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Kultur: In einem Ritt nicht zu nehmen

Die neue Dauerausstellung „Babelsberg – Gesichter einer Filmstadt“ im Filmmuseum

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Die neue Dauerausstellung „Babelsberg – Gesichter einer Filmstadt“ im Filmmuseum Von Heidi Jäger Der lange schmale Gang wirkt wie eine Schlucht – kühl und fast erschlagend. Man zögert einzutauchen, sucht nach einem Halt. Irritiert streifen die Blicke über die hohen Wände, versuchen einen Anfang zu finden. Doch die sich weit über Augenhöhe verlierende Schrift verschwimmt. Die neue Dauerausstellung „Babelsberg – Gesichter einer Filmstadt“ des Filmmuseums macht es schwer, einen Einstieg zu finden, den Faden der Geschichte aufzunehmen. Also schlendert man am besten erst einmal durch die Zeitschneise hindurch, die die Verquickung von Film- und Zeitgeschichte erzählt. Der zweite Gang des längs geteilten Marstalls ist großzügiger ausgelegt. Hier atmet der Raum, bekommen die Exponate ein anderes Gewicht. Man kann es sich in der Hölle von „Hans Röckle und der Teufel“ gemütlich machen und erst einmal in Kontakt zu der vor Informationen überbordenden Schau treten. Von hier aus gibt es Haltepunkte, die das Interesse heraus kitzeln. Also ein zweiter Start. Wieder führt der Zeitstrahl von den Anfängen der DEFA bis zu ihrem jähen Ende – doch jetzt in anderer Erzählart, was sich allerdings auch erst allmählich erschließt. Werden im ersten Gang nur wenige Filme herausgepickt und unter einem bestimmten Aspekt gestellt, geht es im zweiten feingliedriger und übersichtsartiger zur Sache. Kostüme, Requisiten, Modelle, Drehbücher, Plakate, Fotos, Szenenbildentwürfe – ein bunter Mix filmischer Reliquien bringen die Erinnerung in Schwung. Da führen der erste DEFA-Spielfilm „Die Mörder sind unter uns“ von Wolfgang Staudte oder Kurt Maetzigs „Die Buntkarierten“ zurück in die Anfangsjahre, als sich die Filmemacher einschworen, ihre Kunst gegen Krieg und Faschismus einzusetzen. In den 50er Jahren zeigte sich die DEFA weltoffen, kooperierte gleich vier Mal mit Frankreich: Stars wie Jean Gabin, Simone Signoret, Yves Montand und sogar der Mädchenschwarm Gérard Philipe reisten an die Havel. „Eine Berliner Romanze“ (1956) erinnert daran, wie sich die 18-jährige Annekathrin Bürger bei ihrem ersten Film in den Hauptdarsteller Ulrich Thein verliebte. Gern zieht man immer wieder die vielen kleinen Schubfächer unter den Glasvitrinen auf, die über Filminhalte, Menschen vor und hinter der Kamera oder eben nette Anekdoten berichten. Kleine Inszenierungen lassen weiter reichende Gedankenspiele zu. Da ist Barlachs „Verlorener Engel“ als Kopie schwebend an der Decke angebracht. Doch viel ist von ihm nicht zu sehen. Nur ein schmaler Spalt gibt den Blick auf die eingemauerte Plastik frei. Barlachs Werk wurde von den Nazis als entartete Kunst eingestuft und zwangsweise den Blicken der Öffentlichkeit entrissen. Barlachs Engel, von Ralf Kirsten zum Filmstoff verwoben, steht für das politische Inhaftnehmen von Kunst, so wie es später auch in der DDR mit zahlreichen Kunstwerken geschah. Darüber gibt beispielsweise Kurt Maetzigs Film „Das Kaninchen bin ich“ Auskunft, der lange unter Verschluss gehalten wurde. Aufwühlend ist es