Kultur: In Europa lange Zeit ein Unbekannter
„Begegnung mit Max Aub: Spanien und Europa“ – über eine Tagung im Theaterschiff
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„Begegnung mit Max Aub: Spanien und Europa“ – über eine Tagung im Theaterschiff Die erste Übersetzung eines Textes des spanischsprachigen Autors Max Aub ins Deutsche erschien 1960 in der „Neuen Züricher Zeitung“. Überwältigend sei die Resonanz gewesen, erzählte Gustav Siebenmann, der diese Übersetzung damals gemacht hatte. Mittlerweile ist Gustav Siebenmann, Professor em. für spanische und portugiesische Sprache und Literatur, achtzig Jahre alt: „Ich bin ein Fossil, gewissermaßen die versteinerte Frühhispanistik“, gab er scherzend zu bedenken. Was für ihn persönlich relatives Alter bedeutet, ist für die Hispanistik relative Jugend, denn als Gustav Siebenmann in Bern studierte, gab es diese Fachrichtung noch nicht. Europa endete damals an den Pyrenäen. Gustav Siebenmann ist es mit zu verdanken, dass sich das über die Jahre geändert hat. „Begegnung mit Max Aub: Spanien und Europa“ hieß die Tagung, die am Wochenende auf dem Theaterschiff stattfand. Im Rahmen der Begegnungswoche des Landes Brandenburg mit Spanien und anlässlich des 100. Geburtstages von Max Aub (1903-1972), hatte das Romanistische Institut der Universität Potsdam unter der Leitung von Ottmar Ette dazu eingeladen. Aus Freiburg war Mercedes Figueras angereist, Herausgeberin von Aubs Werk und Lektorin für Spanisch an der Universität Freiburg. Aus Madrid kam Xelo Candel Vila, Stipendiatin der Aub-Stiftung. Weiter nahmen die Übersetzerin Stefanie Gerhold (Berlin) und Albrecht Buschmann, Doktorand und wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Uni Potsdam, an der Tagung teil, die für ihre gemeinsame Aub-Übersetzung gerade mit dem Übersetzerpreis der spanischen Botschaft ausgezeichnet worden sind. Das Publikum bestand zum großen Teil aus Studierenden und füllte den Bauch des Schiffes, das als symbolischer Ort für den Emigranten Max Aub gewählt worden war. Nicht nur als Vermittler von Aubs vielschichtigem und vielseitigem Werk, sondern auch als Zeitzeuge, bildete Gustav Siebenmann einen lebendigen und interessanten Mittelpunkt der Tagung. Er berichtete, wie das große Interesse an Aubs Schriften 1963 zur Veröffentlichung eines Novellenbandes beim Piper Verlag geführt hatte. Und wie er 1960 zum ersten Mal dem im mexikanischen Exil lebenden Max Aub begegnet war, erstaunt über das zerfurchte Gesicht des 57-Jährigen. Jener Novellenband bekam zwar gute Kritiken, wurde aber ein Ladenhüter. Bis in die neunziger Jahre hinein blieb Max Aub in Europa fast ein Unbekannter. Wie ist das zu erklären, angesichts eines Werkes, das mittlerweile zu den wichtigsten des 20. Jahrhunderts gezählt wird? Zum einen gab es die räumliche Entfernung, stellte Ottmar Ette, Professor für französisch- und spanischsprachige Literatur, fest. Der in Paris geborene Aub war 1942 nach Mexiko emigriert, nachdem er als Deutscher (seine Eltern waren deutschstämmig), als Jude, als Anhänger der spanischen Republik verfolgt und 1939 schließlich als Kommunist in französische Konzentrationslager gesperrt worden war. Die Zeit des spanischen Bürgerkrieges, der Internierung und Emigration spielt in Aubs Werk eine zentrale Rolle. Er behandelt diese Themen in seinem Hauptwerk, dem sechsbändigen Romanzyklus „Das magische Labyrinth“. Max Aub war ein Heimatloser, der sich die Sprache des Exils zur Heimat gewählt hatte. Er schrieb „postnationale Literatur“, so Ottmar Ette. Aus der Distanz der Unzugehörigkeit habe Max Aub über Europa geschrieben. Und zwar in einem Stil, der die Elemente der Moderne ins Spielerische gewandelt und sich so zwischen Moderne und Postmoderne bewegt habe. „Aub liefert ein Lebenswissen von dem, was uns heute, eventuell auch im ästhetischen Sinne, erst noch bevor steht“, sagte Ottmar Ette. „Vielleicht lassen sich seine Texte erst heute lesen und begreifen.“ Im Anschluss an die Tagung wurde eines von Aubs Theaterstücken aufgeführt, das seine Erlebnisse unmittelbar vor der Einschiffung nach Mexiko verarbeitet: „El rapto de Europa/ Der Raub der Europa“. Die spanische Theatergruppe der Universität Potsdam hat sich unter der Regie von Alejandra Navas Méndez in die Schicksale von Europa-Flüchtigen gestürzt. Mit Humor, Hosenrollen und Temperament zeigten sie das atemlose Hin und Her in einem Marseiller Hotelzimmer von 1941, in dem sich die Wege der Verfolgten kreuzten.Dagmar Schnürer
Dagmar Schnürer
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