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Vielstimmiger Schönklang. Dafür stehen die Chöre in Potsdam, wie hier im Rahmen der „Vocalise“. Für Misstöne sorgen derzeit jedoch Fragen um die Fördergelder.

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Kultur: Es geht ums Geld

Die Potsdamer Chorförderung entwickelt sich zu einer Kontroverse zwischen Stadt und dem Forum Chorsinfonik

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In manchen Gegenden Deutschlands bröckelt die Chortradition, in Potsdam nicht. Zahlreiche große und kleine Chorvereinigungen treffen sich hier wöchentlich, um für Konzerte zu proben, oder um einfach Freude am Singen zu haben. Seit 200 Jahren ist städtisches Singen in Potsdam präsent. Im Jahre 1814 wurde der „Gesangverein für Klassische Musik“ gegründet, dann gab es den Bach-Verein, dann den Städtischen Chor, den Madrigalkreis, aus dem schließlich die Singakademie Potsdam hervorging Der Potsdamer Männerchor kann ebenfalls auf mehr als 150 Jahre zurückblicken. In den Gotteshäusern der Stadt findet man selbstverständlich ebenfalls chorische Traditionen.

Doch nun herrscht Unmut bei den großen Potsdamer Chören. Denn ohne vorherige Rücksprache hatte der Fachbereich Kultur der Stadtverwaltung Ende September Pläne zur Reformierung des Forums Chorsinfonik vorgelegt, welches über die Verteilung der städtischen Gelder an die jeweiligen Chöre entscheidet. Die Vertreter der Chöre reagierten mit Unverständnis: Harald Geywitz, Vertreter für den St. Nikolai-Chor, kritisierte nicht nur die fehlende Kommunikation, sondern auch inhaltliche Vorschläge.

Mittlerweile haben sich die Wogen etwas geglättet. Es hat ein Gespräch zwischen Kulturamt und mehreren Vertretern des Forums gegeben, bestätigten Geywitz und Ud Joffe, Leiter der Potsdamer Kantorei und des Neuen Kammerchors. Ergebnisse gebe es noch nicht, so Geywitz, aber man befinde sich auf einem guten Weg: „Es gibt Gesprächsbedarf, aber am wichtigsten ist, dass jetzt ein transparenter Dialog weitergeführt wird.“ Dafür besteht am heutigen Donnerstag die Möglichkeit, wo im Kulturausschuss das Thema auf der Tagesordnung steht.

Vor etwa einem Jahr hatte es Diskussionen um die Verteilungs-Praxis des Forums Chorsinfonik gegeben: Zum einen wurden Vorwürfe laut, die großen etablierten Chöre würden sehr viel stärker gefördert, als kleinere Ensembles, zum anderen wurde kritisiert, dass die Chöre über ihre Förderung quasi selbst entscheiden würden. Das Forum Chorsinfonik besteht aus je einem Vertreter der sechs Potsdamer Chöre, die große sinfonische Werke mit Orchesterbegleitung aufführen können sowie je einem Vertreter aus Kulturausschuss und Landesmusikrat. Sowohl vonseiten des Kulturamts als auch innerhalb des Forums gab es Forderungen nach einer Reform des Gremiums, etwa in Form einer unabhängigen Jury, die über die Förderungen mitentscheidet.

Wie diese Jury besetzt sein soll und wie viel Einfluss sie auf die Verteilung der Gelder haben soll, ist noch unklar. Geywitz ist grundsätzlich nicht gegen eine solche Jury: „Es gab nur einfach keinen Dialog darüber mit uns.“ Auch er sehe durchaus Bedarf für kleine Änderungen im Forum, etwa dass die drei großen Chöre – Singakademie, Oratorienchor und Potsdamer Kantorei – zwei große Aufführungen pro Jahr gefördert bekommen, während die drei kleineren – St. Nikolai-Chor, Potsdamer Männerchor und der Neue Kammerchor – in der Regel nur Förderung für eine Aufführung erhalten.

