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Galerie am Jägertor: Fliegen mit den Musen

Jörg Menge zeigt ab Freitag neue Bilder in der Galerie am Jägertor

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Die Muse, sie ist überall. Sie räkelt sich auf dem Rücken liegend, sie döst, sie steht, die Arme verschränkt hinter dem Kopf, der Blick nach unten gerichtet. In all ihrer Sinnlichkeit und Fleischlichkeit, Muskelstränge, Haut und Haar. Der Maler hat mit dicken, weichen Pinselstrichen, mit Weiß, Schwarz und Rosa, Formen und Schattierungen herausgearbeitet, die Muse liebevoll werden lassen, eingehüllt in einen Farbkanon. Jörg Menge ist meisterhaft in seiner Art, Figürlichkeit zu zeigen. So sehr, dass man zugreifen möchte. Dass es nie langweilig wird und man nicht aufhören will, die Gestalt zu betrachten. Sie könnte schließlich in dem Augenblick, da man sich vom Bild abwendet, lebendig werden, sich bewegen, bequemer lagern, die Haare neu ordnen, den Kopf drehen.

Die Bilder des Malers aus Falkensee sind ab morgigem Freitag in der Galerie am Jägertor zu sehen. Nicht zum ersten Mal, Galeristin Kornelia Tappert hat Menge bereits einmal Platz in ihrem kleinen Domizil eingerichtet, nachdem sie ihn auf der Künstlermesse Art Brandenburg kennen gelernt hatte. „Er ist jemand, der auch Hände malen kann“, sagt sie begeistert. Hände, diese Anhängsel, sind wichtig für Menge. Sie sind die letzte Chance, so scheint es, den gewünschten Ausdruck im Bild umzusetzen. Die Hände, sie kommen dem Betrachter am nächsten, deuten, zeigen, greifen, halten fest, halten inne. Menge malt die Gliedmaßen in Proportionen, wie sie zum Standort, zur Perspektive des Besuchers passen.

„Das können nicht mehr alle. Man sieht, dass er Kunst studiert hat“, sagt Kornelia Tappert. Jörg Menge, geboren 1960 in Leipzig, studiert in den 80er Jahren an der Kunsthochschule Berlin Weißensee Malerei und Grafik. Er arbeitet in Berlin, auf dem Darß und in Falkensee, unterrichtet und stellt aus, zeigt seine Werke im In- und Ausland, auch in Paris und Moskau, Wien, Dakar, Trelleborg und Budapest. Neben Malerei und Grafik produziert Menge auch baugebundene Kunst, Mosaiken, Wandmalerei und Glasmalerei in privaten und öffentlichen Räumen.

In Potsdam zeigt er neue Bilder, Großes und Kleines, aber immer mit dieser Lust gemalt, die alles griffig und lebendig werden lässt. So dass am Ende eine Geschichte erzählt werden will. „Flugtag“ heißt ein Bild (Foto), das vier Männer zeigt, die im haltlosen Raum hängen, schweben, sich begegnen. Als habe der Maler durch ein Objektiv geschaut und mal kurz drauf gedrückt, so wirkt die Zufallsinszenierung – auch weil die Figuren das Format des Bildes irgendwie ohne System, seltsam verschoben, in eine Ecke gequetscht, belegen. Den vorgegebenen Rahmen nicht ausfüllen. Der verbleibende leere Raum, himmelblau getuscht wie für eine Farbübung, irritiert. Welche Verschwendung!

Natürlich kommt man dabei ins Grübeln. Niemand fliegt einfach so durch die Luft, warum also wirbeln hier gestandene Kerle durch das Himmelblau? Befreit lachend oder völlig versonnen? Sind sie verrückt? Warum sind sie nackt, warum einer im Anzug, einer halb entkleidet? Macht sich der Maler einen Spaß daraus, uns, den Betrachter, ins Ungewisse zu schicken? Spielt er mit uns?

Das Motiv des Mannes im Anzug rechts oben wiederholt sich. Im Tetraptychon „Die drei Grazien“ schaut er von rechts oben dem Treiben zu, stützt dabei sein Kinn sinnlich-grübelnd in die Hand. Menge ist wieder hintersinnig, malt mehr als drei Frauen ins Bild, dazu Knaben und alte Männer, die sich um die nackten, schlafenden oder toten Grazien kümmern. Die jüngste, die frischeste, ist noch knapp bekleidet; das Alter – Mann oder Frau – in die Ecke gedrängt zum Harlekin. Ein Bilderrätsel in vier Akten, in welches der Maler auch sich selbst eingebaut hat. Einer der Männer im Bild, sagt Kornelia Tappert, sei Menge selbst.

Auch Menges kleine Bleistiftzeichnungen faszinieren. Er macht Anleihen bei Jugendstil und Expressionismus, stets wirken die Bilder wie Übungen zu Körper und Raum. Doch wenn Menge Menschen malt, dann ist er am besten. Dann wird er zum Erzähler. Die Stillleben können da nicht mithalten. Auch wenn seine kleinen Studien, verschrumpelte Äpfel, trockene Blüten, Reife und Vergängnis gut einfangen. Aber sie bleiben eben still.

Zur Vernissage soll es alles andere als still sein. Jörg Menge, der auch Musiker ist, will sein Saxophon mitbringen. Außerdem wird ein Film gezeigt, der in den vergangenen Monaten in Menges Ateliers entstand und zeigt, wie er arbeitet.

Vernissage in der Galerie am Jägertor, Lindenstraße 64,am morgigen Freitag, 26. Juni, um 19 Uhr. Die Ausstellung ist voraussichtlich bis Mitte August zu sehen.

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