
© RayMain; privat; Inge Prader; Collection Rolf Heyne
Kultur: Erfolgreich mit seinem Kind
Der Modedesigner Wolfgang Joop wird heute 65. Soeben erschien von ihm das Buch „Wunderkind – 14467 Potsdam“ / Gedanken von seinem Freund seit Kinderzeit, Klaus Büstrin
Stand:
Der Weg nach Berlin führte diesmal über die Glienicker Brücke. Das Ziel war das Schinkel-Schloss in Klein-Glienicke. Von dort sollte es weitergehen zur Pfaueninsel. Im Schloss, das in den fünfziger Jahren ein Hotel beherbergte, wohnte Wolfgang Joops Vater. Wolfgang, seine Mutter Charlotte und Freund Klaus besuchten ihn dort. Gerhard Joop wollte vorerst nicht in den Osten reisen. Die Kommunisten in der DDR haben ihn jahrelang drangsaliert, unschuldig. Er wurde von dieser Zeit gezeichnet. Und so erlebte man ihn als einen ernsten, auch strengen Menschen. Charlotte Joop blieb dagegen stets eine lebensfrohe Frau, die mit ihrem Charme ihre Umwelt immer wieder zu bezaubern vermag. Wolfgang war dem Vater gegenüber nicht sehr aufgeschlossen, eher zurückhaltend. Man spürte es allenthalben. Auch an jenem Tag im Schinkel-Schloss.
Die Frage des Kellners im Hotelrestaurant, welchen Kuchen die Jungen essen möchten, beantworteten sie einmütig: Fächertorte. Dieser Name verriet, dass hier eine höfische Konditorei zu Hause sein müsse. Nur das Geschirr, auf dem der Kuchen und der Tee serviert wurden, das stellten sie fest, war alles andere als einem Schlosshotel ebenbürtig. Das in Bornstedt auf dem Bauernhof seiner Großeltern Lina und Paul Ebert sah ganz anders aus, viel vornehmer. „In Potsdam warteten der Luft-Tee aus Tante Ullas Sammeltassen im Salon. Meistens waren sie zu dritt. Angela, Klaus und Wolfgang. Einer war immer eine Königliche Hoheit und schrie die anderen an, sie sollten nicht auf die Schleppe treten. Hatten sie Spaß“. Schönes, Geschmackvolles und Ansprechendes bevorzugte Wolfgang eben schon als Kind.
Der weltberühmte Modedesigner Wolfgang Joop, der auch als Maler, Bildhauer und Autor seinen Mann steht, erinnerte sich, erzählte und schrieb gemeinsam mit der Journalistin Inga Griese seine Autobiographie „Wunderkind – 14467 Potsdam“. Schon der Titel verrät, dass man eine Hommage auf die Heimatstadt Potsdam erwarten darf. Der schwergewichtige Band, er wiegt immerhin rund acht Kilogramm, ist aber auch vor allem eine Huldigung an Bornstedt, an die Großeltern Ebert, an die Tanten Liesel und Ulla, an die Menschen, mit denen er dort lebte und vieles erlebte, die Kinderjahre voller Glück und Geborgenheit. Die Zeit in Braunschweig, wo sein akkurater, preußischer Vater ab 1952 als Chefredakteur der illustren Kulturzeitschrift „Westermanns Monatshefte“ fungierte, war dann mit vielen Spannungen versehen, in der Schule und im Elternhaus. Aber zusammenfassend stellt Wolfgang Joop fest, dass er eine tolle Kindheit hatte. „Die in Bornstedt. Nicht die in Braunschweig. Die Kontraste waren sehr scharf. Aber was ich heute bin, dieses komplexe, zerrissene Wesen, bin ich durch diese Spannung.“
Inga Griese und der Modedesigner, der heute seinen 65. Geburtstag begeht, haben den Text wie in einem Zwiegespräch geschrieben, sehr lebendig und äußerst anschaulich. Der Autor weiß mit großer Ehrlichkeit, entwaffnender Direktheit und Sprachgewandtheit über sein Leben zu erzählen. Das stellt man auch in den verschiedenen Medien, in Gesprächen und in Interviews immer wieder fest. Auch in seinen Büchern, wie dem amüsanten Kochbuch oder dem autobiografischen Roman „Im Wolfspelz“.
