Schöller-Festspiele: Hinaus ins Land
Die Kulturfeste Brandenburg 2013 werben mit 900 Veranstaltungen an 100 Spielorten. Ein Neuzugang sind die Schöller-Festspiele des Regisseurs Peter Schroth. Seine schräge und witzige Version des Stücks bringt er seit drei Jahren unter großem Getöse auf dem Gestüt Neustadt/Dosse auf die Bühne.
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Nach diesem Plädoyer möchte man sich sofort Karten sichern. Dabei klingt der Titel nach Klamotte, nach verstaubtem biederen Mief. Doch anders, wenn Regisseur Peter Schroth darüber spricht. Er hat die „Pension Schöller“ 2007 mit großem Getöse und schrägem Witz auf die Bühne des Staatstheaters Cottbus gebracht und zeigt sie nun seit drei Jahren erfolgreich auf dem Gestüt Neustadt/Dosse. „Es ist ein Stück aus der Prignitz, der Störtebeker unserer Region, mit dem man einfach hausieren gehen muss“, sagte er am gestrigen Freitag begeistert, als das Programm der Kulturfeste im Land Brandenburg 2013 im T-Werk vorgestellt wurde. Seine Schöller-Festspiele sind neues Mitglied in diesem Verein, dem mittlerweile 60 Initiativen aus dem ganzen Land angehören. Wer sich durch die Broschüre blättert, die seit gestern in einer Auflage von 100 000 Exemplaren für rund 900 Veranstaltungen an 100 Spielorten wirbt, wird seine Sommerwochenenden sofort verplanen wollen. Denn es ist eine faszinierende Reise durch Klöster und Kirchen, Wiesen und Auen, die mit Musik und Theater in ein ganz besonderes Licht tritt.
Mit Philipp Klapproth, dem Gutsbesitzer aus Kyritz und der Hauptfigur aus der „Pension Schöller“, geht es auch in eine Irrenanstalt. Jedenfalls gibt sein Neffe die Pension Schöller dafür aus. „Dieser Klapproth spricht wirklich wie die Leute aus der Kleeblatt-Region“, sagt Schroth über diese Gegend zwischen Kyritz, Neustadt und Wusterhausen, in die der umtriebige Berliner Schauspieler und Regisseur gekommen ist, als er dort vor vielen Jahren ein Bauernhaus kaufte: „für die Kinder zum Spielen und für uns Eltern zum Ausruhen“. Jetzt ist er fast nur noch dort. Als er die Idee für sein Komödienfestival und die Pension Schöller hatte, steckte er mit seiner Begeisterung auch andere an. Das Cottbuser Theater schenkte ihm die Dekoration der dort inzwischen abgespielten Inszenierung, die Neue Bühne Senftenberg hilft jedes Jahr bei der Technik des Sommerangebots, das in diesem Jahr vom 26. Juli bis 4. August ausgerichtet wird. Vernetzung, wie man sie sich wünscht und wie sie auch von den Kulturfesten mit angezettelt wird.
Neu im Kulturfeste-Bund sind seit 2013 auch die Melzower Sommerkonzerte. Die vor elf Jahren gegründete Initiative im uckermärkischen Melzow schaffte es, durch ihre Einnahmen die Kirche wieder zu einem repräsentablen Ort zu machen. Erst wurde zugunsten der Orgel, dann für den Altar und in diesem Jahr für neue Glocken musiziert. Und auch die Sommerkomödie im Oderbruch, die es seit zehn Jahren gibt und die als dritter Neuling zu den Kulturfesten dazugestoßen ist, schaffte es dank ihres musikalischen Unterhaltungstheaters, einen verwaisten Ort wiederzubeleben. Der Schauspieler und Intendant Matthias Raupach erzählte im T-Werk von den gut besuchten Aufführungen im einstigen Filmtheater Bad Freienwalde. Dort gibt es im August die turbulente Hochstaplerkomödie „Frühere Verhältnisse“ aus der Feder des legendären Wiener Volksdichters Johann Nestroy, aufgeführt von einem echten Wiener Schauspielensemble im tiefsten Oderbruch.
Die neugotische Stüler-Dorfkirche in Brodowin, Fotomotiv auf der Titelseite der Jahres-Broschüre, steht nach ihrer Sanierung ebenfalls den Kulturfesten zur Verfügung. Das ökologische Modelldorf in der Schorfheide wird bereits zu Ostern mit Musikalischem und Poetischem über die Liebe den Kirchensommer eröffnen.
Insgesamt überwiegt die Musik in den Kulturfesten, die immer auch mit besonderen Orten für sich wirbt. Fünf Konzerte mit hervorragenden tschechischen Ensembles gibt es in den bedeutsamen Klöstern Brandenburgs. So ist in Zinna und Heiligengrabe die deutsche Erstaufführung der Ostermesse von Jan Dismas Zelenka zu erleben, und das Prager Tiburtina Ensemble singt in Chorin, Zinna und Lehnin gregorianische Gesänge.
Der Etat der Kulturfeste beläuft sich auf 250 000 Euro. Dafür hat er die fünf Konzerte mit böhmisch-barocker Musik in den Klosterkirchen organisiert und die Druckkosten für die Broschüre bestritten, ein reich bebildeter Kompass durch den Kultursommer. Rund 1700 Veranstaltungen an 380 Spielstätten gab es 2012. Über 320 000 Gäste besuchten die Veranstaltungen von Altfriedland bis Zepernick. „So viel wie auch 2011“, sagte Vereinschef Christoph Wichtmann. „Kultur ist ein wesentlicher Grund, warum Touristen nach Brandenburg reisen. Mehr als die Hälfte geben dies bei Umfragen als Grund für ihr Kommen an. Brandenburg ist wirklich ein Kulturland“, sagte Kulturministerin Sabine Kunst. Und das hält auch für sie immer wieder Überraschungen bereit. Denn dass man zwei Blockflöten auf einmal spielen kann, erstaunte selbst die Ministerin, die begeisternd lächeln zusah, wie Susanne Fröhlich an diesem Vormittag munter drauflosswingte.
Die Flötistin ist bei den Uckermärkischen Musikwochen im August erneut zu erleben. Auch die muss man sich also unbedingt vormerken. Und natürlich die „Pension Schöller“. Dort in Neustadt könnte man noch ein weiteres komödiantisches Schmankerl mitnehmen, Loriots „Die Ente bleibt draußen“. Aber beim Durchblättern dieses Heftchens bleibt man fast an jeder der 160 Seiten hängen.
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