Kultur: Gewand aus Darmgeflecht
Drohendem Aus zum Trotz: In der Panzerhalle zeigten Künstler am Wochenende Malereien und Skulpturen
Stand:
Eine Keimzelle künstlerischer Visionen und ein Ort für originelle Ausstellungsprojekte – das ist das Atelierhaus Panzerhalle in Groß Glienicke seit mehr als einem Jahrzehnt. Seinen Standort hat es allen Erschließungsplänen des ehemaligen Kasernengeländes Waldsiedlung zum Trotz bis heute zu verteidigen gewusst. Gegen das immer wieder drohende Aus der Panzerhalle treten die hier arbeitenden 20 Künstler aus Berlin und Brandenburg mit ein- bis zweimal jährlich stattfindenden Ausstellungsprojekten an. Aktionen wie der „Tag des Offenen Ateliers“ am vergangenen Wochenende sind da willkommener Anlass, um sich dem Publikum zu präsentieren und bei dieser Gelegenheit mit ihm ins Gespräch zu kommen.
Neun Künstler gewährten nun den Besuchern des Atelierhauses Einblick in ihre Werkstätten und ließen sich – etwa bei der Erstellung eines Farbholzschnitts – bei der Arbeit über die Schultern schauen. So verschieden die „Bewohner“, so unterschiedlich präsentierten sich auch ihre Ateliers. Ob penible Ordnung oder kreatives Chaos: Mit Arbeiten aus den Bereichen Malerei, Collage, Holzschnitt, Skulptur, Holz- und Steinbildhauerei, Installation sowie einer am Sonntag Nachmittag dargebotenen Kunstperformance war für jeden Geschmack etwas dabei.
Die geräumige Halle wurde von den Bildhauern Lothar Seruset, Anna Arnskötter und Michael Heyers „bespielt“. Seruset, der wegen eines Stipendienaufenthalts selber nicht präsent war, hatte seine aktuellen Arbeiten imposant im Eingangsbereich postiert. Die kürzlich bei ihm eingetroffenen 18 Lindenstämme bilden eine malerische Kulisse zur eigentlichen Werkstattsituation. Balanceakte, Kopfstände und Fußballspieler nehmen das altbekannte Figurenarsenal des Holzbildhauers wieder auf und knüpfen motivisch unmittelbar an seine wiederholt ausgestellte Athletengruppe mit dem Titel „Turnstunde“ an.
Anna Arnskötter, die in Potsdam erst kürzlich mit Betongüssen und Keramik-Skulpturen in der Ausstellung „Translokationen. Architektur der Nomaden“ zu sehen war, übernahm für Lothar Seruset die angekündigten Holzschnitt-Druckvorführungen. Das Künstlerpaar gehört seit langem zum harten Kern des Panzerhallenteams. Noch nicht so lange dabei sind Elisabeth Schwarz und Birgit Cauer. Letztere beschäftigt sich als Bildhauerin seit vielen Jahren thematisch mit der Versinnbildlichung des Körpers und des Körperhaften. „Steinleib“, „Leibsteine“ oder „Leibzeichnungen“ heißen ihre Arbeiten, in denen Stein und Tierdärme originäre Verbindungen eingehen. Da erhalten Steine ein gestricktes Gewand aus Darmgeflecht, Darmhäute stülpen sich von innen nach außen, selbst männliche und weibliche Körperformen erscheinen in bisher ungekannter Weise verwandt. Interessierte können in den kommenden Wochen bei der Bildhauerin lernen, selbst mit Ton und Steinmetzwerkzeug umzugehen.
Ein Stockwerk darüber setzt sich der Atelierrundgang fort. Sehenswert die großformatigen Leinwände der Malerin Elisabeth Schwarz, die ihre neuesten Arbeiten mit bunten Schriftzügen aus Enkaustik, einer auf Wachs basierenden künstlerischen Maltechnik, überzieht. „Besuch darf nicht kommen, kommt sowieso nicht“, zitiert die Künstlerin den Ton des an sie schreibenden Schriftsteller-Vaters und verpasst ihren farbfrohen Bildern damit ein eigenwillig-poetisches Gewand.
Einen unbestrittenen Höhepunkt des Wochenendes setzte der Installationskünstler Carsten Hensel mit seiner Performance zum Thema „Der Affe“. Zu beobachten war in skurrilen, dicht aufeinander folgenden Bildern, wie in einem bunten Sammelsurium von Regenschirmen, Bananen, Spiegeln und Niveadosen, untermalt von der Geräuschkulisse der neuesten Filmversion von „King Kong“ ein einsamer Mensch Stück für Stück zum kreatürlichen Affen mutiert.
Almut Andreae
Unter dem Titel „Planspiel – Nachspiel“ eröffnet die Panzerhalle vor dem Hintergrund der anhaltenden Bebauungspläne des Geländes im September ihre nächste große Ausstellung. Inhaltlich wird es dabei um Modelle und Entwürfe zur künftigen Nutzung der Waldsiedlung gehen.
Almut Andreae
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: