
© Manfred Thomas
Kultur in Potsdam: Heute auch mal mit dem Luxuszug
Particia Schultz stellte in Potsdam die Neuauflage von „1000 Places to see before you die“ vor
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Ein Foto soll gemacht werden. Die erfolgreiche Autorin aus Übersee, Perlenkette inklusive, stilvoll am weißen Kamin lehnend. Die Regieanweisungen vom Fotografen kommen in Deutsch, dennoch, die Amerikanerin macht es ihm einfach, unaufgeregt blättert sie mal im Buch, lächelt, schaut auf, bewegt sich vor und zurück. „Ich beobachte seine Hände und weiß auch ohne Sprache, was er will“, sagt sie später.
Particia Schultz ist Profi. Gerade ist die zweite Ausgabe, eigentlich eine Neuausgabe ihres Bestsellers „1000 Places to see before you die“ in 25 Sprachen, darunter auch in Deutsch, im h. f. ullmann-Verlag erschienen. Anlass für die Amerikanerin, die in New York City lebt, den Sitz des Verlagshauses in Potsdam zu besuchen. Sie ist ohnehin viel unterwegs, das liegt in der Natur der Dinge. Aber nein, sie bereite sich nicht auf das Sterben vor, lächelt die 59-Jährige, in Anspielung auf den Titel des Buches gefragt, ob es da einen Zusammenhang gebe.
Vor fast elf Jahren war sie das letzte Mal in Potsdam, danach noch einmal in Berlin. „Alles hier verändert sich so rasend schnell, du drehst dich einmal um und bist verloren“, sagt sie. Auch deshalb war ihr bereits kurz nach Erscheinen der Erstausgabe des Buches klar, dass eine zweite folgen musste. 200 weitere Ziele stopfte sie in gut 1100 Seiten, komprimierte vieles, damit nichts Wesentliches auf der Strecke bleiben musste.
Dass es Potsdam überhaupt unter die 1000 sehenswerten Reiseziele der Welt geschafft hat, tröstet allerdings kaum darüber hinweg, dass nur die Schlösser Sanssouci und Cecilienhof auf insgesamt einer halben Seite näher benannt werden. Heute tue es ihr leid, dass sie das Neue Palais damals etwas stiefmütterlich behandelt habe, sagt Schultz, und ja, natürlich würde sie gern die Ausstellung „Friederisiko“ besuchen, da sie nun schon mal hier ist.
Es ist heiß an diesem Tag, der Jetlag scheint der Vielfliegerin nichts anzuhaben („Nehmen Sie im Flugzeug bloß keine Schlaftabletten!“), und gleich im Anschluss an dieses und ein weiteres Interview wird sie einen Spaziergang im Neuen Garten machen. „Sie haben es so gut hier“, sagt sie, denkt an ihr Appartment in NYC, den Krach, den Dreck, ihren polnischen 86-jährigen Vermieter, der sie gebeten hat, doch endlich ein Buch zu schreiben mit dem Titel „10 Places to go before you die“. Dann könnte er anfangen zu sparen.
Aber Particia Schultz weiß, dass es mit zehn nicht getan ist. Die heute 59-Jährige stammt wie viele Amerikaner aus einer Einwandererfamilie, Vaters Vorfahren Deutsche, die der Mutter Italiener. Deutsch ist ihr Name und der Anspruch an sich selbst, wenn sie etwas macht, es gut und richtig zu tun und stolz darauf zu sein.
Italienisch ist die Liebe zum Chaos, zur Improvisation, zur Flexibilität. Nur so kann sie bis heute ihren Traum, ihr Leben leben. Nach dem Studium, Linguistik und romanische Sprachen („Aber ich konnte nicht mal eine Speisekarte lesen!“), reist sie nach Europa. Und hört nicht wieder auf. Verbringt fünf Jahre in Florence, danach Afrika, dann wieder Europa. Müßig, das alles aufzuzählen. Zeitweise ist sie mit Rucksack und Schlafsack unterwegs, nimmt jede Art von Job an, als Sprachlehrerin oder in Touristenshops. „Man muss schon ein bisschen einfallsreich sein“, sagt sie.
Amerikanisch ist das nicht. Sie weiß das. „Mein Gott“, sagt sie zutiefst verwundert, „meine eigene Schwester besitzt nicht einmal einen Reisepass!“
Sie hat bereits an mehreren Reisebüchern mit geschrieben, „1000 Places“ über Kanada herausgegeben und nun die ganze Welt erkundet, auch wenn ihr dabei ein Team aus etlichen Helfern zur Seite stand, Spezialisten und Autoren, die die Recherche vor Ort übernahmen oder überprüften.
Die nächste Reise ist schon geplant und egal ob aus privater oder beruflicher Neugier – stets wird das Wichtigste in einem virtuellem Notizbuch abgespeichert. Diesmal geht es, nach nur vier Tagen Zwischenstopp zu Hause, im Luxuszug durch Spanien, vom Baskenland nach Südfrankreich, um sich dort die prähistorischen Höhlenmalereien anzuschauen. Jetzt ist schon mal der Luxuszug angesagt, Rucksack war gestern, das gibt sie gern zu. Man wird ja nicht jünger. Hotels statt Schlafsack, aber immer noch nutzt sie landestypische Verkehrsmittel, da darf es dann auch mal ein afrikanisches Sammeltaxi sein. Natürlich sei sie schon mal in Situationen geraten, die sie lieber nicht noch einmal erleben möchte, ein ruhiges Pflaster ist auch NYC nicht. Sie wisse, wie weit und wohin sie gehen könne.
„Ich war nicht im Irak, ich war nicht in Nord Korea“, sagt sie kurz angebunden als Erklärung. Aber alles sei ja ständig in Veränderung, die politische Lage. Und deshalb kommt vielleicht noch mal, irgendwann, eine neue Auflage, mit neuen Ländern, die man dann bereisen kann, statt am Kamin zu lehnen. Letzteres sagt sie nicht, aber das muss man einfach denken.
Herausforderungen gibt es auch so genügend. Wenn die bitterarmen Gastgeber das Kostbarste, was die Speisekammer hergibt, dem Besucher auftischen wie 100 Jahre in Sake eingelagerte Schlange oder knusprig gebackenes Meerschweinchen, ist auch Particias Schmerzgrenze erreicht. „Da hilft nur schnell runterschlucken“, sagt sie und schüttelt sich. Ein Steak mit einem Glas Wein sei ihr, der halben Italienerin, jetzt mit einem griechischen Gastronomen verheiratet, wesentlich lieber. Und Speisekarten lesen könne sie mittlerweile auch.
Die Neuausgabe von „1000 Places to see before you die“ (zu deutsch: „1000 Orte, die man vor dem Sterben sehen sollte) von Patricia Schultz ist beim Potsdamer Verlag h. f. ullmann erschienen und kostet inklusive E-book 14,99 Euro
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