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Kultur: Gespräche bei einer Totenfeier Sigrid Grabner las aus „Gäste in Sanssouci“

Es ist ein großes Treffen berühmter Menschen am 17. August 1991 auf der oberen Terrasse des Schlosses Sanssouci.

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Es ist ein großes Treffen berühmter Menschen am 17. August 1991 auf der oberen Terrasse des Schlosses Sanssouci. Persönlichkeiten der Vergangenheit und der Gegenwart begegnen sich: Friedrich der Große, die Habsburgerin Maria Theresia, der Privatsekretär und Vorleser Friedrichs, Henri de Catt, sowie Kanzler Helmut Kohl und der US-Präsident George Bush. Und jeder, der die jüngste Geschichte im Blick hat, kennt die Namen dieser beiden Herren aus der unveröffentlichter Erzählung „Gäste in Sanssouci“ von Sigrid Grabner.

Die evangelische Kirchengemeinde möchte mit dieser Lesung einen eigenen Beitrag zum Friedrich-Jubiläum geben, sagte bei seiner Begrüßung Pfarrer Friedhelm Wizisla. Viele historische Grabsteine und Epitaphien, die auf dem Kirchhof sowie im Gotteshaus zu finden sind, erinnern an Protagonisten des Hofes und der Stadt aus der Zeit des Alten Fritz und seines Vaters Friedrich Wilhelm I. Auch der Privatsekretär und Vorleser Friedrichs, Henri de Catt, einer der Figuren der Grabner-Erzählung fand in der barocken Bornstedter Kirche, die 1805 einer neuen Platz machen musste, seine letzte Ruhe. Doch leider weiß man nicht mehr, an welcher Stelle er umgebettet wurde. Eine Gedenktafel am Campanile erinnert an den Vorleser, der schweizerischer Herkunft war.

Die Tagebücher de Catts haben die renommierte Potsdamer Sigrid Grabner sehr beeindruckt und so reifte in ihr vor gut zehn Jahren der Entschluss, eine Erzählung zu schreiben, in der de Catt, Friedrich und Maria Theresia wieder auferstehen und an einer fiktiven Begegnung teilnehmen. Es ist der 17. August 1991, der 205. Todestag Friedrichs. Ein überaus wichtiges Ereignis für den preußischen König, denn zur Mitternacht dürfen endlich seine sterblichen Überreste auf der oberen Terrasse des Schlosses Sanssouci zur Ruhe kommen.

Sigrid Grabner hat diesen Termin zum Anlass genommen, ihre realen Beobachtungen dieses Spektakels in das erfundene Treffen einzuarbeiten. Die Zeitverschränkung, mit der die Autorin hier kunstvoll arbeitet, ist von großem Reiz und feiner Fantasie, die zwar manchmal auch überquellen will. Ihre gründliche Kenntnis der preußischen und habsburgischen Geschichte fließen selbstverständlich in die Erzählung mit ein, werden aber in keinem Augenblick mit trockenem Gelehrtenton bedacht. Die Gespräche zwischen den Kontrahenten sind von klarer und unmissverständlicher Deutlichkeit, manchmal mischen sich da auch zarte ironische Töne mit ein.

Friedrich, völlig irritiert über diese theatrale Show seiner neuerlichen Bestattung, wendet sich freundschaftlich, doch in einem Herren-Ton an Henri de Catt. Aber der ist längst nun nicht mehr der untertänige Privatsekretär des Königs: „Ich bin nicht Ihr Freund. Sie selbst haben mich aus Ihrer Freundschaft entlassen und davongejagt, weil Sie den Verleumdungen von Hofschranzen mehr glaubten als Ihrem Gefühl und meiner Loyalität.“ Henri de Catt, obwohl er Mitleid für den König empfindet, hat die Zuneigung von Friedrichs Feindin Nr.1, Kaiserin Maria Theresia, gewonnen, die ebenfalls bei der Totenfeier anwesend ist. Auch Sigrid Grabner, so scheint es, hat für Österreichs Herrscherin viel Sympathie. Das spürt man besonders in den großen, zum Teil kontroversen Gesprächen über das Christentum, in die sich die drei Protagonisten begeben. Dem Aufklärer und Kritiker am Christentum, Friedrich, sagt die Monarchin: „Der Glaube ist eine Gnade, die Ihnen nicht zuteil wurde, wofür Sie Mitleid und nicht Schelte verdienen.“

Dann befinden sich auf der Sanssouci-Terrasse noch Kanzler Kohl und George Bush, die die Demonstration junger Leute anlässlich der Beisetzung Friedrichs erleben. „Verrückte gibt es immer, Mister President“, so Kohl. Das würde zur Meinungsfreiheit gehören, anwortet Bush. „Ihr großer König mit seiner Toleranz hätte Verständnis dafür.“ „Davongejagt hätte ich den Pöbel und ihn in Spandau bei Wasser und Brot vor den Karren spannen lassen“, ruft der König dazwischen. Überraschend dann der Schluss der Erzählung: König und Kaiserin liegen sich versöhnt in den Armen. Im Tode sind sie alle gleich. Diese Erzählung von Sigrid Grabner harrt nun einer baldigen Veröffentlichung. Klaus Büstrin

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