zum Hauptinhalt

Kultur: Hauptprotagonist Alter Fritz

Potsdams Musikleben stand 2012 ganz im Zeichen des 300. Geburtstags des preußischen Königs Friedrich II.: ein Rückblick

Stand:

Preußen mit den Höfen in Berlin und Potsdam war zu Zeiten des amusischen Königs Friedrich Wilhelm I. eine musikalische Öde. Zwar besaß Kronprinz Friedrich als Schöngeist in Rheinsberg bereits eine Hofkapelle, aber erst nachdem er 1740 den Thron bestiegen hatte, folgten an der musikalischen Front rasche Taten. Die Errichtung eines neuen Opernhauses wurde angeordnet, und Carl Heinrich Graun – offiziell nunmehr auf dem Posten des Kapellmeisters – erhielt den Auftrag, sich nach Italien zu verfügen und dort die nötigen Sänger zu rekrutieren. Der Dresdner Flötenlehrer und Komponist Johann Joachim Quantz erhielt eine feste Anstellung. Auch andere Musiker wurden verpflichtet, darunter Carl Philipp Emanuel Bach. Aus der Diaspora gingen die beiden Residenzstädte Berlin und Potsdam schließlich als Musik-Hochburgen hervor.

Friedrich der Große, dessen 300. Geburtstag in diesem Jahr mit einer unübersehbaren Flut von Büchern, mit Ausstellungen und Vorträgen in der brandenburgischen Landeshauptstadt ausgiebig gefeiert wurde, gab 2012 auch mit seinem kompositorischen Wirken und das seiner Hofkapellisten musikalisch den Ton an. Neue, manchmal auch anregende Einblicke in das Musikleben am preußischen Hof und darüber hinaus wurden den Zuhörern vermittelt. Den Beginn machten Anfang des Jahres die Kammerakademie Potsdam und der Weltklasse-Flötist Emanuel Pahud. In ihrem gemeinsamen Konzert im Nikolaisaal offerierten sie Werke des Monarchen und der Mitglieder seiner Hofkapelle. Zuvor haben sie für die Nachwelt ein CD-Doppelalbum produziert, das auf dem Markt großen Erfolg hat. Ebenfalls in den Tagen um Friedrichs Geburtstag offerierten die Musikfestspiele im Schlosstheater die Wiederaufnahme der erfolgreichen Operninszenierung „Montezuma“ mit dem Text des Preußenkönigs und der Musik von Carl Heinrich Graun.

Von April bis Ende Oktober wurde jedermann in die große Friedrich-Ausstellung im Neuen Palais unter dem Titel „Friederisiko“ eingeladen. Wer zur Mittagsstunde erschien, hatte das Glück, an „Barock um Eins“ teilzunehmen. In 161 Veranstaltungen, organisiert von den Musikfestspielen Potsdam Sanssouci, musizierten im Schlosstheater dreißig Minuten lang Potsdamer Flötisten, Violinisten, Cellisten oder Cembalisten Kompositionen des Königs und seiner Zeitgenossen. Die Besucher erhielten einen facettenreichen Einblick in die intime Musikwelt Preußens und des 18. Jahrhunderts überhaupt.

Klar, dass die 70 Veranstaltungen der Musikfestspiele Friedrich dem Großen gewidmet waren. Im Titel „Rührt Euch!“ wurde der militärische Befehl jedoch nur augenzwinkernd verstanden, vielmehr wollten die Veranstalter mit der aufgeführten Musik, die zur Zeit des Königs entstand, die Herzen rühren und berühren. Echte Natürlichkeit und größere Emotionen haben die zeitgenössischen Komponisten des Herrschers in ihren Werken angestrebt. Die 14 Festival-Tage hielten wieder ein weitgespanntes Musik-Panorama parat, das Friedrich nicht vordergründig in den Fokus rückte, auch nicht sein geliebtes Instrument, die Flöte, sondern ein spannendes Zeitalter mit seinen progressiven Ideen. Zu den Konzerten und Opernaufführungen mit Stars der internationalen Alte-Musik-Szene, die an den verschiedensten Originalschauplätzen auftraten, kamen rund 14 000 Besucher aus ganz Europa.

Das Geburtstagsjahr des Königs haben natürlich auch viele Künstler der Stadt zum Anlass genommen, Friedrich eine musikalische Hommage zukommen zu lassen. So hatte der Verein zur Förderung musikalisch-literarischer Soireen mit Kammermusik in der Friedrich-Ausstellung am neuen Standort des Potsdam-Museums im Alten Rathaus sehr für sich eingenommen, auch der Nikolaichor, die Neue Potsdamer Hofkapelle unter der Leitung von Kantor Björn O. Wiede konnten mit selten aufgeführten geistlichen Oratorien von Carl Philipp Emanuel Bach und Carl Heinrich Graun in der St. Nikolaikirche Aufmerksamkeit für sich gewinnen. Als erfrischenden Kontrast zu den sich oftmals ins allzu Feierliche steigernden Geburtstagsveranstaltungen hat der Brandenburgische Verein Neue Musik sein Festival „Intersonanzen“ entgegengesetzt. Der Schöngeist und Feldherr stand zwar auch im Mittelpunkt, doch Komponisten von heute setzten sich mit ihm in oftmals spannenden, ungewohnten Klängen kritisch oder ironisch auseinander.

Zwar war Friedrich 2012 in Potsdams Konzertsälen der Hauptprotagonist, doch die Musikszene der Stadt hatte natürlich noch mehr im Angebot. Da ist der Nikolaisaal mit den verschiedenen Facetten von Konzerten für Klassik-Liebhaber, Jazz- oder Filmmusikfreunden sowie für Kinder, die man für die Musik begeistern möchte. Die Kammerakademie Potsdam gehört auch hierbei zu den Impulsgebern. Der national renommierte Klangkörper ist neben dem Brandenburgischen Staatsorchester Frankfurt/Oder, dem Deutschen Filmorchester Babelsberg und den Brandenburger Symphonikern das wichtigste Standbein des Konzertlebens im Nikolaisaal. Auf insgesamt 488 Veranstaltungen können in diesem Jahr die Musikfestspiele und die Nikolaisaal gGmbH mit ihren 13 Mitarbeitern verweisen.

Potsdams Musikszene ist vielgestaltig. Das ist seit Jahr und Tag eine wunderbare unüberhörbare Realität. Dazu gehören die „Winteroper“ der Kammerakademie und das Hans Otto Theaters, die 2012 mit Glucks „Orfeo ed Euridice“ und Mozarts „Figaro“ wieder Zuschauer aus nah und fern ins Schlosstheater lockte, die Cammermusik Potsdam unter der Leitung des Violinisten Wolfgang Hasleder, die mit nachhaltigen Alte-Musik-Veranstaltungen aus der Landeshauptstadt nicht mehr wegzudenken ist.

Einen Hauptanteil am musikalischen Leben der Stadt leistet nach wie vor die Musica sacra. Der Verein „Musik an der Erlöserkirche“ mit seinen Chören, dem Neuen Kammerorchester Potsdam, die unter dem Dirigat von Ud Joffe musizieren, der auch das anregende Festival „Vocalise“ bestreitet, gehört mittlerweile zu einem wichtigen Konzert-Initiator Potsdams. Und noch ein weiteres Festival hat die Herzen der Musikfreunde längst erobert: der Internationale Orgelsommer in der Friedens- und Erlöserkirche. Matthias Jacob, Kantor der Friedenskirche, hat auch in diesem Jahr international bekannte Organisten zu Konzerten an die „Königinnen der Instrumente“ geholt. Mit seinem hervorragend disponierten Oratorienchor und dem Staatsorchester Frankfurt hat er außerdem für einen mitreißenden musikalischen Höhepunkt in Potsdam gesorgt, die Aufführung des 100. Psalms von Max Reger. Ein lang gehegter Wunsch Jacobs ging in Erfüllung.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })