Kultur: Hofgärtner in Bataillonen
Die Sellos und Nietners in einer locker geschriebenen Familienchronik
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Das Sanssouci-Lied beginnt mit den Worten „Vor allem mir Sanssouci einzig gefällt, Ich wüsste kein Zweites, so weit auch die Welt.“ Das Gedicht stammt von Aline Sello, die im Park Sanssouci an der Maulbeerallee wohnte und mit Hermann Sello, dem Hofgärtner, seit 1839 verheiratet war. „Der Frauen höchstes Glück hab’ ich gefunden!“, weiß sie in höchsten Tönen zu jubeln. Und sie erlebt, wie der Park unter den Händen ihres Mannes und der anderen Gärtner nach Vorlagen Peter Joseph Lennés immer mehr an Gestaltung zunimmt. Und Aline Sello verfasste Gedichte: Ihre überschwänglich aufgeschriebenen Sentimentalitäten sind unerreichbar. Sie wollte nicht nur die Hausfrau und Erzieherin ihrer Kinder sein, wie es zu ihrer Zeit üblich war. Aline Sello, geborene Schall hatte das Bedürfnis, etwas Eigenes zu schaffen. Nach dem Tod seiner Frau im Jahre 1866 gab ihr Mann Hermann Sello „Hinterlassene Gedichte“ und „Hinterlassene Lieder“ in Buchform heraus. Aline komponierte auch.
Sellos Frau fand nun eine Würdigung in dem Buch „Hofgärtner in Bataillonen“, das soeben von Brun Aretin und Sybille Eggert im Auftrag der Familienstiftung Hofgärtner Hermann Sello im Eigenverlag herausgegeben wurde. Diesen mit vielen Illustrationen bedachten Band stellte man während des diesjährigen Sello-Familientags im Schloss Glienicke vor. Die beiden Autoren haben eine Chronik der großen und weit verzweigten Familien Sello und Nietner geschrieben, die weit über das Interesse eines engeren Kreises hinausgeht, denn preußische Garten- und Kulturgeschichte wird trefflich beleuchtet.
„Was in Sanssouci stirbt, wird in Bornstedt begraben“. Theodor Fontane stellte bei seinem Besuch des alten Bornstedter Friedhofs fest, dass auf ihm „Hofgärtner in Bataillonen“ ihre letzte Ruhe fanden, auf einem für sie extra eingefriedeten privaten Gräberfeld. Sybille und Brun Aretin Eggert berichten in ihrem Buch auch über die Geschichte des Familienfriedhofs, die 1845 mit der Beisetzung von Louise Schnee, geborene Sello begann. Auch in unseren Tagen ist er Begräbnisstätte für Familienmitglieder.
Insgesamt bevorzugten die Autoren mehr einen erzählenden Stil als eine trockene Chronologie. Somit macht es einfach auch Spaß, das Buch zu lesen. Natürlich stehen die Sellos und die Nietners mit ihren vielfältigen gärtnerischen Aktivitäten im Dienste preußischer Könige im Mittelpunkt des Textes, angefangen mit dem Begründer der Hofgärtnerdynastie Sello, Johann Justus Sell(o), der im 18. Jahrhundert unter König Friedrich Wilhelm I. als Gärtner im Berliner Tiergarten tätig war. Er und seine Frau Rahel Güntsch wurden die Stammeltern von acht königlichen Hofgärtnern Sello und acht königlichen Hofgärtnern Nietner.
Mit Spannung liest man auch die Biografien von Familienmitgliedern, die nicht den Beruf des Gärtners nachgingen. So von Friedrich Sello, Sohn des Hofgärtners Carl Julius Samuel Sello, der für den Marlygarten verantwortlich war. Anfang des 19. Jahrhunderts ging er als Forschungsreisender nach Brasilien. Natürlich erlernte auch er den Beruf eines Gärtners, doch den Naturwissenschaften – vor allem der Botanik - galt sein besonderes Interesse. Und so begann er 1815 eine Expedition nach Brasilien und Uruguay. Sello sammelte unentwegt Pflanzen. Seine botanische Sammlung umfasste rund 60000 Exemplare, die an den Botanischen Garten in Berlin gingen. Die zoologischen Exponate erhielt das Naturkundemuseum. Johannes Nietner machte sich als Forscher ebenfalls einen Namen. Er forschte die Pflanzen- und Insektenwelt auf Ceylon, heute Sri Lanka. Als Gärtner und Besitzer einer Kaffeeplantage siedelte er sich ab 1851 in dem Land an.
Auch der Architekt des Königs, Ludwig Persius, gehörte zur Sello-Familie. Er heiratete Pauline, die Schwester Hermann Sellos. Der hoch begabte Persius entwarf auch im italienischen Villenstil das Haus von Aline und Hermann Sello an der Maulbeerallee. Er starb 1845 schon mit 42 Jahren. Seine Ruhestätte wurde der Bornstedter Friedhof.
Hermann Schnee, dessen Mutter Louise eine geborene Sello war, konnte sich zu seiner Zeit als geachteter Maler vor allem von biedermeierlich wirkenden Bildern etablieren. Gern wählte der Künstler Motive aus Potsdam und dem Park Sanssouci. „Die neuen künstlerischen Auffassungen seiner Kollegen wie beispielsweise die von Lovis Corinth oder Max Liebermann negierte Schnee jedoch hartnäckig.
Zu den Bildern Schnees passen die Gedichte Aline Sellos. Ein Arkadien wollten sie schaffen in Wort und Bild, die Gärtner der Familie nicht anders. Doch deren Betrachter, auch die von heute, spüren auf Schritt und Tritt in den ehemaligen königlichen Gärten: Hier ist große Kunst entstanden.
Hofgärtner in Bataillonen, Familienchronik der Hofgärtnerfamilien Sello und Nietner, 29 Euro. Bezug der Bücher über contact@hofgaertner-sello.de
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