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Kultur: Königlicher Lakai und freier Bürger
Zum 300. Geburtstag Carl Philipp Emanuel Bachs am 8. März – Festakt im Potsdam Museum
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Die Inschrift machte die Runde: „Karl Philipp Emanuel Bach, der tiefsinnige Harmonist, vereinte die Neuheit mit der Schönheit, war groß in der vom Worte geleiteten Musik: größer in der kühnen, wortlosen Musik“. Treffender und präziser kann man Bach, den zweitältesten Sohn Johann Sebastians, mit Worten wohl nicht ehren. Verfasst hat diese Inschrift der Dichter Friedrich Gottlieb Klopstock, der berühmte Mitbürger Carl Philipp Emanuel Bachs. Nach dem Tod des Hamburger Musikdirektors und Kantors der fünf großen Stadtkirchen im Jahre 1788 setzte sich Klopstock für ein Denkmal ein, das sich jedoch nicht verwirklichen ließ.
Geboren wurde Carl Philipp Emanuel vor 300 Jahren am 8. März 1713 in Weimar. Sein Vater hatte dort die Stelle des „Hoforganisten und Cammermusicus“ inne, strebte aber eine räumliche Veränderung an. Zunächst zog die Familie nach Köthen, dann nach Leipzig. Als Kantor und Lehrer der Thomaskirche und -schule übernahm er bedeutende kirchliche und städtische Aufgaben. Natürlich brachte er auch Carl Philipp Emanuel und seinen Geschwistern das grundlegende musikalische Handwerkszeug bei, ein solides Klavierspiel und umfassende Kenntnisse im Tonsatz, doch die eigenen ästhetischen Überzeugungen hat er ihnen nicht vermitteln können.
Als Carl Philipp Emanuel in Frankfurt an der Oder sein Jurastudium beendete, wurde ihm 1738 die Stelle des Cembalisten in der Kapelle des preußischen Kronprinzen Friedrich in Rheinsberg angeboten. Er nahm an und sagte der Juristerei endgültig Ade.
Siebzehn Musiker umfasste das Kammerorchester des Thronfolgers. Im Schloss am Grienericksee entwickelte sich eine Gegenwelt zum militärisch geprägten Potsdam: ein Ort, an dem die Künste das Sagen hatten. 1740 hatte die Rheinsberger Idylle ein Ende. Friedrich Wilhelm I. starb, Friedrich bestieg den Thron. In seinem ersten Regierungsjahr organisierte er die Hofkapelle neu. Carl Heinrich Graun ernannte der König zum Kapellmeister, dessen Bruder Johann Gottlieb zum Konzertmeister, Carl Philipp Emanuel Bach zum Kammercembalisten. Vater Bach schrieb ihm daraufhin lapidar aus Leipzig: „Es ist Preußisch-Blau, das schnell verschießt.“
Eine künstlerische Stagnation in Potsdam und Berlin ließ aber nicht lange auf sich warten. Friedrich II. warf, wie Voltaire es zynisch auf den Punkt brachte, den Philosophenmantel ab und griff zum Degen. Die Kosten für die Schlesischen Kriege und den Siebenjährigen Krieg gegen Österreich verlangten nach Einschnitten auch im Musikleben. Das Opernhaus in Berlin musste schließen, und die musikalische Abendunterhaltung beschränkte sich fortan auf das königliche Abblasen der 299 Quantzschen Flötenkonzerte. Gepflegt wurde in Sanssouci der Musikstil, den Friedrich II. aus seiner Jugendzeit kannte. Alles andere war in seinen Ohren neumodischer Tand. Diesem Geschmacksdiktat musste sich auch Carl Philipp Emanuel beugen, wollte er in Potsdam und Berlin nicht nur als Continuo-Spieler am Cembalo sein Dasein fristen. Von den revolutionären Klaviersachen, derentwegen der Bach-Sohn in ganz Deutschland berühmt war, wollte der königliche Dienstherr nichts wissen, von den Liedern, die vor allem nach deutschen Texten Christian Fürchtegott Gellerts entstanden sind, ebenfalls nichts. Geschweige von der zweibändigen Klavierschule „Versuch über die wahre Art das Klavier zu spielen“ (1753/62). Carl Philipp Emanuel schrieb auch in dieser Zeit viel Kammermusik, darunter Flötensonaten und -konzerte, um mehr Aufmerksamkeit bei Friedrich zu erreichen, doch für den königlichen Flötisten erwies sich der technische Anspruch, den Bach in seine Sonaten legte, als zu hoch.
Denkt man an Friedrich und sein Flötenspiel, sollte an Adolph Menzels 1852 entstandenes Gemälde „Flötenkonzert von Sanssouci“ erinnert werden. Die wunderbar intime Atmosphäre des Konzertzimmers im Schloss Sanssouci wurde vom Maler mit großer Intensität auf die Leinwand gebracht. „Überhaupt hab ich’s bloß gemalt des Kronleuchters wegen“, schrieb Menzel einem Freund.
Das Bild zeigt Friedrich beim Musizieren einer Solopassage auf der Flöte, die im Moment nur vom Continuobass begleitet wird, während die Streicher auf den nächsten Einsatz warten. Aufmerksam lauscht der Cembalist auf das königliche Spiel. Menzel malte ihn, Carl Philipp Emanuel Bach, als Rückenfigur. Dem Maler war ein Porträt des Musikers aus seiner Potsdamer Zeit nicht bekannt. An der Haltung des Cembalisten und des Cellisten neben ihm ist jedoch zu erkennen, dass diese Musik ihnen keine Freude bereitet. Man hat den Eindruck, sie sitzen den Dienst nur ab. Friedrich spielt auch im Konzertzimmer die Hauptrolle, ist Herr über Takt und Tempo.
Mehrfach hatte Carl Philipp Emanuel um seine Entlassung aus preußischen Diensten gebeten, aber erst 1768 ließ Friedrich der Große seinen Cembalisten ziehen, als der Rat der Stadt Hamburg dem Bach-Sohn den Posten des Musikdirektors der fünf großen Stadtkirchen anbot. Es war dasselbe Amt, das Georg Philipp Telemann, sein Patenonkel, mehr als vierzig Jahre lang innehatte. Und war Carl Philipp Emanuel in Potsdam eher königlicher Lakai, so ist er in Hamburg ein freier und angesehener Bürger, der mit Aristokraten, Politikern und Diplomaten rege verkehrte.
Zu seinen Bewunderern zählte auch der Musik- und Kunstliebhaber Baron Gottfried van Swieten, der damals als österreichischer Botschafter in Berlin residierte und sich später, nach Wien zurückgekehrt, als Librettist der Haydn-Oratorien und als Förderer Mozarts und Beethovens einen Namen gemacht hat. 1773 gab van Swieten bei Carl Philipp Emanuel sechs Streichersinfonien in Auftrag – mit der ausdrücklichen Bitte, der Komponist möge seiner Kunst freien Lauf lassen, „ohne auf die Schwierigkeiten Rücksicht zu nehmen, die daraus für die Ausübung nothwendig entstehen müssen“. So wurden die Hamburger Sinfonien virtuose Glanzstücke voll harmonischer und dynamischer Überraschungen. Es sind Kompositionen, die die beiden ästhetischen Strömungen jener Zeit reflektieren: die Empfindsamkeit mit ihrer Forderung, dass Musik das Herz rühren solle, und den „Sturm und Drang“, der die Exzentrik und die Extreme der Stimmungen zum Ideal erhob.
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