Das neue, so opulent gestaltete Buch, und das macht es besonders kostbar, ist mit einer Vielzahl von Bildern, Zeichnungen seiner besten Entwürfe sowie Fotos aus dem Privatbesitz ausgestattet. Auch sie geben neben dem Text einen Einblick in die Geschichte einer Familie, eines Menschen, die zwischen zwei Systemen pendeln mussten, nicht politisch, sondern weil die DDR-Politik mit ihrer Mauer es bis zur Wende verordnete. Zeichnen war für Wolfgang schon von Kindesbeinen an ein Pläsier. Vor allem Figurinen entstanden auf dem Papier, die er mit den schönsten Kleidern ausstattete. Es stand für ihn fest, Kunst zu studieren. Vater Gerhard entschied, den Zehnjährigen auf die Kunsthochschule zu schicken, die talentierte Kinder und Jugendliche für eine Ausbildung aufnahmen. Das Fernziel war, er sollte Kunsterzieher werden. Doch das wollte Wolfgang keineswegs. Dann nahm man ihn aber in einem Gymnasium auf. Seine Freundin und spätere Frau Karin studierte an der Kunsthochschule in Braunschweig. Sie nahm ihn eines Tages zu einem Zeichenseminar mit. Ihr Professor war begeistert von Wolfgangs Talent: „Sie fangen morgen bei mir an. Eine Aufnahmeprüfung brauchen Sie nicht.“
Nach dem Studium versuchten Wolfgang und Karin in die Modebranche einzusteigen. Sie lernten die Könige der Designer, Yves Saint-Laurent und Karl Lagerfeld, kennen. Und schließlich wurde Wolfgang Joop selbst einer. Es kam die Marke JOOP! mit Modekollektionen und Parfüms, die ihn weltbekannt machte, auf den Markt. Doch in den neunziger Jahren verabschiedete er sich von der Firma, verkaufte die Eigentumsanteile, nahm das Geld und seine Talente, ging von Hamburg, wo er lange Zeit lebte und auch seine Töchter Henriette und Florentine aufwuchsen, nach Potsdam. Zunächst auf das Anwesen seiner Großeltern, seiner Tante Ulla, die ihm durch die schwierige DDR-Zeit „sein“ Bornstedt bewahrte. Für die Eltern und für sich und seinen Partner Erwin Lemberg, er war von seiner Frau Karin längst geschieden, baute er den einstigen Kuhstall in eine italienisierende Villa um.
Doch es sollte etwas Eigenes her. Die Suche nach einem geeigneten Haus in Potsdam begann. Man fand es schließlich am Heiligen See, gegenüber vom Marmorpalais, in dem zu Friedrich Wilhelms II. Herrschaft die Gräfin Lichtenau aus- und einging. Sie kleidete sich übrigens ebenfalls nach der neuesten Mode.
Über dem Eingang des klassizistischen weißen Gebäudes steht „Wunderkind“. Die Prophezeiung einer Wahrsagerin hatte sich erfüllt: „Du wirst am Wasser wohnen und sehr erfolgreich sein mit einem Kind.“ Eben mit „Wunderkind“, dem „kapriziösen Modelabel“, das er mit Edwin Lemberg Anfang dieses Jahrhunderts in Potsdam ins Leben rief. Inga Griese beschreibt es in dem Buch: „Wunderkind propagiert nicht Variationen eines fest definierten Stils, sondern entwirft in jeder Saison ein neues Frauenbild, eine spielerische Variante der Garderobe für Frauen mit Bildung und Stilgefühl, die unabhängig und sophisticated sind, die Konventionen kennen und deswegen mit ihnen jonglieren können.“ Auch ohne „JOOP!“ wurde „Wunderkind“ weltweit bekannt. Wunderschöne Fotos im Buch, das man eher als Bildband bezeichnen kann, geben Kunde von der Joop’schen Modewelt, vom Wunderkind.
Zwischen den anstrengenden Arbeiten für die neuen Kollektionen, diversen Einladungen und Partys findet er aber immer wieder Zeit, um sich aufs Fahrrad zu setzen, zum Markt auf dem Bassinplatz zu fahren, um die frischen Gerüche von Gemüse, Obst und Blumen einzuatmen – die er auch in der Kinderzeit bei seinen Großeltern so liebte – fährt er rüber nach Bornstedt, wo seine Mutter wohnt. Immer wieder zurück zu den Wurzeln. Und somit hätte das Buch neben der Potsdamer Postleitzahl 14467 eine weitere aufnehmen können: 14469 für Bornstedt.
„Wunderkind – Potsdam 14467“, Herausgegeben von Inga Griese und Edwin Lemberg, Collection Rolf Heyne, Preis 150 Euro
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