Kultur: Erst Opfer dann Held
Die Eröffnung der Dreyfus-Ausstellung „J“accuse“ stieß auf großes Interesse
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Die Eröffnung der Dreyfus-Ausstellung „J“accuse“ stieß auf großes Interesse Mit einem Theater-Plakat aus Chicago steigt die Ausstellung „J“accuse“ im Kutschstall in das Thema Dreyfus ein. „Devil“s Island“ steht auf der um 1900 entstandenen Lithographie. Es zeigt die öffentliche Degradierung des unschuldig wegen Spionage verurteilten französischen Hauptmanns, der später doch noch rehabilitiert wird. In der Mitte groß das Opfer. Den Blick ins Nichts gerichtet, die Haltung stramm, der Körper gestreckt. Ein Soldat trennt die Epauletten von seiner Uniform, ein anderer zerbricht seinen Säbel. Im Hintergrund das Volk vor dem Pariser Triumphbogen. Gerade einmal drei Jahre nach der Verbannung von Dreyfus auf die Teufelsinsel sind vergangen, als die sich als antisemitisch entpuppende Affäre zur erfolgreichen Bühnengeschichte wird. Sie stößt nicht nur in Frankreich, sondern auch im Ausland, in Deutschland und den USA auf großes Interesse. Am Dienstag wurde die übersichtliche Dreyfus-Ausstellung des Moses Mendelssohn Zentrums im Haus der Brandenburgisch Preußischen Geschichte eröffnet. Sie zeigt bis zum 19. August Exponate – Zeitungsausschnitte, Fotografien, Bilder, Plakate, Bücher – einer Sammlung der amerikanischen Erziehungswissenschaftlerin Lorraine Beitler, die mit Texten erläutert werden. Nach Potsdam wandert die Schau nach Berlin und Dresden. Jedes Objekt sei symbolisch und liefere Impulse für Diskussionen und Einsichten, sagt Beitler in ihrem Grußwort, das sie an ein zahlreich erschienenes Publikum im Hof des MMZ richtet. Die Affäre veranschauliche einmal mehr, dass der Fortschritt der Menschheit vom Urteil und den Taten moralisch denkender Individuen abhänge. Das sieht auch Gastredner und Schirmherr der Potsdamer Schau Innenminister Jörg Schönbohm so. Er lobt den französischen Romancier Emile Zola, der sich 1898 mit einem öffentlichen Brief „J“accuse“ (Ich klage an) zur Verteidigung von Dreyfus an den Präsidenten der Dritten Französischen Republik wendet. Die Schau erinnere an die Bedeutung der Medien und an die Bedeutung von Kameradschaft. In unserem Rechtsstaat sei eine solche Affäre nicht mehr möglich. Zolas Brief ist im hinteren Teil der Präsentation zu finden. Neben einer Kopie des Zeitungsseiten großen Originalartikels hängt die deutsche Übersetzung. Doch bevor der Besucher dort ankommt, liest und schaut er sich chronologisch vom „Turbulenten Frankreich des 19. Jahrhunderts“ über den „Spionageverdacht“ und die „Macht der Medien“ bis zu „Internationalen Reaktionen“ und dem „Triumph der Wahrheit“ durch die Ausstellung. In Frankreich ist Dreyfus bis heute nicht vergessen. 1998 hat das französische Verteidigungsministerium zu Ehren des Hauptmanns an dem Ort, an dem er degradiert und zwölf Jahre später zum Ritter der Ehrenregion ernannt wurde, eine Marmortafel aufgestellt. Die Schau dokumentiert das mit einem Foto der Tafel. Eine Spur hat Dreyfus auch im 15. Bezirk in Paris hinterlassen. An der Ecke Emile-Zola-Straße wurde vor fünf Jahren ein Platz nach ihm benannt. Marion Hartig
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