Kultur: Euphorisch gefeierte „Insel-Springer“
Nach Gastspielreihe in Sydneys Oper tourt fabrik durch England
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Nach Gastspielreihe in Sydneys Oper tourt fabrik durch England Hinter ihnen liegen 20 Aufführungen in der Oper von Sydney und sechs weitere in Adelaide, an der Westküste Australiens. Doch ihre Reisetasche stellten die Tänzer nach dieser Mammuttour noch immer nicht beiseite: Am vergangenen Wochenende gastierten Wolfgang Hoffmann und Sven Till von der fabrik Company Potsdam in Braunschweig, und ab morgen touren sie für fünf Wochen quer durch England. Ihr schwarze Kasten von „Pandora ''88" hat es offensichtlich in sich. Die Begeisterung kommt nicht von ungefähr: Schließlich heimsten die Tänzer auf dem bedeutendsten internationalen Tanzfestival in Edinburgh 2003 gleich drei Preise ein und setzten sich damit an die Spitze der deutschen „Mitbewerber". In Australien wurde die fabrik sogar als „Deutschlands führendes Körpertheater" gehandelt. Die Strapazen nach diesen Aufführungsserien sind den Potsdamer Tänzern indes kaum anzumerken. „Natürlich war es anstrengend und eine Höchstleistung, jeden Tag aufzutreten. Aber man hat sich total gut um uns gekümmert, und das macht vieles möglich. Nur wenn an einem Tag gleich zwei Aufführungen auf dem Plan standen, war es zu hart und schlauchte mächtig," resümiert Wolfgang Hoffmann. Die Kritik in Sydney sei insgesamt sehr euphorisch gewesen, ihm aber zu pauschal. „Man lechzt als Künstler ja immer nach detailliertem Feedback, um neue Stimulanz zu bekommen. Auch mit dem Publikum gab es in dem riesigen Opernhaus kaum direkte Begegnungen. Man trifft bei der Masse der Zuschauer, die zeitgleich verschiedene Aufführungen in unterschiedlichen Sälen besuchen, nicht unbedingt im Nachhinein sein Publikum." In Adelaide sei das schon anders gewesen: Dort waren die Potsdamer Gäste eines Festivals und damit unter Insidern. „Da entspinnen sich Gespräche natürlich viel eher.“ Abgenutzt habe sich Pandora ''88 trotz der großen Vorstellungszahl für das Tanz-Duo nicht. „Es macht großen Spaß, es weiter zu entwickeln. Mal ist die Show perfekt, ein anderes Mal rutschen Dinge wieder weg. Man findet immer etwas Neues, und dadurch bleibt es spannend. In Braunschweig waren wir zum Beispiel am Publikum so dicht dran, dass es uns unsicher machte. Wir fühlten uns nackt und hatten den Eindruck, jede Pore ist zu sehen. Die Box ist ohnehin wie ein Vergrößerungsglas, jede Bewegung, jeder Atemzug wird sichtbar": Bei Pandora ''88 wird eine „Box" zum Spielfeld. Sie ist für die zwei Tänzer Heimat, Gefängnis, Zuflucht und auch Raum der Erinnerung. Warum sie mit dieser Inszenierung Publikum wie Kritiker so für sich vereinnahmen konnten, läge vielleicht an der emotionalen Authentizität, glaubt Wolfgang Hoffmann. „Anfangs nehmen wir das Publikum auf eine sehr leichte, fast comedyhafte Art ins Geschehen mit hinein. Wenn dann dieser kindliche Humor ins Ernste kippt, sind viele Zuschauer sehr berührt." Wolfgang Hoffmann beobachtete in den vergangenen Jahren die Tendenz, dass sich der zeitgenössische Tanz insgesamt sehr vom Publikum entfernt und elitär entwickelt habe. „Unser Interesse ist es hingegen, mehr die normalen Leute anzusprechen, und kein intellektuell, kopflastiges Theater zu zelebrieren." In Potsdam ist „Pandora ''88“ erst im Sommer wieder zu sehen. Um künftig zwischen den Tourneen und der heimischen Präsenz eine bessere Balance zu finden, ist die fabrik derzeit dabei, ihre Company aufzustocken. Ausgereifte Stücke können dann an eine Zweitbesetzung übergeben werden, so dass zeitgleich Aufführungen in und außerhalb Potsdams möglich sind. Im September gibt es mit „Schreiende Päpste" die nächste fabrik eigene Premiere: diesmal in Zusammenarbeit mit einer kanadischen Gruppe. Heidi Jäger
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