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Thalia-Filmtheater-Chef Thomas Bastian fühlt sich als Netzwerker. Und so schlüpfte er auch gern in die Rolle des Stadionsprechers bei Babelsberg O3.

© Manfred Thomas

Von Heidi Jäger: Gute „Ware“ gibt es nur sechs Monate

Weniger Reihen, weniger Filme – das Thalia nimmt Kurs auf schwarze Zahlen / Zweites Standbein bleibt die Freundschaftsinsel

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Dem Ansturm nach zu urteilen, geht es dem Thalia derzeit bestens. Ob bei dem unterhaltsamen Dauer-Bestseller „Willkommen bei den Sch’tis“, dem aufwühlenden Ehe-Drama „Zeiten des Aufruhrs“ oder dem leise lächelnden Trauerspiel „Stilles Chaos“: Das Publikum macht sich offensichtlich gern auf den Weg ins „Wohlfühlkino“ – wie sich das Thalia selbst bezeichnet. Doch Geschäftsführer Thomas Bastian verfällt keineswegs in Freudentaumel, auch wenn ihm Silvester fast die „Bude“ gestürmt wurde. „Doch dann kam Eis und Schnee und keine Stadtreinigung – und schon fehlte es wieder an 10 000 Euro Umsatz.“

Auch das Kinomachen selbst scheint eine Schlitterpartie zu sein. Da hilft es wenig, dass das Thalia im vergangenen Jahr erneut zu den 14 besten Programmkinos Deutschlands gehörte – ein Preis, den das Bundeskulturministerium jährlich für besonders herausragende Filmprogramme vergibt. Entscheidend sei die Qualität der Filme und wann sie von den Verleihern in die Häuser gebracht werden. Und da gebe es im Winter geradezu eine Flut, während im Sommer Flaute ist, so Bastian. Offenbar grassiert die Angst, dass sich die Besucher eher am Badesee tummeln, als im dunklen Kinosaal anderer Leben nachzuträumen. „Wir hatten zwar 2008 ein Plus von drei Prozent, aber der Verlust von 2007 ist damit noch immer nicht wett“, so der Thalia-Chef, der sich zur Konsolidierung seines Hauses von vier Kollegen trennen musste und inzwischen ein neues Konzept fährt.

Um sein Filmtheater auf sichere Füße zu stellen, flimmert auch in diesem Jahr ein übersichtlicheres Angebot über die vier Leinwände. „Wir zeigten 2008 knapp 300 Filme und damit 60 weniger als 2007. Das brachte uns eine Einsparung im sechsstelligen Bereich. Und genau da müssen wir weiter machen.“ Außerdem gebe es keine Spätvorstellungen mehr und die 15-Uhr-Angebote nur noch am Wochenende. „Die Zuschauer ballen sich auf weniger Vorstellungen, das bedeutet weniger Aufwand und weniger Lohnkosten.“

Zudem dünnte Bastian seine Zusatzangebote mit dem Quoten-Sieb aus. Spezielle Reihen, wie Amnesty, Klassik im Kino oder die Schwul–Lesben-Reihe gebe es künftig nicht mehr monatlich, sondern nur noch „eventmäßig“. Auch das Kino-Menü werde vielleicht etwas eingekocht und an sechs statt bislang neun Abenden serviert. Im Februar geht es dabei „Back to Africa“ und im April werden fünf der 15 Gänge des Titanic-Menüs nachgekocht, bevor der Luxusliner im Kino untergeht.

Der „Start vorab“ stelle auch künftig sonntags um 19 Uhr neue Filme vor, die ab Donnerstag offiziell im Programm zu finden sind. „Ein wichtiger Seismograf für unsere Planung. So waren die ,Sch’ties’ unser bester Sonntagsfilm und sie sind nun auch unser bester Film des Jahres. Ab 5. Februar kann man ihnen original mit Untertiteln zuhören.“ Sie nehmen es in ihrer 15. Woche inzwischen mit „Das Leben der anderen“ und „Sommer vorm Balkon“ auf.

Gern möchte das Thalia an seinem Netzwerk weiter stricken – und wie zur Bestätigung hält gerade eine Straßenbahn mit Thalia-Werbung und einem angehängten „Lindenpark-Waggon“ vor der Tür. Auch die Fußballer von 03, für die Bastian als Stadionsprecher fungiert, fahren mit im Babelsberg-Verbund. Derzeit plant das Trio ein gemeinsames Open-Air-Konzert: „Vielleicht erschließen wir dazu einen ganz neuen Platz, möglicherweise eine Brache in der Waldstadt.“

Aber auch mit der Filmhochschule gibt es Projekte, wie die Kinderfilmuniversität und die „Sehsüchte“. „Jetzt wollen wir ein drittes Pferd für jugendliche Filmemacher satteln“, so Veranstaltungsorganisatorin Daniela Zuklic. HFF-Studenten greifen 12- bis 16-jährigen Potsdamern bei filmischen Erkundungen der Stadt unter die Arme und das Thalia bietet ihnen für ihre Experimente die große Leinwand – so der Plan.

Zuvor hofft das Kino auf großen Zulauf bei der Schulkino-Woche vom 12. bis 18. März. Fünf englische Produktionen in Originalsprache und Untertiteln werden gezeigt: mit dabei „Oliver Twist“ und „Billy Elliot“. Im Vorfeld können sich Lehrer informieren, „wie leicht es ist, eine Filmanalyse zu machen und wie gut sich Filme in den Unterrichtsstoff integrieren lassen“, so Bastian. Denn wohlfühlen heiße auch, sich geistig zu bewegen. Deshalb würde der Kinochef gern den kaum beachteten, doch Oscar verdächtigen Animationsfilm „Waltz with Bashir“ über den ersten Libanonkrieg 1982 noch einmal aufführen und ihn pädagogisch begleiten. Ein Anruf dazu genüge.

Fest vertraut er auf sein zweites Standbein: das Sommer-Open-Air auf der Freundschaftsinsel. „Zwar war es auch 2008 noch ein leichtes Zuschussgeschäft, aber wir sind bereit, eine Menge für diesen Platz zu tun, dass er sich richtig etabliert.“ Auftakt ist der 1. Juni und gespielt wird bis 30. August. „Das Wetter im vergangenen September war so elend, dass wir fast Glühwein ausschenken mussten. Sollten wir einen tollen Spätsommer kriegen, können wir immer noch verlängern.“ Auf jeden Fall werde die Mauer zum benachbarten Altenheim um einen Meter höher gezogen, um lauter spielen zu können. Außerdem gebe es große Schirme, um regentauglicher zu sein.

Thomas Bastian freut sich, dass in diesem Jahr weder Europameisterschaft noch Olympia dem Kino die rote Karte zeige. Dafür komme „Harry Potter“ als Erfolgsgarant. Und auch auf den „Vorleser“ vertraue er. „Den spielen wir, selbst wenn er parallel im UCI läuft.“ Ansonsten versuche das Thalia zu vermeiden, dass zwei Kopien eines Films gleichzeitig in einer Stadt gespielt werden. „Wir müssen uns nicht gegenseitig kannibalisieren.“

Skeptisch beobachte er indes den Trend, dass sich die Multiplexe fit für das ältere Publikum machen und bei den Verleihern Unterstützung finden. So wie bei den „Buddenbrooks“, der auch gut zum Gesicht des Thalias gepasst hätte. „Den Multiplexen sind die ganz jungen Männer weggebrochen, die ihr Taschengeld zunehmend in Handys und Handyspiele stecken. So findet man jetzt im UCI kaum noch Action-Filme an der Spitze, sondern Komödien.“

Im Moment hat das Thalia genug entgegen zu halten. „Jetzt ist Hochkonjunktur, doch Mitte April reißt der Faden wieder ab. Richtig gute ,Ware’ gibt es im Kino eigentlich nur sechs Monate.“

Also kein Wunder, dass sich die Besucher gerade jetzt auf das beste Filmfutter stürzen.

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