Kultur: Für drei Fotografinnen wurde Potsdam zum „Auslöser“
In der großen Fotografieausstellung des Potsdam-Museums sind Bilder von Ina Muster, Heide Marie Hagen und Monika Schulz-Fieguth zu sehen
Stand:
Kein runder Ehrentag. Doch ein 96. Geburtstag ist allemal ein denkwürdiger. Ina Muster kann auf ein erfülltes Leben zurückblicken. Die Fotografin, die gestern ihren Geburtstag nebenan von Potsdam, in Kohlhasenbrück feierte, gehört zu den renommiertesten Potsdamer Fotografinnen des 20. Jahrhunderts. Für ihr bildnerisches Werk war Potsdam immer ein wichtiger „Auslöser“. In der aktuellen Ausstellung des Potsdam-Museums, „Auslöser Potsdam“, die über 150 Jahre Fotogeschichte im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte beleuchtet, sind natürlich auch Arbeiten von Ina Muster zu sehen . Sie entstanden zwischen 1936 bis 1940.
Die Künstlerin ist in eine bekannte Potsdamer Fotografen-Familie hineingeboren. Ihr Vater war der Fotografenmeister Carl Schatzmann. Sein Haus und Atelier befand sich in der historischen Stadtmitte, am Alten Markt 3. Beim britischen Luftangriff in der Nacht vom 13. zum 14. April 1945 wurde das Haus zerstört. Und damit das umfangreiche Fotoarchiv der Schatzmanns. Auch die wertvolle Sammlung der einstigen Hoffotografen von Hermann und Paul Selle, die sich bei Carl Schatzmann befand, ging in Flammen auf. Tochter Ina wollte in die Fußstapfen des Vaters treten. Sie belegte Fotografie-Kurse im Lette-Verein Berlin. Schließlich legte sie die Meisterprüfung ab. Das Thema hieß: Der Stadtkanal und die Kapitelle am Alten Markt.
Die Vielfalt der architektonischen Zeugnisse Potsdams hat die Fotografin liebevoll ins Bild gesetzt, so auch einzelne Kapitelle, Säulen oder Säulengänge, die es rund um den Alten Markt und das Stadtschloss gab. Als 1937 Italiens Diktator Mussolini Potsdam besuchte, wurden die wichtigsten Bauten der Stadt angestrahlt. Diese künstliche Beleuchtung nutzte Ina Muster für ihre fotografischen Arbeiten. Plätze, Gebäude und Details konnte sie somit stimmungsvoll in Szene setzen. Doch auch die Stille und das quirlige Treiben des Fischmarktes am Stadtkanal waren vor ihrer Kamera nicht sicher – immer die Atmosphäre des Ortes genau erfassend.
Die Künstlerin hat sich immer wieder der Porträtfotografie zugewandt, die zwar konventionell wirkt, dennoch aber wegen ihrer Wohlüberlegtheit von den Porträtierten sehr geschätzt wurde, auch von den russischen Offizieren, die sie nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges als Auftragsarbeiten aus rein praktischen Überlebensgründen aufs Bild bannte. Bis 1976 ist Ina Muster ihrem fotografischen Gewerbe nachgegangen. Dann hat sie es aufgegeben. Nur noch hin und wieder war sie fortan mit dem Fotoapparat unterwegs.
Im November feierten zwei weitere wichtige Fotografinnen, die in Potsdam ihre Lebensmitte hatten und haben, ihren Geburtstag: Heide Marie Hagen und Monika Schulz-Fieguth. Auch diese beiden Künstlerinnen schrieben Potsdamer Fotogeschichte. Und eine von ihnen, Monika Schulz-Fieguth, fügt ihr weiterhin viele Seiten hinzu. Beide sind auch mit Arbeiten in „Auslöser Potsdam“ vertreten.
Heide Marie Hagen, die in Linthe bei Belzig geboren wurde, eine Ausbildung als Fotografin an der Zentralen Berufsschule in Caputh sowie ein Studium an der Hochschule für Grafik und Buchkunst absolvierte, war von 1968 bis 1972 die erste festangestellte Fotografin am Potsdam-Museum. Hier war sie mit ihrem Fotoapparat vor allem reproduzierend tätig. Wenn die Zeit es aber erlaubte, streifte sie durch mit der Kamera durch die Stadt. Und sie wurde der Fokus für ihre Bilder. Heide Marie Hagen hat Anfang der siebziger Jahre das Areal hinter dem Alten Rathaus (Potsdam-Süd), indem ein Abriss und Umbau von Gebäuden stattfand, festgehalten. So sieht man Türen von historischen Häusern, die für die DDR-Oberen als „Altlasten“ galten, und gesprengt wurden, als Splitterschutz vor Neubauten. Die Wiedergaben haben etwas Kühl-Grafisches an sich, sind nicht geschönt. Und daher sehr wahrhaftig. Heide Marie Hagen, die heute in Hamburg lebt, versuchte 1978 illegal in einem Pkw aus der DDR zu fliehen, wurde aber entdeckt und musste eine Haftstrafe verbüßen. 1980 konnte sie nach Westdeutschland übersiedeln.
Die gebürtige Potsdamerin Monika Schulz-Fieguth hat in den Jahren 1978 bis 1988 eine Porträtserie von dem international bedeutenden Physiker Prof. Jürgen Treder angefertigt. Die eindrucksvollen Fotos, die man in der Ausstellung im Kutschstall von dem Wissenschaftler sieht, sind nun zu Gedenkblättern geworden. Jürgen Treder ist überraschend am 17. November im Alter von 78 Jahren gestorben. Die Fotografin hat sich mit ihrer unverwechselbaren Bildsprache den verschiedensten Facetten des liebenswürdigen Physikers, der vielleicht dem alltäglichen Leben etwas entrückt war, genähert. Immer wurde die Würde dieses bedeutenden Menschen gewahrt. Monika Schulz-Fieguths Porträtfotos von Petra aus dem Jahre 1985 und von ihren Töchtern, die sie im vergangenen Jahr aufnahm, zeigen ebenfalls, wie sensibel die Künstlerin mit ihren „Modellen“ umgeht. Sie scheint nicht den flüchtigen Augenblick erfassen zu wollen, sondern die wohlüberlegte, ausgetüftelte Fotografie, bei der eine feine Ästhetik nicht zu kurz kommt.
Bis 11. Februar, Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: