Kultur: Gambe trifft Santur
Celeste Sirene stellt Lieder für neue CD vor
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Augen zu und los! Uns hat das Reisefieber gepackt. Anfangs leicht, dann immer heftiger. Die Santur lockt nach Persien, Gambe und Laute an den französischen Hof, dann singt Italien. Das Ensemble Celeste Sirene hat uns ungefragt in musikalische Siebenmeilenstiefeln gesteckt und wir lassen uns treiben. Anfangs noch etwas verhalten, dann immer freier. Bessere Reiseführer als diese Musiker lassen sich kaum finden. Also Augen zu und weiter!
„Rose und Nachtigall“ ist das Programm überschrieben, mit dem Celeste Sirene am Mittwoch in den Kammermusiksaal Havelschlösschen geladen hat. Das 1997 vom Lautenisten Daniel Kurz und Sänger Niels Badenhop gegründete Ensemble – 2001 kamen die Gambenspieler Christiane Gerhardt und Tilman Muthesius hinzu – hat mit Rusbe Torkashvand und Manouchehr Fouladvand zwei Berliner Santurspieler mit persischen Wurzeln eingeladen. Die Siebente im Bund ist die Perkussionistin Nora Thiele. Sie sind für eine Generalprobe nach Klein Glienicke gekommen, um die Stücke für eine neue CD vorzustellen. Ende März sollen die Aufnahmen stattfinden.
„Orient küsst Okzident“ lautet der vorläufige Arbeitstitel. Europäischer Barock trifft hier auf traditionell persische Musik. Musik aus zwei Epochen zweier so unterschiedlicher Kulturen, für die zum damaligen Zeitpunkt ein solcher Austausch undenkbar war. Denn Orient und Okzident standen sich als Erbfeinde gegenüber. Doch Musik als Ausdruck von Gefühlen ist eine Sprache, die keine Grenzen, keine sonstigen Barrieren kennt. Und wer sich ihr vorurteilsfrei hingibt, kann die aufregendsten Reisen erleben.
Für ihre Reise hat das Ensemble Celeste Sirene mit Marin Marais, Hieronymus Kapsberger, Antoine Forqueray und Giovanni Felice Sancez prominente Komponisten als Begleiter gewählt. Die strengen musikalische Formen des europäischen Barock werden aufgelockert durch die oftmals meditativen und zum Teil improvisierten Stücke für Santur, eine Art Hackbrett, das mit leichten Holzschlegeln gespielt wird. Doch auch die Stücke selbst geben sich offen. Da spielt der Santur in Marais „Marche Persane“ und greift die Gambe das Thema eines persischen Chorus auf. Dann wirft sich Sänger Nils Badenhop in Positur und gibt Lieder wie „O Luci Belle“ oder „Amore Vincitore“ als humorvolles Minischauspiel von himmelhochjauchzend bis zu Tode betrübt. Dazwischen Manouchehr Fouladvand mit Versen des persischen Dichters Hafis.
Irgendwann an diesem Abend scheint sich der kleine Saal zu weiten bis in den Nahen Osten. Und obwohl es faszinierend ist, den Musikern beim Spiel zuzusehen – allein Nora Thiele, die mit ihren Fingern auf der persischen Trommel ein unglaublich dichtes Rhythmusgewebe schafft – schließen wir die Augen für die Bilder im Kopf. Zwei so unterschiedliche Kulturen, im Ensemble Celeste Sirene sind sie ganz nah und wie selbstverständlich beieinander. Zwischen den einzelnen Liedern wagen wir es nicht zu klatschen, weil wir befürchten, diese fein gesponnene Atmosphäre zu zerstören. Dann heißt es: Augen wieder auf! Aber nur mit Widerwillen. Dirk Becker
Dirk Becker
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