
© Manfred Thomas
Von Heidi Jäger: Fingerübung von Format
Vom Filmplakat zur Fernsehgrafik: Das Filmmuseum zeigt in einer Ausstellung vergessene Kunst
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Jeder hat sie hundertfach gesehen, doch keiner kann sich an sie erinnern. Bevor im Fernsehen der DDR ein Film, ein „Kessel Buntes“ oder die „Eisshow mit Kati“ ausgestrahlt wurde, hielt man für etwa 20 Sekunden eine bemalte Pappe vor die Kamera, die den Zuschauer wie ein Werbespot auf das kommende Ereignis einstimmen sollte. Danach verschwanden die Sendeepiskopien, wie diese Standbilder in der Fachsprache heißen, in der Versenkung. Keiner hätte sich wohl mehr ihrer Existenz erinnert, wären sich nicht eines Tages die Potsdamer Künstler Wolf-Dieter Pfennig und Patricia Vester in einem Café begegnet. Pfennig, inzwischen Kunstprofessor an der Hochschule Wismar, hatte Hunderte dieser Werbe-Pappen fürs Fernsehen bemalt, gut bezahlte „Fingerübungen“, manchmal während der Bahnfahrt von Potsdam nach Berlin entstanden. „Das Spontane ist den Bildern anzusehen, als gerahmte Bilder waren sie nie gedacht“, erinnert sich Pfennig.
Und doch sind sie durchaus heute noch ein Hingucker und auch in ihrer künstlerischen Qualität zum Teil beachtenswert, wie allein Pfennigs „Aufenthalt vor Veracruz“ zeigt. Ab morgen kann sich jeder selbst ein Bild davon machen und seine Erinnerung überprüfen. Patricia Vester hat an der Seite von Ines Belger eine Foyerausstellung für das Filmmuseum mit den vergessenen, handgemachten „Werbespots“ kuratiert und eine Auswahl der Bilder, die stets auf Pappe im Format von 30 mal 40 Zentimetern angefertigt und mit 250 bis 300 DDR-Mark honoriert wurden, zusammengestellt.
Von den rund 3500 „Epis“, die heute im Rundfunk-Archiv Berlin-Brandenburg lagern, sichteten die beiden Frauen etwa die Hälfte. 54 wählten sie für die Schau aus: die unterschiedlichsten Techniken, von der Bleistiftzeichnung bis zur Collage, widerspiegelnd. Weitere zehn Arbeiten kamen direkt von den Grafikern Dominique Andrè Kahane und Wolf-Dieter Pfennig als Leihgabe dazu. Zeitgleich zur Ausstellung verkauft Pfennig seine „Fingerübungen“ im „Haus zum Güldenen Arm“ in der Hermann-Elflein-Straße.
Bis heute ist unklar, wie viele dieser Grafiken, die zum Teil auf dem Müll landeten, es wirklich gab und Sendungen quer Beet, einschließlich der Sendepausen, bebilderten. Die einstige Atelierleiterin des DDR-Fernsehens, Dorothea Krawutschke, hatte ein ganzes Heer von Künstlern, darunter so namhafte Grafiker wie Volker Pfüller, Werner Klemke und Manfred Bofinger, um sich geschart. Offensichtlich betrachteten einige ihre schnell erledigten Auftragsarbeiten selbst als Wegwerfware, da sie sie nicht einmal signierten.
Vorläufer dieser Episkopien sind die Filmplakate. Daraus entstand auch die Ausstellungsidee, beide gegenüberzustellen. Bei neun Filmen gibt es so eine direkte Vergleichsmöglichkeit, wie beim „Kalten Herz“, „Der kleine Muck“, „Sonnensucher“ oder „Der Dritte“. Zumeist hatten die Künstler des Massendrucks Filmplakat und die des einmaligen Fernseh-„Plakats“ einen völlig anderen Ansatz. Die „Papp-Maler“ bekamen von Adlershof für ihre Arbeit eine Inhaltsangabe, eine Bewertung des Films und gegebenenfalls Fotos in die Hand gedrückt. Ein paar Tage später war Abgabe. Zeit zum Grübeln blieb nicht.
Patricia Vester schrieb nach ihrem Gespräch mit Wolf-Dieter Pfennig vor etwa drei Jahren für die DEFA-Stiftung einen Abriss zum Thema „Lebendiger Strich. Vom Filmplakat zur Fernsehgrafik“. „Schon damals hatte ich die Idee, eine Ausstellung mit diesen Originalgrafiken folgen zu lassen.“ Es gibt keinerlei Mitschnitte, um dem Gedächtnis bildkräftig auf die Sprünge zu helfen, wie diese Werbe-Standbilder im Fernsehen einst ausgesehen haben. Dass sie wirklich auf Sender gingen – auch wenn ihnen immer nur wenige Sekunden vergönnt waren – ist in den Sendeplänen des Fernsehens akribisch festgehalten und wenigstens für die 70er und 80er Jahre belegt. „Es ist aber anzunehmen, dass das DDR-Fernsehen schon in den 50er Jahren, als es noch in den Kinderschuhen steckte, Sendungen oder Pausen mit handgezeichneten Werbegrafiken ankündigte“, betont Patricia Vester.
Heute gibt es diese Standbilder, die analogen Vorläufer der Computer-Fernsehgrafik, nur noch bei Arte. Und als Auffrischung des eigenen Gedächtnisses bis 7. März im Filmmuseum.
Eröffnung morgen um 18 Uhr im Filmmuseum. Um 19. 30 Uhr läuft „Die Feuerzangenbowle“, ergänzt durch eine Episkopie in der Vitrine der Foyer-Ausstellung.
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