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Käptn Peng im Waschhaus: „Konfetti raus, ihr Schweinenasen!“
Die Berliner Hip-Hop-Funk-Formation Käptn Peng und Die Tentakel von Delphi spielt am Sonntagabend im Waschhaus.
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Kann man jemandem trauen, der einem die Welt erklärt, indem er sich eine Socke über die Hand zieht? Man sollte es auf jeden Fall versuchen: „Sie gestalten ihre Not um zur Tugend. Sie bemerken, dass das Fallen zum Schweben wird, wenn man aufhört, sich an Dingen festzukrallen“, heißt es über das tiefsinnigste und gleichzeitig unerschöpflichste Thema: Menschen. Woher kommt das Universum und das Leben? „Genau genommen kann aus nichts nichts entstehen. Vielleicht kannst du es nur aus deiner Sicht nicht sehen.“ Achtung, wir befinden uns immer noch mitten in einem philosophischen Diskurs: „Identität ist etwas Überpersönliches. Ja und Nein sind nichts Unversöhnliches. Schwarz und Weiß sind beide Licht. Und die Nonexistenz, die gibt es nicht.“ Tiefschürfende Auszüge aus dem Dialog der Figur Peng mit einer Socke, die er sich über die Hand gezogen hat - und die ihn schließlich auffordert, zur „Sockosophie“ zu konvertieren. Das Spiel mit Identitäten ist in den Texten des fünfköpfigen Kollektivs Käptn Peng & Die Tentakel von Delphi allgegenwärtig: Sie alle kommen von einem anderen Planeten, wie die Musiker betonen.
Das klingt verrückt? Keine Sorge, das ist es auch. Aber das, was Käptn Peng & Die Tentakel von Delphi, die am morgigen Sonntag im Waschhaus spielen, in ihrem Song „Sockosophie“ verarbeiten, ist genau das, was man schmerzlich vermisst, wenn man sich in der heutigen deutschsprachigen Hip-Hop-Landschaft umsieht: Text. Wenn man etwas mit Message sucht, sucht man oft vergebens. Und das ist der Vorteil der Berliner Hip-Hop-Formation: Sie haben es schlicht und einfach nicht nötig, unangenehm auf dicke Hose zu machen.
Der Abend im Waschhaus, bei dem die Mash-up-DJS Smith&Smart im Vorprogramm sind, ist gleichzeitig auch das Abschlusskonzert einer ausgedehnten Tour durch Deutschland, Österreich und die Schweiz. Unbekannte sind die Berliner – die im vergangenen Dezember auch zwei Konzerte in Tokio spielten – auch in Potsdam nicht mehr: Im Sommer 2012 gab es sie bereits auf dem Sub’n’Youth Culture Festival im Freiland zu sehen.
Hinter Shaban und Käptn Peng, dem Herz des Kollektivs, stehen prominente Namen: Die Brüder Johannes und Robert Gwisdek sind die Söhne des (mittlerweile geschiedenen) Schauspielerpaars Michael Gwisdek und Corinna Harfouch. Das mag die Sache nicht unbedingt leichter machen: Robert Gwisdek alias Käptn Peng ist selbst Schauspieler und war letztes Jahr für den Deutschen Filmpreis für seine Rolle in „Das Wochenende“ nominiert. Ironie des Schicksals: Den Deutschen Filmpreis bekam nicht er – sondern sein Vater Michael Gwisdek für die Rolle im Film „Oh Boy“. Jetzt könnte sich Robert Gwisdek schön hinter seinem Prominentenstatus verstecken – tut er aber nicht. Er hat etwas zu sagen. Und das kann er am besten durch Musik, und gerade im Hip-Hop gibt es den Vorteil, den Fokus auf die Texte legen zu können. Ein singender Schauspieler? Das ist Gwisdek auf keinen Fall. Aber ein hervorragender Texter.
Und seine Texte sind einzigartig, was man einfach zugeben muss, ohne sich der Band anzubiedern. So kraftvolle Reime, hintergündig intelligent, die oftmals ins Neurotische abdriften, gab es vielleicht noch bei den deutschsprachigen Crews der 90er-Jahre, mittlerweile ist der Hype um gute Texte aber abgeflaut, überholt von Dicke-Hose-Kids, die diese einstmals viel versprechende und geradezu revolutionär erfolgreiche Musikrichtung vergewaltigen: Nur wer den anderen beleidigt, setzt sich durch. Dabei haben viele der angesagten Protagonisten des heutigen Hip-Hop aber nicht verstanden, dass sie aus einer einzelnen sportlichen Disziplin eine ganze Monokultur gestrickt haben. Wo sind denn bitte noch Battles mit Stil? Gute, alte Zeit. „Hip-Hop ist ein Araberhengst, der meist von Kameltreibern geritten wird“, hat Gwisdek-Peng mal in einem Interview gesagt. Das trifft es gar nicht so schlecht.
Nein, eigentlich sollte man Käptn Peng & Den Tentakeln von Delphi dankbar sein dafür, eine so hohe Qualität anzubieten und die Hoffnung aufrechtzuerhalten, dass sich noch mehr Hip-Hop-Bands aus dem Untergrund herausbewegen. Obwohl die Band ihren eigenen Hip-Hop geradezu unkonventionell interpretiert: Samples? Gibt es nicht. Klar, könnte man zwar machen, aber wozu elektronisch, wenn alles auch per Hand funktioniert? Die Tentakel kommen noch als Band auf die Bühne - und zwar klassisch: Schlagzeug, Gitarre, Percussion, Kontrabass und Gesang. Diese Besetzung gibt der Formation jedoch den nötigen Funk mit, der dem herkömmlichen, basslastigen Hip-Hop oft fehlt. Da ist das Experimentelle gar nicht so auf den Text fixiert, sondern lebt auch in der Musik weiter. Wie das geht? Indem man sich etwas einfallen lässt: ein Kuchenblech als Instrument etwa, eine Betonmischtrommel, Geschirr oder einen alten Koffer. Unterm Strich kommt dennoch astreiner Hip-Hop raus: Es gibt die Beats, Käptn Peng rappt darauf, nur dass die Musik eben viel energischer gerät. Das wird genau die Freunde von Musik begeistern, die sich nicht auf eine Stilrichtung festnageln lassen. Überhaupt ist der Do-it-yourself-Charakter eine Lebenseinstellung der Band: keine Musikindustrie, die fordert und reinredet, stattdessen wird noch alles in mühevoller Kleinarbeit selbst gemacht.
Diejenigen, die wissen, dass die Fusion von intelligenten Texten und ausgelassener Musik bei Käptn Peng & Den Tentakeln von Delphi am besten funktioniert, werden am Sonntag im Waschhaus ausgelassen feiern können, um der „Logik wieder mal ein Schnippchen“ zu schlagen. „Konfetti raus, ihr Schweinenasen!“, heißt es in einer Textzeile des dritten Tracks „Champagner und Schnittchen“ auf dem letzten Album „Expedition ins O“. Und das ist wohl ernst gemeint, denn allein mit bedeutungsschwangeren Texten kann man niemanden auf die Tanzfläche ziehen.
Nach all der Begeisterung wird es jetzt, ganz am Ende, doch noch Zeit für den Wermutstropfen, der alle Kurzentschlossenen treffen wird: Das Konzert im Waschhaus ist restlos ausverkauft.
Oliver Dietrich
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