Kirche, nahe. Natalie Gommert und Dieter Wendland haben ein bewegendes Buch über einen wichtigen Bildhauer vorgelegt, dessen Kunst ein unbedingtes Glaubenszeugnis ist. Natalie Gommert/Dieter Wendland, Wilhelm Groß, Bildhauer und Prediger, Wichern-Verlag Berlin, 29,80 Euro.

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