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Frische Luft macht gute Laune. Das Potsdamer Poetenpack probt im Jahr 2007 Shakespeares Hamlet vor dem Belvedere auf dem Klausberg.

©  Andreas Klaer

Von Klaus Büstrin: Gespielt wird draußen

Freilichtbühnen haben es derzeit nicht leicht in dieser Stadt. Ein Blick in die Historie der Potsdamer Naturtheater

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Der Intendant saß hoch zu Ross. Aber nur dreimal. Dann musste er wieder runter, denn nur wenige Zuschauer hatten Interesse an dem Stück „Der Richter von Zalamea“. Vor rund 370 Jahren hat es der spanische Dichter Pedro Calderón de la Barca aufgeschrieben. In den Sechzigern des vergangenen Jahrhunderts war das Drama in der DDR des Öfteren auf den Bühnen Mode. Sein Thema, die bäuerliche Auflehnung gegenüber dem Adel, konnte man gut für propagandistische Zwecke verarbeiten. Auch die Defa bemächtigte sich des Stoffes. Der Film-Hauptdarsteller Hansjoachim Büttner spielte dann auch die Titelrolle am Hans Otto Theater. Nicht im Stammhaus in der Zimmerstraße wurde das Stück aufgeführt, sondern in der Parkoper, die unterhalb des Klausbergs am Drachenhaus lag. Das Publikum nahm in diesem Naturtheater das Schauspiel nicht sonderlich an. Da konnte auch der sehr beliebte Intendant Gerhard Meyer, der als König Philipp II. auftrat, und die Verpflichtung eines prominenten Schauspielers nichts ausrichten.

Mozarts „Zauberflöte“ wird nunmehr einige Kilometer von Potsdam die Zuschauer anziehen, am Wannsee. Die vorgesehene Seebühne am sensiblen Ort Hermannswerder wird es nicht geben. Verantwortliche Naturschützer und empörte Insel-Bewohner, die den Tausenden Opernbesuchern wenig Disziplin zutrauen, und die unbefriedigende Lösung des Transfer-Problems haben mitgeholfen, dass die „Zauberflöte“ woanders erklingen wird. Der Veranstalter hielt an Hermannswerder fest, aber wäre nicht ein anderer Ort in Potsdam und Umgebung ebenfalls operntauglich gewesen? Das Publikum wäre sicherlich den Opernmachern und ihrer Inszenierung gefolgt.

In den fünfziger und sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts machten sich die Potsdamer in die nach dem Zweiten Weltkrieg errichtete Parkoper Sanssouci auf, die von einem dichten Laubwald umgeben war und wie ein Amphittheater gestaltet wurde. Vor allem Opern- und Operettenaufführungen stießen auf große Resonanz. Und so inszenierte das Hans Otto Theater, das den überwiegenden Teil des Parkopern-Spielplans bestritt, Johann Strauß‘ „Der Zigeunerbaron“, Carl Millöckers „Gasparone“, „Die Entführung aus dem Serail“ von Mozart oder den „Freischütz“ von Weber. Als Gasparone-Dirigent bewährte sich der junge Carlos Kleiber, der zu den bedeutendsten Dirigenten des 20. Jahrhunderts gehörte. Am Hans Otto Theater nahm er das Pseudonym Karl Keller an. Auch die Deutsche Staatsoper Berlin mit dem Ballett „Dornröschen“ oder das Kleist-Theater Frankfurt an der Oder mit Humperdincks „Hänsel und Gretel“ gastierten - Inszenierungen, die der Atmosphäre des Naturtheaters sehr entgegenkamen. Die große Bühne wurde von zwei Beleuchtungstürmen flankiert, die man auch gut in die Szenerie einpassen konnte.

Beim „Richter von Zalamea“ hatten die Schauspieler Schwierigkeiten, akustisch die Zuschauer in den oberen Reihen zu erreichen. So spannte man zwischen den Türmen eine Leine, auf der man vier oder fünf Mikrofone anbrachte. Die sollten den Darstellern mehr Stimme geben. Intendant Meyer, der auf seinem Pferd einem Mikro besonders nahe war, durfte sich während seines Monologisierens keinen Moment vom Akustikverstärker entfernen. Ein Pferdetritt daneben, schon war er nicht mehr zu hören.

Anfang der sechziger Jahre wurde die idyllisch gelegene Parkoper geschlossen. Die Publikumsresonanz wurde immer geringer. Vom Tourismusboom in Potsdam war man kurz nach dem Mauerbau weit entfernt. Und für die Einwohner erwies sich das Erreichen der Freilichtbühne oft als kompliziert. Es gab kaum ein Transfer mit Bussen. Und Pkws waren in der damaligen DDR-Zeit noch nicht sehr verbreitet. Man musste sich zumeist per pedes auf den Weg machen. Die Parkoper geriet nach 1961 leider in Vergessenheit. Heute trägt das Areal Waldcharakter und es wartet immer noch auf die versprochene Park-Rekonstruktion nach den Plänen des Landschaftsgestalters Georg Potente durch die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten.

