Kultur: Harmlos wie ein Modemagazin Diskussion zu Mode und Macht im Schloss Paretz
Was hätte Alice Schwarzer wohl gesagt? Zu diesen beiden Männern, die trotz eines Altersunterschiedes von genau 30 Jahren outfittechnisch bloß die Hemdfarbe und das Krawattenmuster unterschied.
Stand:
Was hätte Alice Schwarzer wohl gesagt? Zu diesen beiden Männern, die trotz eines Altersunterschiedes von genau 30 Jahren outfittechnisch bloß die Hemdfarbe und das Krawattenmuster unterschied. Und die im Saalgebäude des Schlosses Paretz eine zähe Stunde lang Geschichte und Geschichten über Mode zum Besten gaben. Vom angekündigten Zwiegespräch konnte leider keine Rede sein, dazu waren sich Christoph Stölzl, hellblau-weiß gestreiftes Hemd mit marineblau-weiß gepunkteter Krawatte, und Tillmann Prüfer, weißes Hemd und weiß-blau-lila karierte Krawatte, viel zu einig. Einspruch erhob der Jüngere – Tillmann Prüfer ist Kolumnist und Design-Redakteur der Wochenzeitung „Die Zeit“ – höchstens, wenn Christoph Stölzl – Berlins Ex-Kultursenator (CDU), früherer Generaldirektor des Deutschen Historischen Museums, Honorarprofessor der Freien Universität Berlin und neu gewählter Präsident der Weimarer Musikhochschule „Franz Liszt“ – es als unmöglich ansah, dass man zum dunklen Anzug bunte Strümpfe trage. „Bunte Strümpfe sind gerade ganz stark im Kommen“, konterte Prüfer. Was, musste sich der Zuschauer da fragen, hätte Alice Schwarzer dazu wohl gesagt oder vielmehr: gewettert?
Denn eigentlich sollte die für lebhafte Kontroversen prädestinierte Feministin, Journalistin und „Emma“-Gründerin an diesem Sonntag auf dem Podium in Paretz sitzen, um mit Christoph Stölzl über „Mode als soziale Botschaft und Karrieresymbol“ zu diskutieren. Allein der Tod von Schwarzers Mutter zwang die Veranstalter kurzfristig zum Umdisponieren, wie Bärbel Hedinger, eine der Kuratoren der in den ersten Wochen regelrecht überrannten Ausstellung zu den Kleidern der Königin Luise, den rund 70 erschienenen Gästen erklärte. Mit Tillmann Prüfer konnte in kürzester Frist immerhin ein Kenner der Modewelt und ihrer Geschichte verpflichtet werden, der über mehr als nur angesagte Strumpffarben Bescheid weiß.
Prüfer berichtete auch von der Entwicklung der Mode als Breitenphänomen von den Anfängen vor gut 200 Jahren, also in Luises Zeit, als erste Zeitschriften mit Bildern von Königs- und Königinnenkleidern gedruckt wurden, über die Modemacht der frühen Hollywood-Stars bis hin in die heutige Zeit, in der sich eine neue Generation jenseits des Diktats teurer Fashionmagazine in Internet-Blogs über die täglich getragene Mode austauscht. Die geschichtlichen Hintergründe analysierte Christoph Stölzl: Von den fließenden „Nackt-Kleidern“ im Empire-Stil, mit denen Herrschergattinnen wie Luise kurz nach der Revolution in Frankreich ihre Machtposition durch demonstrative Nähe zum Volk sichern wollten, bis hin zum Frack, der seinen Ursprung als Reitkostüm hat.
Feuer kam in die Diskussion jedoch nicht, das Gespräch mäanderte zwischen Preußen und England, Paris und Mailand, Dienstkleidungen in Konzertsälen oder Restaurants und Outfits von Staatsfrauen wie Michelle Obama. Das war bunt, unterhaltsam und harmlos wie das Durchblättern einer Modezeitschrift.
Nur ein Rätsel konnten die beiden Herren im Anzug nicht lösen: Wie hat es der im puritanischen England erfundene Anzug ungeachtet aller Wechsel in der Damenmode über 200 Jahre lang zum Dauerbrenner geschafft? Alice Schwarzer hätte ohne Probleme nachhelfen können. Ihren Part übernahm eine Zuhörerin in der anschließenden Fragerunde. Selbstverständlich habe das mit den klassischen Geschlechterrollen zu tun, erklärte sie: „Männer definieren sich über ihren Beruf, darüber, was sie tun, Frauen darüber, wie sie aussehen.“ Jana Haase
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: