Kultur: Geschichte beginnt am Neuen Markt
Dauerausstellung im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte festlich eröffnet/900 Jahre im Schnelldurchlauf
Stand:
Dauerausstellung im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte festlich eröffnet/900 Jahre im Schnelldurchlauf Von Hella Dittfeld „Willkommen in Brandenburg.“ Ein ehemaliges Autobahnschild begrüßt die Gäste der Dauerausstellung „Land und Leute“ im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte (HBPG). Mit der Moderne beginnt, was auch wieder in der Gegenwart endet. Dazwischen die Entwicklung eines Landes durch neun Jahrhunderte. Dass das im Parterre des Kutschstalls auf 550 Quadratmetern nur schlaglichtartig geschehen kann, leuchtet ein, hinterlässt aber den Wunsch nach mehr. Gestern wurde bis zum letzten Moment jedoch erst einmal ausgeleuchtet, die letzte Erklärungstafel angeschraubt und noch platziert, was in intensiver Vorarbeit für die Schau auserkoren worden war. Da das Haus selbst keinen Fundus besitzt, wurde bei vielen Museen und Stiftungen angeklopft und man fand Gehör. Wir sind sehr froh, dass wir 400 Ausstellungsstücke von 84 Leihgebern aus Potsdam und Brandenburg, aus Deutschland und Europa zusammentragen konnten“, sagte HBPG-Direktor Gert Streidt gestern anlässlich der Dauerausstellungs-Eröffnung. Als Gegenleistung für diese großzügigen Spenden übernahm das Haus die Restaurierung einiger Kunstgegenstände in Kooperation mit der evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg. u.a. die der Kanzel aus dem Jahre 1603. Sie zierte einst die Schmöllner Dorfkirche, befand sich aber in sehr schlechtem Zustand. Nun prangt sie am Anfang des Rundgangs als Dokument einer Zeit, da sich altkirchliche Riten und Gebräuche mit reformatorischen Bestrebungen mischten. Kurfürst Joachim II. bekannte sich als erster brandenburgischer Herrscher 1540 zu Luthers Protestantismus, es dauerte allerdings Jahrzehnte bis sich das Gedankengut durchgesetzt hatte. Das geschah weitgehend ohne Zwang und Blutvergießen. Und so ist der Riefelküriss Joachims, den das Kunsthistorische Museum Wien stiftete, auch nur eine Prunkrüstung und wurde nicht im Kampf getragen. Doch alles, auch die Ausstellung, beginnt mit der Geburtsstunde der Mark im Jahre 1157. Der Askanier Albrecht der Bär übernimmt die Herrschaft und unterstützt die Mönche in ihren Klöstern, damit sie das geistige Leben ankurbeln. Um der Ausstellung auf verhältnismäßig kleinem Raum immer wieder auch Tiefgang und Anschaulichkeit zu geben, werden Multimediaschauen eingeblendet, den Marienpsalter aus Kloster Zinna kann man zum Beispiel in neuester Technik aufblättern. Es gibt Schubladen, die man öffnen, oder Bilder von Schlössern und Herrenhäusern, die man aufrufen kann. Der Tag von Potsdam flimmert als Originalaufnahme über den Bildschirm, man wird über Mädchen im Landjahr zur NS-Zeit informiert, aber auch über die Glienicker Brücke gibt es Bildmaterial. Und alles wird durch den Audio-Guide, der kostenlos ausgeliehen werden kann, unterstützt. Mittelpunkt und unübersehbares Schaustück der Ausstellung ist jedoch ein drei mal vier Meter großes Modell der Stadt Potsdam von 1912, an dem man einzelne Standorte aufleuchten lassen kann: die der Schlösser, militärischer Einrichtungen oder die der Verwaltung und der Kultur. Natürlich gehört auch das Potsdam-Museum zu den Exponat-Stiftern und die Kulturbeigeordnete der Stadt, Gabriele Fischer, nannte die mit dem HBPG gefundene Museums-Lösung eine der besten, die man finden konnte. Die Ausstellungseröffnung sei nicht nur ein wichtiger Teil zur Wiedergewinnung der alten Mitte, „hier werden künftig auch die Stadtführungen losgehen“, bekräftigte Fischer. Die Stadt hält 33 Prozent der Anteile am Haus, das Land 67 Prozent. Letzteres sichert mit 800 000 Euro auch den laufenden Betrieb des Hauses, das sich nicht so sehr als Museum, sondern als Veranstaltungsforum und Begegnungsort versteht. Die Förderung einzelner Projekte sei zudem nicht ausgeschlossen, versicherte