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Kultur: In Venedig angekommen

Eröffnung in der Friedenskirche mit entdecktem Oratorium von Venier und dem Gloria von Vivaldi

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Venedig und Potsdam. Die Verbindungen zwischen den beiden Städten versuchte Prof. Hartmut Dorgerloh, Generaldirektor der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, in der Friedenskirche Sanssouci recht spritzig heraus zu arbeiten – bei der Eröffnung der diesjährigen Musikfestspiele Potsdam Sanssouci. Die Lagunenstadt hat diesmal das Sagen. Nach der Rede war klar: frühere Verbindungen zwischen Potsdam und Venedig hielten sich in Grenzen. Friedrich der Große war nie in Italien, doch zwei von ihm erworbene Venedig-Ansichten findet man im Schloss Sanssouci. Besuch erhielt der König vom Galan Casanova, der von der eher schlichten Kleidung Friedrichs nicht begeistert war. Einige Jahrzehnte später reiste Kronprinz Friedrich Wilhelm (IV.) mehrmals nach Venedig. Und vor allem: Er erwarb aus Murano für die Friedenskirche das Mosaik aus dem frühen 13. Jahrhundert: „Christus als Weltenrichter“. Unter diesem ernsten Bild, das durch sein goldglänzendes Strahlen dennoch eine große Festlichkeit bereithält, erklang venezianische Musik aus dem 18. Jahrhunderts.

Im Mittelpunkt des musikgeschichtlichen Interesses stand ein Oratorium von Girolamo Venier, das ohne Bezeichnung in der Biblioteca Marciana inVenedig jahrhundertelang in Einzelstimmen unentdeckt lag. Der Dirigent und Musikwissenschaftler Federico Maria Sardelli nahm sich des Manuskripts an und erarbeitete eine aufführungsreife Partitur. Sie wurde, so Sardelli in einem Gespräch, wohl noch nie aufgeführt. In Potsdam konnte man die Welturaufführung erleben. Das Oratorium des Liebhabermusikers und venezianischen Politikers Venier ist ein ernstes Werk, das für die Fastenzeit geschrieben wurde: Ein Engel ruft die Menschen zum Nachdenken und zur Umkehr auf. Der Bereuende hofft auf Gottes Gnade. Die Musik lotet im Text alle leid- und freudvollen Seiten aus. Theatralische Dramatik kommt dabei nicht zu kurz.

Federico Maria Sardelli hat sich mit seinem Ensemble Modo Antiquo und dem ausgesucht edel singenden Solistenensemble (Nicky Kennedy, Yeree Suh, beide Sopran, Sonia Prina, Alt, Paul Agnew, Tenor, und Antonio Abete, Bass) Veniers Oratorium mit großer Intensität angenommen. Keiner war in dieser Interpretation um den Effekt verlegen, vielgestaltig, differenziert wurde er präsentiert. Besonders die Altistin Sonia Prina begeisterte mit ihrer fast opernhaft-expressiven Vortragsweise. Wie sie die Töne ihrer warmen Stimme den Zuhörern zuweilen entgegen schleuderte, war enorm.

Antonio Vivaldi durfte in diesem Eröffnungskonzert nicht fehlen. Die rein instrumentalen Werke hatten an diesem Abend eher den Charakter von Intermezzi, wobei das tonschön gespielte Concerto d-Moll für zwei Oboen und Streicher besonders für sich einnahm. Zum Schluss erklang die festliche Lobpreisung Gottes „Gloria in excelsis Deo“, die Vivaldi fassettenreich vertonte. Das Lob in Sardellis Interpretation war nicht auf äußere Hektik angelegt,sondern eher in nachdenklicher Ruhe. Und so lässt er vor allem das ausgezeichnete Immortal-Bach-Ensemble, dessen Ursprünge vor sieben Jahren in Leipzig zu finden sind, viel Piano singen, das man selten so schön hörte. Die Gesangssolisten durften dagegen mit einem eher temperamentvollen Vortrag hervortreten. Solisten, Chor und das Kammerorchester erreichten unter Federico Maria Sardelli eine lebendige, vielgestaltige und anschaulich sprechende Wiedergabe, die Begeisterungsstürme hervorrief. Die Musikfestspiele 2008 waren bereits am ersten Abend in Venedig angekommen.

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