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Kultur: Im Zerrbild der Geschichte

Zum heutigen 295. Geburtstag des preußischen Königs Friedrich II.

Stand:

Der Alte Fritz! Nein. Friedrich der Große! Nein. Die Lehrer in der Schule wollten ihn, wenn sie den preußischen König erwähnten, ganz sachlich benennen, als Friedrich II. Dennoch, die Bezeichnungen Alter Fritz und Friedrich der Große waren auch zu DDR-Zeiten in vielen Kreisen der Bevölkerung gang und gäbe.

Wenn die Pädagogen in den Schulen Ende der fünfziger Jahre ihren Schülern über Friedrich II. berichten sollten, war das nicht gerade sehr üppig. Lediglich in der siebenten Klasse, als der Siebenjährige Krieg Lehrstoff war, wurde der Name des Königs erwähnt, jedoch nur einseitig negativ. Man titulierte ihn als Militaristen. Die nahegelegenen Schlösser und Parkanlagen spielten nur insofern eine Rolle, weil man an ihren Beispielen verkündet konnte, der König hätte sich auf Kosten der Bevölkerung solche kunstvollen Areale geschaffen. Klassenbesuche galten damals auch einem Hohenzollernschloss, dem Schloss Cecilienhof. Aber das Gebäude wurde ausgewählt, weil man anhand der Potsdamer Konferenz 1945 erklären konnte, dass die „ruhmreiche Sowjetunion“ vor allen dem Hitlerfaschismus die Stirn geboten habe.

„Was Schüler von Friedrich II. wissen sollten“. So nannte man 1977 eine Unterrichtshilfe für Geschichtslehrer. Darin wurde gleich das Erkenntnisziel für die Schüler mitgeliefert: „Reaktionäre Geschichtsschreiber behaupten, der preußische Staat habe besonders unter Friedrich II. für das deutsche Volk Nützliches geleistet. In Wirklichkeit aber zeigte sich gerade unter diesem König der antinationale Charakter des junkerlich-preußischen Militarismus, weil die gesamte Politik des Staates der Unterdrückung des eigenen Volkes und der Eroberung anderer Länder diente. Das hat den weiteren Verlauf der deutschen Geschichte ungünstig beeinflusst.“

Schüler einer 9. Klasse wussten beispielsweise bei einer Befragung des Brandenburger Theaters anlässlich der Inszenierung „Die Preußen kommen“ 1986 folgende schriftliche Auskünfte über den König zu geben: Der alte Fritz, legte Geldstrafe auf Bibertötung; Friedrich der II. war Preußenkönig. Sein Schloss war das Schloss Sangsossi. Da steht er als Denkmal. Er machte sehr viele Kriege z.B. gegen die Sachsen; Kind eines Soldaten, regierte aus Preußen; war Heerführer, hatte viele, viele Frauen, führte den 7jährigen Krieg, erfand die Folter; In Präusen König, Militarist, war stark und konnte ein Pferd köpfen. Hat viele Kinder gehabt. Erfinder von schlechten Sachen; Friedrich II. lebte auf der Wartburg. Dieses erschreckende Unwissen von Schülern wirft ein Licht auf den Geschichtsunterricht in den DDR-Schulen.

Am 26. August 1980 gab SED-Generalsekretär Erich Honecker in einem Interview für eine US–Zeitung den „Startschuss“ für die Preußen-Beschäftigung: „Die deutsche Arbeiterklasse hatte schon immer ein lebendiges Verhältnis zur Geschichte. Es entspricht unserem Weltbild, die Geschichte in ihrem objektiven tatsächlichen Verlauf, in ihrer gesamten Dialektik zu erfassen.“ Honecker kündigte an, dass das große Rauch’sche Reiterstandbild Friedrich des Großen (so nannte der Parteichef bereits den König) im Lindenforum auf der Berliner Friedrichstraße wieder seinen Platz bekommen würde. 1980 begannen dann die Arbeiten zur Denkmal-Aufstellung. Vorher stand es etwas versteckt im Hippodrom im Park Sanssouci.

Von nun an war es staatlicherseits erlaubt, ein etwas umfassenderes Bild von Friedrich II. der Öffentlichkeit zu vermitteln. Die Historikerin Ingrid Mittenzwei schrieb ein Buch über den König, dessen Ansichten man heutzutage sehr differenziert betrachten kann, Claus Hammel verfasste eine viel gespielte Komödie über den Umgang mit der Geschichte. Zum 200. Todestag Friedrich des Großen gab es 1986 eine große Ausstellung mit dem Titel „Friedrich II. und die Kunst“ im Neuen Palais. Der Andrang zu dieser Schau war immens, die Besucherschlangen ebbten wochenlang nicht ab. Sie verdeutlichten, dass das Interesse der Ostdeutschen an Geschichte, insonderheit der preußischen, sich nicht durch ideologische Zwänge, die auch durch einen unbefriedigenden Geschichtsunterricht verursacht wurden, nicht unterzukriegen war. Für viele bestand Nachholebedarf.

Seit der Wende gibt es Bücher über Preußen und Friedrich den Großen in Hülle und Fülle. Man kann sich umfassend über alle Hohenzollern-Monarchen informieren, in einseitig verherrlichenden Texten, in historisch differenzierten Biografien und Auslegungen, in mannigfaltigen Veranstaltungen. Doch würde man heute Schüler im Potsdamer Raum nach Friedrich II. befragen, so würde man sicherlich noch immer erstaunt sein über ihr Nichtwissen – nicht viel anders als zu DDR-Zeiten. Ist das Desinteresse?

Friedrich der Große selbst hatte ein nüchtern-distanziertes Verhältnis zum eigenen Nachruhm. „Besonders von der Gunst der Geschichtsschreiber hängt der Ruf der Fürsten ab“, schrieb er an Voltaire. Sein Ruf erlebte ein Auf und Ab. Aber sein Platz in der Geschichte ist ihm sicher geblieben, egal, welche Gesellschaftsordnungen sich manifestierten.

Heute um 8.45 Uhr Ehrung für Friedrich II. an seinem Grab auf den Terrassen des Schlosses Sanssouci

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