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Kultur: Hiebfester Strich

Rainer Ehrt zeigt sich in den Römischen Bädern „Preußisch kariert“

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Stiefmütterchen, Vergissmeinnicht und gestutzter Buchsbaum zieren brav und pittoresk den Weg in die Römischen Bäder. Nur der aufgewühlte Himmel verkündet verheißungsvoll das Kontrastprogramm in den Innenräumen. Dort residiert ab heute Rainer Ehrt mit seiner ganz und gar nicht betulichen Preußenwelt, in der er kräftig die Säge an verklärten Bildern ansetzt. Sein Blick ist nicht der vom Thron herab, sondern der vom Bediensteten zum Fürsten hinauf. Von dieser „Untersicht“ offenbaren sich ganz andere Ein-, Quer- und Draufsichten. Da wird nicht nur wichtig, was die Könige hinterließen, sondern auch was Soldaten fühlten, die gut genug waren, ihr Fell zu verkaufen, um schnell wieder vergessen zu werden.

Schon die zwei sich auch räumlich weit entfernt gegenüber stehenden Holzfiguren zeigen den Spagat, den der Brandenburgische Kunstpreisträger immer wieder sucht. Die Kolossalköpfe zeigen Friedrich und seinen Grenadier. Das von tiefen Lebenslinien durchfurchte Gesicht des Alten Fritz wirkt geradezu erdrückt von dem Riesendreispitz, an dem er schwer zu tragen hat. Auch der Grenadier ist nicht der schneidige junge Haudegen, der zur Freude seiner Gnaden aufmarschiert. Hier schält sich ein Mann aus dem Holz – des Babelsberger Parks – , dem die Last des Militärs ins Antlitz geschrieben steht. Seine weit in die Höhe ragende Mütze trägt Spuren roter Farbe: das ins Blut getauchte Vermächtnis. Schließlich wurden die Grenadiere regelrecht verheizt.

Rainer Ehrt, der Pointenmaler des feinen, aber hiebfesten Strichs, gibt keinen Geschichtsunterricht und fühlt sich doch den genauen Details verpflichtet. Seine dicht gedrängt hängenden 70 Arbeiten borden fast über in ihrer Karikier- und Fabulierlust. Menzels berühmtes Flötenkonzert persifliert er ganz ungeniert, in dem er den musizierenden Friedrich mit einer wundersamen Luftversorgungsmaschine im Keller verbunden darstellt. Eine Unterhöhlung seiner Majestät.

Auch in der Ahnengalerie preußischer Könige kommt keiner ungeschoren davon. Da reitet „F II“ hoch zu Ross mit übermächtigem Pleitegeier im Genick, steht Friedrich Wilhelm III. hölzern neben seiner melancholischen Luise, ist der Pedant Friedrich Wilhelm I. im Rollstuhl seinen Krankheiten ausgeliefert ... Genüsslich weidet sich der Maler an Schwächen und Stärken, nichts Menschliches ist ihm dabei fremd. Er leugnet auch nicht seine Nähe zu Daniel Chodowiecki,, dem „Vater der preußischen Radierkunst“, der wie er von seiner Grafik lebte, ohne sich verbiegen zu müssen.

In seinem „Königlichen Monument“ nimmt der Künstler aus Kleinmachnow Bezug auf Goya. Vor dem „Altar des Vaterlandes“ gehen Thron und Kirche eine unheilvolle Allianz ein. Davor tanzen auf Stöcken gestützt die Krüppel ein Reigen des Schattens. Auch in der sehr feinsinnig-hintergründigen Paraphrase auf „Des Kaisers neue Kleider“ nimmt er Bezug auf den Tag von Potsdam. Plastisch schält sich das Portal der Garnisonkirche heraus, aus dem der nackte Kaiser tritt. Im Bild daneben zeigt sich Ehrt eher agitatorisch grobkörnig: Der große Generalstab ist blutbefleckt, aus einigen Körpern ragen gesichtslose Köpfe mit geplatzten Granaten.

Ehrt macht es seinen Betrachtern nicht immer leicht. Er setzt viel voraus an Wissen über Preußen und an Kenntnissen in der Mythologie und Ikonografie. Doch auch ohne der Weisheit letzter Schluss versperren sich seine Bilder nicht der Offenbarung und sei es die der zeichnerisch-malerischen Kraft, die aus feinster Akribie emporsteigt.

Mit dieser Ausstellung schließt sich für Rainer Ehrt ein wichtiger Lebenskreis. „Schon mit 12 Jahren bin ich mit meinem Skizzenblock in Sanssouci herumgestiegen, entdeckte den noch versunkenen Jüdischen Friedhof, den von den Russen vereinnahmten Pfingstberg und eben auch die Römischen Bäder. Vor 20 Jahren stand ich dann als frischgebackener Absolvent der Burg Giebichenstein mit meiner Mappe unterm Arm wiederum hier und wollte ein neues grafisches Konzept einbringen. Es landete im Schreibtisch.“ Jetzt habe er eine späte, aber schöne Bestätigung seiner Arbeit. „Rainer Ehrt hätte sicher auch schon früher bei uns ausstellen können“, sagt Silke Hollender, die Kuratorin der Ausstellung, die seine Arbeiten seit Jahrzehnten mit Interesse verfolgt. „Aber Ehrt hatte sich nunmal in diesen Ort verguckt.“ Und das zu Recht. Gerade in der romantischen Entrücktheit der Römischen Bäder wirken seine augenzwinkernden, bissigen Seitenhiebe wie Paukenschläge mit schwingendem Resonanzboden. „Bei den preußischen Tugenden war der Humor nicht vertreten. Das ist mein Beitrag dazu“, so Rainer Ehrt über seine Hassliebe, die lange Wurzeln hat.

Und immer wieder neu genährt wird, wie seine ganz frisch gemalten Eingangsbilder zum Wiederaufbau des Berliner und Potsdamer Stadtschlosses sowie zur Garnisonkirche. „Die drei Bauikonen als Ölschinken zitiert“, so Silke Hollender. Ehrt malt erst seit zwei Jahren in Öl. „Das ist, als wenn man plötzlich ein ganzes Orchester zur Verfügung hat.“ Dieses greift dann auch in die Vollen, scheut sich nicht vor Disharmonien. Die Kirche steht schief, passt nicht ins heutige Format. Der König mutiert davor zum Zwerg. Rainer Ehrt ist sich sicher, dass er anders gedacht hätte, praktisch und ästhetisch nüchtern. „Die alten Preußen hatten auch Mut zum Neuen.“ Eine Kirche ohne rechte Funktion, das wäre sicher nicht nach seiner Fasson.

Eröffnung heute um 17 Uhr.

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