Früher war die Brandenburgische Philharmonie Potsdam, das Nachfolgeorchester des Hans Otto Theaters, stets eine treue und in finanziellen Fragen kulante Partnerin des Oratorienchores, der Singakademie sowie des Männerchores, besonders was Chorsinfonik betraf. Im Jahre 2000 wurde Potsdams Klangkörper jedoch von der Stadtpolitik abgewickelt. Um zukünftige Finanznöte der Chöre aufzufangen, stellte das Land Brandenburg Mittel aus dem Finanzausgleichsgesetz bereit. Mit diesem Geld und mit der Förderung durch die Stadt, die den deutlich höheren Betrag beisteuert, können Orchester für chorsinfonische Konzerte eingekauft werden. Das Kulturamt ist auf eine fachliche Beratung bei der Verteilung der Finanzen angewiesen. So wurde 2002 das Forum Chorsinfonik gegründet, dem die künstlerischen Leiter der Singakademie des Oratorienchores, der Potsdamer Kantorei und des Männerchores sowie drei unabhängige Fachleute angehören. Ein Jahr später gesellten sich die Vertreter des Nikolaichores und des Neuen Kammerchores hinzu.

Anfangs wurde festgelegt, dass vorrangig mit dem Brandenburgischen Staatsorchester Frankfurt (Oder) eine Zusammenarbeit angestrebt werden soll. Man war sich einig, falls das Staatsorchester aus terminlichen Gründen verhindert sei, könne man auf andere Klangkörper Brandenburgs zugehen. Auch mit der Kammerakademie Potsdam war eine Kooperation erwünscht. Die Potsdamer Kantorei bestreitet ihre Konzerte aber fast nur mit dem im Jahre 2000 gegründeten Neuen Kammerorchester Potsdam, das sich mit der Kantorei und dem Neuen Kammerchor im Trägerverein „Musik an der Erlöserkirche“ zu einer gemeinsamen Basis fand. Der Nikolaichor greift auf freie Musikerinitiativen aus Berlin-Brandenburg zurück. Das Filmorchester Babelsberg, die Brandenburger Symphoniker und sogar das Preußische Kammerorchester Prenzlau gehören zu den Klangkörpern, die hin und wieder mit den Potsdamer Chören zusammen musizieren. Das Staatsorchester Frankfurt, das eigentlich in der Mehrzahl die chorsinfonischen Konzerte bestreiten sollte, erlebt man jedoch selten.

Für das Jahr 2013 standen dem Forum Chorsinfonik insgesamt 211000 Euro, laut Auskunft des Kulturamtes, zur Verfügung. Die Singakademie erhielt beispielsweise 12 500 Euro Chorförderung und 20 000 Euro ganzjährig für Personalkosten, Musik an St. Nikolai bekamen 17 500 Euro, der Männerchor musste sich mit 8000 Euro zufriedengeben, der Oratorienchor mit 12 500 Euro. Der Verein „Musik an der Erlöserkirche“ mit dem Festival „Vocalise“ hatte den größten Anteil der Förderung von 130 500 Euro. Dabei ist auch eine ganzjährige Förderung von 31 000 Euro an Personalkosten inbegriffen. In diesem Jahr konnten die Chöre auf 231000 Euro zurückgreifen. Dabei war „Musik an der Erlöserkirche“ mit 119 000 Euro wiederum „Förderungs-Sieger“. Darin sind aber auch die chorsinfonischen „Vocalise“-Konzerte mit dem Oratorienchor und der Singakademie enthalten. Musik an St. Nikolai und die Neue Bachgesellschaft Brandenburg, in deren Händen die Carl-Philipp-Emanuel-Bach-Ehrung oblag, bekamen 31000 Euro, der Oratorienchor 25000 Euro für zwei Konzerte. Es gibt immer wieder Überlegungen, dem Verein „Musik an der Erlöserkirche“ eine institutionelle Förderung zukommen zu lassen. Die Zusammenfassung der Förderbeträge für „Musik an der Erlöserkirche“ stößt bei den meisten Forum-Mitgliedern aber auf Ablehnung.

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