auch, über das Scheitern des „Simplicius Simplicissimus“-Projekt nachzulesen, dessen Aus 1981 Autor Franz Fühmann und Regisseur Heiner Carow schwer zu schaffen machten. „Ich habe grausame Schmerzen. Der bitterste ist der, gescheitert zu sein: In der Literatur und in der Hoffnung auf eine Gesellschaft, wie wir sie alle einmal erträumten“, bekennt Franz Fühmann. Heiner Carow litt bis zu seinem Tod 1997 am Scheitern seines „Simpel“. Warum es nicht zur Realisierung des schon so weit gediehenen Vorhabens kam? Sicher, weil es bis an die Grenze der finanziellen Möglichkeiten der ansonsten gut ausgestatteten Filmfabrik stieß. Vielleicht aber steckte im historischen Gewand auch zu viel Gegenwart, mutmaßen die Ausstellungsmacher. Am Ende des DEFA-Zeitstrahls kann man ein leergeräumtes Zimmer betreten, in dem nur noch die schattenhaften Umrisse auf der Blümchentapete an das einstige Inventar erinnern. Stimmfetzen von Regisseuren überlagern sich, können sich nicht mehr einzeln in der verlassenen Behausung behaupten. Natürlich gibt es in der DEFA-Ära auch ein Davor und Danach, doch diese spielen in der Ausstellung eine untergeordnete Rolle. Im Prolog werden die zehn Jahre Bioscop und 23 Jahre Ufa nur schlaglichtartig projiziert. Die in der internationalen Filmwelt oft nur als „Halbschatten“ wahrgenommene DEFA - die aber zeitlich den Hauptpart in der Babelsberger Filmgeschichte spielte – wurde ins Rampenlicht gerückt. Für die einstigen DEFA-Mitarbeiter muss die Bemerkung Gérad Depardieus 1994 in Babelsberg wie eine Ohrfeige gewirkt haben. Bei einer Pressekonferenz meinte der Schauspieler: Er freue sich, dass nun fast 60 Jahre nach Kriegsende hier endlich wieder Filme produziert werden. Die DEFA-Zeit war für ihn völlig ausgeblendet. Dabei spuckte die DEFA in ihren 46 Jahren allein rund 800 Spielfilme aus. Diese konnten in die Ausstellung nur punktuell einfließen, und natürlich wird der eine oder andere seinen Lieblingsfilm vermissen. Aber man muss den Machern ein sehr akribisches Herangehen und die größte Liebe zum Detail bescheinigen. Mehr war auf 450 Quadratmetern wahrlich nicht zu machen. Und am Schönsten ist es ohnehin, die Filme selber sprechen zu lassen. Dazu stülpt man sich einfach die Kopfhörer über und schaut auf einem der Monitore den erwählten Filmausschnitt. Einmal angefüttert, darf man sich ab 12 Personen auch seinen Wunschfilm für eine Privataufführung bestellen. Mit dem Ende der DEFA war es auch mit den eigenen Filmprojekten in Babelsberg weitgehend vorbei. Nunmehr versucht die Filmstadt als Dienstleister im Gespräch zu bleiben. Dieser auch mit großen Ehren gepflasterte Weg - wie der Oscar für Polanskis „Pianist“ – lässt zumindest den einst legendären Ruf nicht ganz verklingen. Mit einem Ritt ist diese kompakte, teils unübersichtliche Ausstellung nicht zu nehmen. Wie sagte Kurt Maetzig: Man sollte mit einer Eintrittskarte gleich noch einen zweiten Besuch eingeräumt bekommen. Vorbei ist die Zeit der plüschigen Gemütlichkeit aus alten Kintopp-Zeiten, wie sie noch die vorangegangene Dauerausstellung bevorzugte. Jetzt geht es sachlich und modern ans Werk. Die Gefühle bleiben dennoch nicht auf der Strecke – hat man den Faden erst einmal aufgenommen.

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