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Rarität. Ein Brief Theodor Fontanes an Georg Friedlaender vom 12.Oktober 1892.

© Andreas Klaer

Von Klaus Büstrin: Im Vertrauen

Fontane-Archiv erwarb zwei der prominentesten Briefschaften Fontanes

Stand:

Unter einer Altersdepression litt Theodor Fontane zehn Jahre vor seinem Tod. Da war er 68 Jahre alt. Freundschaft und Liebe würden immer mehr verschwinden und man lebe in einer Welt voller Mängel, konstatierte er. „Nur das bleibt bestehn: lieber Einsamkeit und ein Buch und eine Zeitung als schlechte Gesellschaft“, schrieb er am 12. November 1888 an Georg Friedlaender (1843-1914). In der Gegenwart des Amtsgerichtsrats in Schmiedeberg fühlte er sich jedoch anscheinend wohl. 1884 lernten sich beide während einer Sommerfrische Fontanes in Krummhübel im Riesengebirge kennen und schätzen. Friedlaender wurde für Fontane schließlich einer der wichtigsten Briefpartner.

Im November 2010 tauchte die Korrespondenz des Dichters an den Juristen im Hamburger Auktionshaus Hauswedell & Nodell auf. Das Potsdamer Fontane-Archiv setzte alles daran, dies kostbare Konvolut in seinen Besitz zu bekommen: 276 Briefe und Postkarten mit über 1000 beschriebenen Seiten. Angeboten wurden auch 56 Briefe mit 142 beschriebenen Seiten und drei Postkarten, die Fontane an den Berliner Sprachphilosophen Fritz Mauthner (1849-1923) schrieb. Beide Brief-Nachlassenschaften befanden sich bislang in den jeweiligen Familien.

Mit Unterstützung des Landes Brandenburg, der Kulturstiftung der Länder sowie der Ostdeutschen Sparkassenstiftung konnten die Konvolute erworben werden. Mit einer sechsstelligen Summe. Den genauen Betrag verrieten Kulturministerin Sabine Kunst, Isabell Pfeiffer-Poensgen von der Kulturstiftung, Claus-Friedrich Holtmann von der Sparkassenstiftung sowie Fontane-Archiv-Chefin Hanna Delf von Wolzogen bei der Vorstellung der Erwerbung am Donnerstag Abend in der Villa Quandt nicht. „Freuen wir uns auf die Erwerbungen, die als herausragende Stücke des kulturellen Erbes gelten“, sagte Isabell Pfeifer-Poensgen. Das Fontanearchiv sei der richtige Aufbewahrungsort für die Korrespondenzen, hier würde hervorragende wissenschaftliche Arbeit geleistet, meinte die Kulturministerin. Hanna Delf von Wolzogen kündigte an, dass die beiden Briefkonvolute im Rahmen der historisch-kritischen Edition des gesamten Fontaneschen Briefwerks veröffentlicht werden. Auch eine Veröffentlichung in gedruckter Form sowie als Internetplattform soll vorbereitet werden.

„Ohne Vermögen, ohne Familienanhang, ohne Schulung und Wissen, ohne robuste Gesundheit bin ich ins Leben getreten, mit nichts ausgerüstet als einem poetischen Talent und einer schlecht sitzenden Hose. (Auf dem Knie immer Beutel.)“, schrieb am 3. Oktober 1893 Fontane an Friedlaender. Von Zurücksetzungen, Zweifeln oder Achselzucken und Lächeln der Zeitgenossen. „Ich habe das Leben immer genommen, wie ich’s fand und mich ihm unterworfen. Das heißt nach außen hin; in meinem Gemüte nicht.“ Friedlaender, der literarische Ambitionen hegte, vertraut er seine Seelenlage an. Doch auch das kunterbunte Leben wird nicht außer Acht gelassen. Aktuelle Politik, die preußische Gesellschaft, das Militärwesen, die moderne Kunst und Literatur in Deutschland gehörten zu den Themen. Doch auch so manch lokale Begebenheit wurde nicht ausgeschlossen. Theodor Fontane las mit großer Aufmerksamkeit von Ereignissen in Schlesien, die Friedlaender ihm mitteilte. Sie galten für den Dichter in Berlin als literarische Quelle, so für für den kriminalistisch angehauchten Roman „Quitt“ oder für den köstlichen Erzählungs-Sammelband „Von, vor und nach der Reise“.

In den Wirren des Zweiten Weltkrieges und der Vertreibung aus Schlesien im Jahre 1945 konnte Elisabeth, die Tochters Friedlaenders, die Fontane-Briefe im Umschlagblättern retten. 1954 wurde die Korrespondenz von Kurt Schreinert erstmals veröffentlicht. Man war über die Offenheit des Dichters erstaunt. „In den Briefen trat ein unbekannter Fontane an die Öffentlichkeit, ein scharfzüngiger Spötter und Kritiker von Menschen und Verhältnissen“, sagte die Archivleiterin. Leider hat Emilie Fontane, die Frau des Dichters, die Briefe Friedlaenders an ihren Mann vernichtet.

Waren die Schreiben an den Amtsgerichtsrat weitgehend von Vertrauen und freundschaftlichen Empfindungen geprägt, Emotionen fielen nicht unter den Tisch, so war der Ton zwischen Fontane und Fritz Mauthner ganz auf die Sache bedacht. Man korrespondierte von Kollege zu Kollege. Mauthner war eine stadtbekannte Persönlichkeit in Berlin, Theaterkritiker beim Berliner Tageblatt (Fontane schrieb für die „Vossische Zeitung“ Kritiken) und einflussreicher Sprachphilosoph. Er war Mitbegründer der „Zwanglosen Gesellschaft“, der unter anderen auch Otto Brahm, Max Halbe und Gerhart Hauptmann angehörten. Mauthner versuchte sich auch am Schreiben von Berlin-Romanen und gab die Zeitschrift „Deutschland“ heraus. In ihr wurde Fontanes Roman „Stine“ als Vorabdruck veröffentlicht. Im Briefwechsel zwischen den beiden Kollegen steht das kulturelle und literarische Leben Berlins im Vordergrund. Über gemeinsam erlebte Theateraufführungen ist jedoch keine Rede.

Fritz Mauthner veranlasste, dass nach seinem Tod die Briefe, die Fontane an ihn schrieb, nicht veröffentlicht werden sollten. „1984/85 gestatteten jedoch die Erben, die erste und einzige Publikation in den ,Fontane Blättern‘ des Potsdamer Literaturarchivs zu publizieren“, sagte Hanna Delf von Wolzogen. „Man spürte, dass die Familie den hohen Wert dieses Konvoluts kannte. Die Originale wurden von der Familie fein säuberlich in einer Nappaledermappe aufbewahrt.“ Nun gehören sie zu den erworbenen Perlen des Fontane-Archivs in Potsdam, das über 80 Prozent der heute bekannten Briefe des Dichters aufbewahrt.

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