Dr. Wilhelm Neufeldt vom Kulturministerium. Das neue Jahr beginnt sofort mit Lesungen und Gesprächen. Ab Januar gibt es auch Führungen für Schulgruppen, betreut durch die Pädagogische Abteilung. Wer jedoch kurz vor Weihnachten noch Zeit für einen Museumsbesuch erübrigen kann, darf die Ausstellung bis 23. Dezember kostenlos besuchen. Bei 900 Jahren Geschichte kann natürlich nur eine Auswahl von Anschauungsobjekten die Entwicklung skizzieren. „Wir sind dem Stoff nachgegangen, aus dem das Land gemacht ist“, erläuterte Kuratorin Ursula Breymayer die Grundidee. An Wasser,Wald und Sand habe man sich orientiert und das Leben eher der kleinen Leute aufgezeigt als das der Kurfürsten und Könige. Die kommen zwar auch vor, sind repräsentiert durch das Standbild des Kurfürsten Friedrich III., der sich 1701 zum ersten preußischen König krönte, und das der letzten Kaiserin Auguste Viktoria (sie ging 1921 ins Exil). Beide können sich sogar in der Ausstellung ins Auge blicken und so den Bogen über Jahrhunderte herstellen. Doch - so das Ausstellungskonzept – das Wirken der Herrscher kann in deren Schlössern viel besser nachvollzogen werden und Preußen Glanz und Gloria gehört zwar zu Brandenburg, das Land aber ist älter und besteht auch heute fort. Bekräftigt wird diese Linie durch Arbeitsmittel der Fischer oder der Forstleute, dem Volksnahrungsmittel Kartoffel wurde Platz eingeräumt, der Wasserstraßen- und Wegebau ist dokumentiert, aber auch die Glasmacherkunst eines Johannes Kunckel oder Karl Friedrich Schinkels denkmalpflegerische Bestrebungen werden anschaulich gemacht. Auch einem ganz modernen Wirtschaftszweig wird geschichtliche Reverenz erwiesen: dem Tourismus. Schon Anfang des vorigen Jahrhunderts hieß es: „Raus ins Grüne.“ Fotos von Ausflügen zeigen, wie man auf Erholungstour ging. Ruderkostüm und -ordnung bringen neben Wald und Sand auch hier das Wasser wieder ins Spiel. Die DDR-Industrialisierung ist durch den Nähmaschinenbau Wittenberg, die Melioration der Landwirtschaft und durch den Braunkohletagebau vertreten. Alles allerdings nur im Bild. Auch die Unmengen Sowjetsoldaten, die einst Märkische Kasernen bevölkerten, präsentieren sich nur noch als Ein-Mann-Gemälde. Eine originale Trittsperre mit spitzen Stacheln, die unter Wasser die Republikflucht verhindern sollte, lässt dagegen noch nachträglich Gänsehaut entstehen. Dass Ausstellungsmacher nicht humorlos sein müssen, zeigen sie bei den friderizianischen Kriegen, bei denen sie Zinnsoldaten ins Feld führen.. Martialischer präsentiert sich da schon das Maschinengewehr aus dem Jahre 1908. Das Grade-Automobil von 1924 dürfte dagegen das Herz eines jeden Oldtimerfreaks höher schlagen lassen. Vieles, was brandenburgische Geschichte ausmacht, konnte zwangsläufig keinen Platz finden und so verwies auch Streidt noch einmal ausdrücklich auf städtische und spezialisierte Museen und die Preußen-Schlösser. Der Schlösser-Stiftung diente Streidt jahrelang als Pressesprecher und Leiter des Referats Presse, Museumspädagogik und Besucherbetreuung. Nun gilt sein Interesse einem Haus, das Geschichte und Neuzeit verbindet, was sich nicht zuletzt auch im Baustil dokumentiert. Dem Kutschstall mit seinen Vorgaben einer denkmalgetreuen Restaurierung konnte ein modernes Innenleben impliziert und ein modernes Foyer im rückwärtigen Bereich angebaut werden. Auch der Konferenzbereich ist modern ausgestattet und behindertengerecht ausstaffiert. Sonderausstellungen werden die Dauerpräsentation ergänzen. Bis Mai sind noch die Königlichen Visionen zu sehen, danach dann heißt es „Schön und nützlich“. Es wird gezeigt, was Kloster, Schloss- und Küchengärten zu bieten hatten und noch haben. Die Dauerausstellung ist Dienstag bis Sonntag von 10 bis 18 Uhr geöffnet, Mittwoch bis 20 Uhr, am 24. und 31.12 bleibt das Haus geschlossen. Infos über Führungen und Begleitprogramme unter Tel (0331) 200 563 53 oder 289 6803. E-mail-Adresse: info@ hbpg.de und www.hpbg.de
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: