Von Klaus Büstrin: „Königin der Herzen“
Das Luise-Jahr der Schlösser-Stiftung steht unter dem Slogan „Miss Preußen 2010“
Stand:
Mit „Miss Preußen 2010“ wirbt die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg für ihren diesjährigen Veranstaltungsreigen in punkto Königin Luise. Es soll ein richtiges Luise-Jahr werden. Mit drei Ausstellungen möchte man die zahlreichen Luise-Fans in die Schlösser der Stiftung locken. Aber auch die, die es vielleicht noch werden könnten. Der 200. Todestag der Frau des preußischen Monarchen Friedrich Wilhelms III., Großneffe Friedrichs des Großen, ist der Anlass für ein umfangreiches Gedenken.
Am Morgen des 25. Juni 1810 soll die Königin noch sehr heiter gewesen sein. Die gestrenge Oberhofmeisterin der Königin, Sophie Marie Gräfin von Voss, teilt ihrem penibel geführten Tagebuch mit, dass die Monarchin auf der Reise zu ihrer Familie in Hohenzieritz an der Grenze zwischen Brandenburg-Preußen und Mecklenburg-Strelitz plötzlich eine „rätselhafte Traurigkeit“ ergriff: „Einige Augenblicke war sie ganz von derselben übermannt und fast beängstigt, aber sie fasste sich rasch wieder und es ging vorüber.“
Dies sollte aber der Anfang vom Ende sein. Der herbei gerufene Leibarzt des Königs, Ernst Ludwig Heim, diagnostiziert in Hohenzieritz ein Abszess an der Lunge und schließlich eine Lungenentzündung. Am 19. Juli stirbt Königin Luise. Sie kann sich noch von ihrem Mann und den beiden Söhnen, Kronprinz Friedrich Wilhelm und Prinz Wilhelm, verabschieden. Gräfin Voss notiert: „Es war etwa neun Uhr; die Königin hatte ihren Kopf sanft auf die Seite gelegt und die Augen fest gen Himmel gerichtet. Ihre großen Augen weit geöffnet und aufwärts blickend, sagte sie: ,Ich sterbe, o Jesu mach‘ es leicht!“ – Ach, das war ein Augenblick, wie niemand ihn je vergisst! Ich bat den König, ihr die Augen zuzudrücken, denn der letzte Athem war verflogen.“
Nur vierunddreißig Jahre alt ist Luise geworden, eine geborene Prinzessin von Mecklenburg-Strelitz. Ihr Tod löst eine Welle tiefer Trauer und Fassungslosigkeit im Lande aus. Wilhelm von Humboldt schreibt über sie: „ Sie besaß in höchstem Grade die Gabe, zu ermutigen, zu beleben und zu festigen allein schon durch ihre Gegenwart, selbst in gefahrvollen Augenblicken. Sie erkannte alle Talente, sie besaß die Kunst auch solche zu entdecken, die selbst nicht im mindesten hervortraten.“
Als die französische Künstlerin Elisabeth Vigée-Le Brun die Königin 1801 kennenlernt und sie porträtiert, schreibt sie: „Drei Tage der Ruhe genügten mir, um mich von meinen Reisestrapazen zu erholen, ich fühlte mich schon sehr viel wohler, als die Königin von Preußen, die damals nicht in Berlin weilte, die Güte hatte, mir sagen zu lassen, ich möchte sie in Potsdam aufsuchen, da sie wünsche, von mir gemalt zu werden. Der Zauber ihres himmlischen Gesichts, das Wohlwollen und Güte ausdrückte, die so zarten und regelmäßigen Züge, die Schönheit ihrer Gestalt, ihres Halses, ihrer Arme, die blendende Frische ihrer Hautfarbe, mit einem Wort, alles an ihr übertrifft noch das Zauberhafteste, was man sich denken kann.“
Luise wird zur beliebtesten preußischen Königin und erfährt eine mythische Verklärung. Dies vereint sie mit Österreichs Kaiserin Elisabeth, genannt Sissi, und Lady Diana, die einstige Frau des Kronprinzen Charles von Großbritannien. Als „Königinnen der Herzen“ werden sie verehrt. In einem Gedicht feiert August Wilhelm Schlegel Luise: „Sie war in Hütten Königin der Herzen. Sie ist der Anmut Göttin auf dem Thron.“
Als Frau und Mutter sucht Luise ihre Erfüllung. Doch Graf August-Wilhelm Neidhardt von Gneisenau, Preußens erfolgreicher General in den Befreiungskriegen gegen Napoleon, meint kritisch: „Sie war nicht weniger als eine Mustermutter, denn niemals hat sie sich mit der Erziehung ihrer Kinder abgegeben.“ Diese Feststellung mag umstritten sein, doch dass sie sich in Preußens Politik einmischt, ist unbestritten. Vor allem als entschiedene Gegnerin von Napoleon und als Unterstützerin der Reformen im Land erringt sie die Achtung ihrer Zeitgenossen. Der Jurist Theodor Mommsen urteilt: „Sie sah schärfer als alle, richtiger als die meisten Männer ihrer Umgebung. Mit unfehlbarer Sicherheit erkannte sie den Wert eines Blücher, eines Stein. Niemals hat sie an Napoleons Sturz gezweifelt.“
Das Wirken dieser jungen Frau will die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten in Expositionen würdigen. Darin soll sie als Monarchin, die ihre Aufgabe mehr als das Repräsentieren verstand, beleuchtet werden, in jenen Schlössern, mit denen sie besonders verbunden war: dem Schloss Charlottenburg – im Mausoleum des Parks fand sie ihre letzte Ruhestätte – der Pfaueninsel sowie ihrem Lieblingsrefugium Schloss Paretz.
Im Neuen Flügel des Schlosses Charlottenburg sind ab 6. März unter dem Titel „Luise. Leben und Mythos der Königin“über 200 Gemälde, Skulpturen und historische Dokumente zu erleben, die eine Annäherung an das Leben und Nachleben der Königin ermöglichen. Meisterwerke unter anderen von Elisabeth Vigée-Le Brun, Karl Friedrich Schinkel, Johann Gottfried Schadow und Christian Daniel Rauch werden ausgestellt.
In die „Inselwelt der Königin“ soll der Besucher der Pfaueninsel ab 1. Mai mit einem innovativen Ausstellungsprojekt entführt werden. Künstler unserer Tage beschäftigen sich in ihren Werken mit dem außergewöhnlichen Ort in der Havel und dem Aufenthalt der königlichen Familie. Zwar meint der Publizist und Verleger Wolf Jobst Siedler, die Königin würde das Inselschloss nicht sonderlich lieben, da der Geist der verhassten Mätresse ihres Schwiegervaters, Friedrich Wilhelms II., Gräfin Lichtenau, noch in ihm wohne. Doch Luise klagt eher über den leichten Bau des Schlosses, „wo kein Schloss und kein Riegel vor Einbruch bewahrt, da das Gehör alles verdirbt und verrät, was die klügste Vorkehrung gut machte, da bekanntlich die Mauern von Papier sind und jeden Seufzer verräterisch seinen Nachbarn hören lässt.“ Doch die ländliche Idylle begeistern sie und den König genauso wie das Schloss „Still im Land“ in Paretz. Hier dürfen die Bauern Luise als „gnädige Frau von Paretz“ und Friedrich Wilhelm als „Schulze von Paretz“ bezeichnen. In dem nach 1990 wieder hergestellten Schloss zeigt die Stiftung die Kleider der Königin. Mit ihren an den Formen der Antike angelehnten Empire-Kleidern versteht sie es, auf natürliche, sinnliche und bisweilen freizügige Weise sich anzuziehen und Vorbild für die vornehme Damen-Modewelt zu sein. Dazu kann man eine Auswahl bedeutender Porträts und weiterer Zeitzeugnisse in Form von Skulpturen, grafischen Blättern und Briefen betrachten.
Das Luise-Jahr hat begonnen. „Miss Preußen 2010“, die „Königin der Herzen“ wird uns weiterhin beschäftigen.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: