Kultur: „Gutsherrinnen“
Stipendiatinnen des Künstlergutes Prösitz im Atelierhaus Panzerhalle Groß Glienicke
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Stipendiatinnen des Künstlergutes Prösitz im Atelierhaus Panzerhalle Groß Glienicke Von Götz J. Pfeiffer Emanzipation hin, Emanzipation her. Eine Sache kann selbst der engagierteste Mann keiner Frau abnehmen: das Kinder-Gebären. Von vielen Frauen wird die Geburt als tiefer Einschnitt empfunden, der Karrierechancen empfindlich mindert, den weiteren beruflichen Aufstieg sogar ganz zerstören kann. Aus dieser Situation gründeten 1992 einige Bildhauerinnen mit Kindern auf einem ehemaligen Bauergut in Prösitz ein Künstlergut. Seit 1993 veranstalten sie dort Symposien für Bildhauerinnen mit Kindern. Während die Mütter für vier Wochen in den Ateliers arbeiten, werden die Kleinen betreut. Dass die Idee nicht nur gut, sondern auch notwendig ist und überdies in über zehn Jahren bemerkenswerte Arbeiten entstanden sind, beweist die Schau im Atelierhaus Panzerhalle in Groß Glienicke. Für die Gruppenausstellung „Gutsherrinnen. Zehn Jahre Künstlergut“ wurden von den bisher fast 100 nationalen und internationalen Prösitz-Stipendiatinnen 30 mit zumeist aktuellen Werken ausgewählt. Emanzipatorische Positionen sind darunter wie die Arbeit „Frauen handeln“ der gebürtigen US-Amerikanerin Cheryl Joscher. Mit der Aufschrift einer großen Holzkiste klagt sie an, „dass Frau wegen und um ihre selbst-bestimmte sinnliche Lust ständig beraubt und um eigene Ausdrucksformen des Begehrens betrogen wird“. Alle Frauen? Stets und ständig? Schon die Verallgemeinerungen fordern kritisches Hinsehen heraus. Durch das Loch in der leeren Kiste scheint die große, kopflose Frauengestalt im Nana-Design entkommen zu sein, die sich auf einer Leinwand dahinter vor sakralisierendem Goldgrund wie in einer Auferstehung gen Himmel erhebt. Als Agit-Prop mag der plakative Beitrag Joschers durchgehen, als künstlerische Arbeit nur mit größtem Wohlwollen. In die gleiche feministische Kerbe schlägt die angestrengte Installation Berit Molaus, in der sich „Dornröschen“ aus ihrer dicklichen Körperhülle geschält und schlank verwandelt auf ein Bügelbrett gelümmelt hat, um ihre Begattung durch einen schwarzen Kobold zu erwarten. Ähnlich, aber etwas verhaltener artikuliert sich die gebürtige Dresdenerin Katrin Jähne mit ihren kopflosen, an einerStange aufgehängten Frauenkörpern. Der Titel der Arbeit ist gleich ihr Urteil: „Frauen, einfach aufgereiht“. O sancta simplicitas. Doch großteils sind künstlerisch ernst zu nehmende Arbeiten ausgestellt. Zu einer scheinbar kippenden „Säule“ hat Sabine Straub gegeneinander gekippte Holzkisten aufeinander gestapelt. Archaisch mutet die hohe Stütze mit der „Ruhenden“ von Monika Simon an, die ebenso nachdenklich stimmt wie ihre „Denkerin“ auf schlanker Stele. Mit formaler Strenge überzeugt auch die Britin Lin Holland in ihrer Arbeit „Hold“, einem zu beiden Enden spitz zulaufenden Gipszylinder, der von einer Stoffbahn zwischen Metallstützen in der Schwebe gehalten wird. Nicht nur optische Reize bietet die titellose Arbeit der niedersächsischen Bildhauerin Ulrike Gölner. Einen Eichenstamm hat sie so bearbeitet, dass nur dünne, gewellte Brettchen stehen geblieben sind. Diese biomorphen Formen und die herausgearbeitete Holzstruktur regen das nachempfindende Betrachten an. Von ähnlicher Intensität, wenn auch aus anderem Material ist die metaphorische Installation „Seelenbündel“ der Saalfelderin Sylvia Bohlen. Im japanischen Raku-Verfahren gebrannte Tonstränge werden von einem groben Strick zusammengehalten, der in einem Eisengerüst zu schweben scheint. Dass die Wanderausstellung, die schon in Grimma gezeigt wurde und ab Mitte Dezember für zwei Monate im Bonner Frauenmuseum Station machen wird, nach Groß Glienicke gelangte, ist Anna Arnskötter vom Gast gebenden Atelierhaus zu verdanken. Bereits 1995 hatte sie am dritten Symposium in Prösitz teilgenommen und dabei auch die Berliner Bildhauerin Nicola Schröder kennen gelernt, die ebenfalls ausstellt. Gewiss nicht der gelegentliche Vorwurf, Arnskötters kleine Architekturen aus Betonguss seien männlich, zeichnet ihre Arbeiten aus oder macht sie betrachtenswert. Vielmehr hat sie wie manch andere in der Ausstellung eine eigenständige Sprache entwickelt, mit der sie künstlerischen Ideen adäquate Formen zu geben vermag. Würde man ihre oder die Arbeit irgendeiner anderen Bildhauerin nur loben, weil sie Frauen sind, wäre dies eine eben solche Diffamierung, als wenn man sie deswegen ablehnen würde. Das Geschlecht des Bearbeiters taugt nicht, um über die Qualität der Arbeit zu urteilen. Bis 17. Oktober im Atelierhaus Panzerhalle, Seeburger Chaussee 2, Groß Glienicke. Sa/So 14-19 Uhr. Katalog 5,- Euro.
Götz J. Pfeiffer
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