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Kultur: Im Räderwerk gefangen

Die Galerie Töplitz beginnt Ausstellungssaison mit dem Künstlerpaar Müller und einem Kulturpreis

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Die Galerie Töplitz beginnt Ausstellungssaison mit dem Künstlerpaar Müller und einem Kulturpreis Wenn morgen in der Galerie Töplitz das neue Ausstellungsjahr eingeläutet wird, geschieht dies mit einem „Paukenschlag“. Für ihr Engagement bei der Förderung von Kultur und Kunst auf ehrenamtlicher Basis erhält der Galerie betreibende Verein Havel-Land-Art den Kulturpreis der Sozialdemokratischen Gemeinschaft für Kommunalpolitik in Brandenburg. „180 Vereine haben sich um diese mit 1000 Euro dotierte Auszeichnung beworben und wir gehören neben Schöneiche und Perleberg zu den Gewinnern“, freut sich Marianne Kreutzberger, die seit Jahren ein gutes Händchen bei der Auswahl der Künstler beweist. Längst hat sich die kleine rustikale Kunststätte auch bei renommierten Malern und Bildhauern einen Namen gemacht, so dass selbst „Altmeister“ wie Johannes Grützke und Christian Höpfner den Weg auf die Insel nicht scheuen. Doch bevor diese beiden Vertreter der Berliner Schule im Juni den Töplitzern ihre Aufwartung machen, hat jetzt erst einmal die Leipziger Malergilde das Sagen. In den Arbeiten von Hans-Peter Müller und seiner bulgarischen Ehefrau Alexandra Müller-Jontschewa spiegelt sich trefflich die hohe Kunst der akribischen, altmeisterlichen Pinselführung und der verdichteten, symbolträchtigen Sprache, wie sie ihnen einst Werner Tübke und Bernhard Heisig mit auf den Weg gaben. Beim ersten flüchtigen Blick in die Ausstellung scheinen sich die Werke der Müllers zu verschmelzen. Beide Künstler gehen auf Tuchfühlung zur Realität und sind doch meilenweit von ihr entfernt. Dem rätselhaft Magischen gilt es, auf die Spur zu kommen. Alexandra Müller-Jontschewa ist seit Jahren ihren Marionetten in Ritterrüstung verfallen. Sie träumen von der großen Freiheit und glauben, alles bewegen zu können. Doch es wird sich nichts bewegen. Die von einem Räderwerk angetriebenen gepanzerten Helden verharren auf der Stelle. Das eigenständige Handeln ist in Stricke gelegt. Selbst Justitias Waagschale bleibt fremd gesteuert. Die surrealen Bildgeschichten quillen über vor Details und erwarten vom Betrachter ein tiefes Hineintauchen, das immer wieder neue Assoziationen loszutreten vermag. Zwar kreisen ihre Bilder um das gesellschaftskritische Thema des Stillstands, doch die Künstlerin erfindet in lustvoller Freude ständig neue Geschichten dazu, die an den glücklosen Ritter Don Quichotte und seines Knappen Sancho Pansa erinnern. Doch während dieses Gespann abenteuerlustig durch die Welt zog, müssen Alexandra Müller-Jontschewas Ritter auf der Stelle treten – eingefasst in einem alten Karton, der im Kontrast zu dem glänzenden Räderwerk steht. Vorbild für diese technisch ausgeklügelten Systeme sind alte Geräte, die sie von einem befreundeten Uhrenmacher geschenkt bekam und die ihr nun „Modell“ stehen. Während ihre unergründlichen, zwischen Melancholie und Heiterkeit schwebenden Bildschöpfungen durchaus auch farbliche Akzente setzen, geht Hans-Peter Müller fast monochrom zu Werke. Er fühlt sich ganz in der Tradition der Renaissance. Die übereinander lagernden Farbschichten verdichten sich zu einer fühlbaren Tiefe. Auch bei ihm ist nichts auf die Schnelle zu haben. Seine Arbeiten sind durchdrungen von antiken Mythen und biblischen Geschichten, deren Entschlüsselung aber nicht unabdingbareVoraussetzung für den Kunstgenuss ist. Doch wie im Katalog vermerkt, steht der analysegewohnte Betrachter ohne die Bildtitel recht hilflos vor den Leinwänden. Doch auch das Ungefähre versprüht einen imaginären Zauber, von dem man sich gern umfangen lässt. Beide Künstler, die sich nach dem Studium auf einen thüringischen Vierseitenhof zurück gezogen haben, brachen nach dem Mauerfall mit großer Lust in die Welt auf und erkannten vor allem den Mittelmeerraum als ihr Refugium. Und dort stellen sie auch immer wieder aus. Zur Zeit schwirren ihre Werke in Portugal und vor allem in Frankreich umher, wo ihre surreale Bilderwelt die meisten Liebhaber findet. Deutschland ist ihnen längst zu eng geworden. Kunstliebhabern in den religiös sehr stark geprägten Ländern offenbart sich der Sinngehalt von Hans-Peter Müllers Bildern sicher leichter: seine Auseinandersetzung mit katholischen und auch ketzerischen Traditionen. Hans-Peter Müller ist aber nicht nur Meister der fast fotografisch-genauen Maltechnik, er hat sich autodidaktisch auch als Bildhauer eine sehr bemerkenswerte „Sprache“ zu eigen gemacht. Hier wird das Gefühl mit beiden Händen gepackt, die Kopflastigkeit zurückgedrängt. Seine zumeist aus Kupfer geformten fragilen Gebilde lassen den profunden Kenner des menschlichen Körpers aufleuchten und zeigen zugleich dessen große Verletzlichkeit. Das Bruchstückhafte des Torso wird von ihm auf den Sockel gehoben, ohne es zu glorifizieren. „Ich fange bei der Figur meist mit der Fußsohle an, die man am Ende gar nicht sieht“, so der ganz locker daher kommende „Grübler“. Sind es für Hans-Peter Müller die Skulpturen, die zu seinem künstlerischen Gleichgewicht gehören, malt seine Frau zwischen ihren sorgfältig in Szene gesetzten „Marionettenspielen“ Wasserstücke „zum ,Abdampfen““ – dem Traumhaften sind beide auf Dauer erlegen. Heidi Jäger Die Vernissage ist morgen um 17 Uhr. Zuvor gibt es um 16 Uhr in der Kirche nebenan ein Konzert mit Werken von Telemann und Wilhelm Friedemann Bach.

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