Kultur: Gefallener „Liebling der Götter“
Ausstellung über die Schauspielerin Renate Müller: Sie war ein Star, bis Goebbels sie kalt stellte
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„Man wird sich diesen Namen merken müssen: Müller!“ Mit diesem Bonmot würdigte der Kritiker Alfred Kerr die Schauspielerin Renate Müller, die ein neues Frauenbild verkörperte. „Nach dem ,Vamp“ und dem süßen Mädel, ein Mädchen, das Herz hatte, ohne herzig zu sein, gescheit war, aber nicht blaustrümpfig ... ein Mädchen, das mit beiden Beinen fest auf dieser Erde stand“, schrieb die Journalistin Gabriele Müller, die zugleich die Schwester der Schauspielerin war. Deren Stern leuchtete indes nur kurze Dauer, die Zeit riss auch den Bodenständigen die Erde unter den Füßen weg. Vor allem wenn man sich mit Leuten wie Goebbels anlegte.
Anlässlich des 100. Geburtstages erinnert das Filmmuseum ab heute in einer mit vielen Fotos gespickten Foyerausstellung vor allem an die große Zeit der gebürtigen Münchnerin. Über die mysteriösen Umstände ihres Todes 1937 ist weniger zu erfahren. „Wir wollten uns nicht an Spekulationen beteiligen. Während die Familie sagt, dass Renate Müller an einem Hirnschlag starb, hieß es in der Presse, dass sie rauschgiftsüchtig gewesen sei und sich das Leben genommen habe. Uns geht es um ihre großen Erfolge auf Bühne und Leinwand“, so Birgit Scholz, Mitarbeiterin des Filmmuseum-Archivs. „Fest steht indes, dass Goebbels Renate Müller mit Hitler verkuppeln wollte und sie ablehnte“, so Scholz. Der große Star, der an der Seite von Heinz Rühmann, Emil Jannings oder Willy Fritsch spielte, hatte ein Verhältnis mit dem Juden Georg Deutsch. Als dieser emigrieren musste, traf sich das Paar heimlich in der Schweiz und in Frankreich. Goebbels ließ sie beobachten und setzte die junge Frau unter Druck, drohte ihr an, sie aus der Reichsfilmkammer auszuschließen. Das sei auf Hitlers Intervention zwar unterblieben, aber die zunehmenden politischen Schikanen und das Kaltstellen führten zu ihrer seelischen Zerrüttung, ist in einem Lebenslauf zu lesen, den die Schwester posthum schrieb. Für die Potsdamer Filmhistoriker war es eine Überraschung, als sie Anfang des Jahres von der Berlinerin Ursula Krüger – eine Freundin der Freundin von Gabriele Müller – über 300 Fotos sowie Schriftstücke als Schenkung angeboten bekamen. „Lange hieß es, dass es nichts mehr über Renate Müller gebe, da ihr Nachlass von den Nazis versteigert wurde, obwohl die Familie noch lebte“, sagte Birgit Scholz.
Die wohl erste Ausstellung über Renate Müller vermittelt neben Einblicke in ihren häuslichen Bereich – sie wohnte allein mit Hund Peter in einer Villa in Berlin Dahlem – die Bandbreite schauspielerischer Facetten. Mal gab sie die Jugendlich-Naive, dann die Elegant-Mondäne und schließlich – in der Regie Jürgen Fehlings – auch das kraftvolle Dorfmädel in „Des Kaisers Soldaten“. Für den Film entdeckt wurde sie von Reinhold Schünzel. Mit ihm drehte sie acht ihrer 25 Filme. Ihr vierter Stummfilm, „Liebe im Ring“, in dem sie die Braut von Max Schmeling spielte, wurde nachsynchronisiert. Kurz darauf gab sie „Die Privatsekretärin“ und konnte darin auch mit ihrem Gesang auftrumpfen: Ihr Lied „Ich bin ja heut“ so glücklich“ ging um die Welt. Für die englischsprachige Version dieses Films wurde sie ebenfalls verpflichtet.
Ursprünglich wollte Renate Müller in die Fußstapfen ihres Vaters treten und Journalistin werden, zumal alle zu ihr sagten, dass sie zwar pummelig, aber dafür ein kluges Köpfchen sei. Als sie mit 16 auf einem Ball mit einem englischen Offizier tanzte und der ihre Schönheit huldigte, änderte sich spontan ihr Berufswunsch. Nun wollte sie Sängerin werden und begann an der Danziger Oper eine Ausbildung. Als die Familie nach Berlin zog, ging sie an die Max-Reinhardt-Schule und wurde danach bald ein Star zum Anfassen. Freimütig gab sie in der Presse ihre „Toilettengeheimnisse“ preis, was in der Ausstellung unterhaltsam nachzulesen ist. Doch der „Liebling der Götter“, wie ein Film mit ihr hieß, fand für sich kein Lächeln, als er müde und gebrochen war. „Sie wollte geben, schenken, beglücken und brauchte doch selbst das Glück“, sagte der Vater an ihrem Grab.
In der Ausstellung läuft ein 1990 gedrehtes Essay über Renate Müller. Im Kino wird am 30.11. und 3.12. „Viktor und Viktoria“ gezeigt, außerdem am 30.11. und 2.12. die Artur Brauner-Produktion „Liebling der Götter“ von 1960 mit Ruth Leuwerik als Renate Müller. Gegen diesen Film hatte die Familie Klage erhoben, da er historisch nicht stimme.
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