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Kultur: Europas Geister drei Meter hoch Fantasievolles Sommerprojekt der Kunstschule Potsdam auf der Freundschaftsinsel

Von Heidi Jäger Auf der Freundschaftsinsel zeigen sich die Geister schon am Tage. Wer ihnen auf die Spur kommen will, muss sich allerdings Zeit zum Entdecken nehmen.

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Von Heidi Jäger Auf der Freundschaftsinsel zeigen sich die Geister schon am Tage. Wer ihnen auf die Spur kommen will, muss sich allerdings Zeit zum Entdecken nehmen. Gut versteckt unter ausladenden Bäumen oder im Farbendickicht der Pflanzen haben die durchscheinenden Wesen ihr Plätzchen eingenommen. Viel präsenter als die waldschönste Pimpinella, die Wettergeister oder die Blitzhexe sind Europas große Geister, wie Napoleon, Kafka oder Chopin. Bis zu drei Meter ragen sie selbstbewusst vor der dicken Kastanie und der Haselnuss auf. Gestaltet wurden die rund 20 Objekte, die die große Wiese an den Torhäusern für sich vereinnahmen, von Jugendlichen der Kunstschule Potsdam sowie aus Polen und Dänemark. Eine Woche verbrachten sie ihre Sommerferien gemeinsam in Siethen und näherten sich dem vom Kulturland Brandenburg verfolgten „Geist Europas". Bei ihnen wurden daraus „Europas Geist(er)". Schon vor der Reise ging es an die konzeptionelle Vorbereitung. Europäer aus unterschiedlichen Zeitepochen, aus Wissenschaft, Politik und Kultur sollten auf Sagengestalten aller Coleur treffen. „Wir suchten Fotos von rund 150 Persönlichkeiten heraus, aus denen die Jugendlichen ihren Favoriten zur freien, abstrakten Gestaltung auswählen sollten. Als Material standen ihnen Weidenzweige, Sand, Latex und Farbe zur Verfügung", erzählt die Leiterin der Kunstschule, Thea Moritz, die gemeinsam mit Lehrern ihrer Einrichtung den Workshop begleitete. „Wir fuhren schon das zweite Mal dorthin, diesmal aber viel entspannter." Zu Gast waren sie im Jugendheim Siethen, wo benachteiligteMädchen und Jungen leben und ausgebildet werden. „Im Vorfeld unkten einige, die saufen, kiffen und klauen doch nur und machen euch alles kaputt. Doch es lief sehr harmonisch, ja einige werkelten sogar mit. Und wir wurden auch sehr gut von ihnen bekocht." Das länderübergreifende Miteinander war bereits nach dem ersten Grillabend geebnet. „Jedenfalls wollen alle das nächste Jahr wieder dabei sein", freut sich Thea Moritz über die Resonanz auf dieses erste international arbeitende Projekt der Kunstschule. Es ist erstaunlich, was die rund 30 Teilnehmer in den wenigen Tagen zustande brachten, „und das bei einem Material, mit dem alle zu kämpfen hatten. Gerade das Mischen von Sand und Latex ist sehr tückisch. Aber es ist ja auch gut, zu merken, dass künstlerisches Arbeiten durchaus anstrengend und schmutzig sein kann." Animiert wurden die Jugendlichen, das Wesentliche einer Persönlichkeit zu erfassen und es in eine abstrakte Form zu bringen. Ist es bei Chopin die markante Nase und bei Dante das dominante Kinn, interessierte bei Napoleon mehr der Lorbeerkranz. Korinna Wilsky und Theresa Kosminski wollten hingegen nicht nur an einem Charakter-Kopf arbeiten. Sie schälten heraus, was Kafka für sie ausmacht: das „Sehen und Hören". Dafür wählten sie eine sehr klare und dennoch spannungsgeladene Form, die sich jetzt im Wiesenrund von allen Seiten bestens behauptet. Auch Picasso würde sich sicher über sein „Konterfei" freuen, erteilt es doch jedem Naturalismus eine barsche Abfuhr. In einen Kasten setzten die polnischen Mädchen räumlich versetzt die Augen und Nase des Malers . Sie bewiesen auch Mut zur Farbe, durchbrachen die ansonsten starre Schwarz-Weiß-Ausrichtung der Figuren. Zu dem Geist(er)-Reigen, der sich noch bis 21. Oktober auf dem blühenden Eiland die Hand reicht, gehören auch die Kallas, Hans Christian Andersen oder die Queen Elisabeth mit ihrem grellroten „Great Heart“ und einem starken Rückgrat. Einen ganz eigenen Wunsch brachten die Herren der Schöpfung mit ein: Für sie war es Beate Uhse, die Europas Geist(er) mit ausmacht und natürlich durften bei ihrem Modellieren die Brüste - nunmehr aus Karnickeldraht - nicht fehlen. Nicht alle Gestaltungsideen werden sich dem Besucher erschließen, Spaß am Entdecken wird er aber dennoch haben. Sich den großen Geistern zu nähern, muss nicht immer mit Anstrengung verbunden sein. Auf Potsdams Freundschaftsinsel geschieht dies mit einem Augenzwinkern und auf prachtvoller „Bühne“.

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