Auch das Heckentheater, nördlich vom Neuen Palais gelegen, das Friedrich der Große für theatrale Aktionen anlegen ließ, soll irgendwann wiederhergestellt werden. Ob in ihm überhaupt gespielt wurde, ist noch rätselhaft. Dagegen wurde der Gartensalon am Neuen Palais nach seiner Rekonstruktion vor einigen Jahren zu einem Aufführungsort von Opern und Schauspielen für das Ensemble Poetenpack, Hans Otto Theater und die Musikfestspiele Potsdam Sanssouci. Diese Kulisse, in der sich Kunst und Natur so wunderbar vereinen, ruft nach Theateraufführungen. In diesem Jahr laden die Musikfestspiele in den Gartensalon mit der Oper „Calandro“ des Barockkomponisten Giovanni Alberto Ristori ein.

Theateraufführungen gab es rund um das Neue Palais des Öfteren. In den sechziger Jahren nutzte das Hans Otto Theater den Südhof für eindrucksvolle Operninszenierungen von Mozart, Telemann und Cimarosa. Vor der Gartenfront und im Ehrenhof des Schlosses waren Konzerte angesagt, auf der Mopke spielte man 1996 nur wenige Male ein misslungenes Stück über die „Beziehungen“ zwischen Odysseus und Friedrich dem Großen von Walter Jens. Herbeigerufene Schauspielerprominenz konnte da auch nichts ausrichten.

Nach der grundlegenden Sanierung und Restaurierung des Belvedere auf dem Pfingstberg ist die „Krone über der Stadt“ seit mehr als zehn Jahren für Theaterleute und Zuschauer ein beliebter Inszenierungsort vor allem für Schauspiele und Konzerte geworden. Das Schöne am Belvedere ist, dass an verschiedenen Standorten gespielt werden kann und somit die Szenerien einen reizvollen Wechsel erhalten. Das Poetenpack Potsdam mit seinen Inszenierungen von Shakespeare-Komödien ist ein besonders gern gesehener Gast auf dem Pfingstberg. Auch das Theater Ton und Kirschen aus Glindow weiß hier mit seinen unkonventionellen Aufführungen zu begeistern.

Der Gartensalon, das Belvedere sowie auch der mit 90 Plätzen bestuhlte private Q-Hof in der Lennéstraße, in dem sich das Poetenpack eine ständige Aufführungsstätte im Sommer schuf, sind weitestgehend von intimem Charakter. Lange vor der Eröffnung der rund 2000 Zuschauer fassenden Parkoper konnte man in Potsdam von 1911 bis 1915, in fünf Sommern, das Naturtheater auf dem Brauhausberg besuchen. 1400 Gäste konnten in ihm Platz nehmen. Wolfgang Jansen berichtet in der jüngsten Ausgabe des Mitteilungsblatts der Landesgeschichtlichen Vereinigung für die Mark Brandenburg e.V. über dieses Naturtheater und seinem Gründer und Organisator Axel Delmar. Er initiierte in Potsdam die „Deutschen Heimatspiele“, die bereits an mehreren Stätten in Deutschland aus dem Geist völkisch-patriotischer Gesinnung entstanden. Beispielsweise das Bergtheater in Thale und auf Hiddensee.

Delmar war zu seiner Zeit ein erfolgreicher Regisseur und Autor. Von Mitte Mai bis Anfang August spielte man in einer natürlichen Senke oberhalb des Brauhausberges. Der Spielplan war der brandenburgisch-preußischen Geschichte gewidmet. Es gab Stücke, die im Siebenjährigen Krieg (Der eiserne Heiland) oder in den Befreiungskriegen gegen Napoleon (Der Herr der Erde) spielten. Da auch Friedrich der Große im „Eisernen Heiland“ auftreten sollte, musste man sich die Genehmigung vom Herrscherhaus Preußens holen, denn es war nicht üblich, Mitglieder der Hohenzollernfamilie ungefragt auf der Theaterbühne auftreten zu lassen.

Bis 1914 inszenierte Delmar für die Naturbühne. Ihm wurden schließlich höhere Aufgaben zuteil. Er wurde zum Intendanten des Königlichen Schauspielhauses in Potsdam berufen. Auf dem Brauhausberg gab es bis 1915 Theater mit „Die versunkene Glocke“ von Gerhart Hauptmann und „Wehe dem, der lügt“ von Franz Grillparzer. Betreiber wurde die Genossenschaft Deutscher Bühnenangehöriger. Das Naturtheater verwaiste danach. Anfang der zwanziger Jahre wurde es teilweise zugeschüttet. Die Straße Am Brauhausberg entstand.

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