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Kultur: Kalkulierte Leidenschaft

Vocalise 2006: Regina Jakobi gab Liederabend in der Friedenskirche Sanssouci

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Von Frauen, die Macht besaßen, geliebt und verlassen wurden, deren tragische Schicksale uns auch heute nicht kalt lassen – von ihnen sang Regina Jakobi, begleitet von Philipp Mayers am Bechstein-Flügel, in ihrem Liederabend während der Vocalise 2006 in der leider nur mäßig besetzten Friedenskirche Sanssouci.

Da war zunächst Maria Stuart, die Königin von Schottland, die von Elisabeth I. hingerichtet wurde. Maria war dichterisch nicht unbegabt. Sie verfasste Lyrik, vor allem im Gefängnis, die von Erinnerungen an die schöne Zeit in Frankreich berichten, aber auch von Machtverlust, Einsamkeit und Todesergebenheit. Obwohl die Königin selbst ihre Leidenschaften kaum unter Kontrolle hielt, sind ihre Gedichte von sprachlicher Disziplin. Der Romantiker Robert Schumann hat fünf Gedichte der Stuart vertont, den Gefühlen der Monarchin genau nachgehend, aber sich ohne in Überschwänglichkeit zu begeben. Und so sang auch Regina Jakobi die Lieder Schumanns, pendelnd zwischen reich differenzierter Lyrik und zurückhaltender Dramatik. Schillers großer Monolog der Maria Stuart aus dem gleichnamigen Schauspiel vertonte der heute fast unbekannte Johann Rudolf Zumsteeg, ein Freund des Weimarer Klassikers aus Jugendtagen. Ganz im Stile der Lieder Beethovens komponierte Zumsteeg mit schöner Ausdrucksbreite den Text Schillers.

Maria Stuart sowie den antiken Frauengestalten Eurydice und Ariadne – den leidgeprüften und auch innerlich zerrissenen Persönlichkeiten, wusste Regina Jakobi mit ihrem warmen Mezzosopran Profil zu geben, so dass man an ihren Schicksalen immer Anteil nehmen konnte. Nicht nur das blühende Gesangsmelos wurde bei ihr zum Erlebnis, sondern das menschliche Fühlen, das alles durchdringt. Auch Joseph Haydns Musik zur szenischen Kantate, die von der von Theseus verlassenen Ariadne auf Naxos erzählt, weiß die Sängerin wunderbar zu beseelen. Auch hierbei gestaltete sie mit dem rechten Maß , in dem die kalkulierte Leidenschaft über eine sich verzehrende, nicht in den Griff zu bekommende, siegt.

Der in der Unterwelt auf Erlösung hoffenden Eurydice nahm sich der australische, heute in Berlin lebende Pianist und Komponist Philipp Mayers an. Er komponierte den Monolog nach einem Text von Frank Pycia, der das seelische Innenleben von Orpheus“ Gattin, Eurydice, sehr dicht beschrieb. Mayers hat die Worte ganz genau abgeklopft, denn der Text bekommt durch seine Musik eine zusätzliche Größe. In der modernen, doch sehr durchhörbaren Komposition entwickelt sich ein feines Farbenspiel zwischen Klavier und Singstimme. Souverän sang Regina Jakobi das eindrucksvolle Werk, erstklassig wurde sie hierbei von dem Komponisten begleitet, der auch die anderen interpretierten Werke des Abends mit hoher musikalischer Kultur und sehr tiefgründig spielte. Hervorzuheben ist, dass bei Regina Jakobi jedes einzelne Wort zu verstehen war. Und das ist keine Selbstverständlichkeit, denn ein Kirchenraum ist einem Liederabend akustisch selten zuträglich. Langer Beifall gab es für beide Künstler. Sie gewährten den intensiv lauschenden Zuhörern eine Zugabe: Alexander von Zemlinskys „Die drei Schwestern“.Klaus Büstrin

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