
© Manfred Thomas
Von Almut Andreae: Kunst darf auch anstrengend sein
Was Silke Albrecht für die Gegenwartskunst in Potsdam erreicht sieht und was nicht. 2011 wechselt die Geschäftsführerin des Brandenburgischen Kunstvereins nach Baden-Württemberg
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Fast hätte Silke Albrecht als Geschäftsführerin des 1992 gegründeten Brandenburgischen Kunstvereins Potsdam (BKV) ihr Fünfjähriges feiern können. Doch mit dem neuen Jahr verlegt die patente Kunstwissenschaftlerin ihren Tätigkeitsschwerpunkt nach Baden-Württemberg. Statt für den BKV führe sie ab dem 1. Januar die Geschäfte des Württembergischen Kunstvereins Stuttgart (WKV), erzählt die Mittdreißigerin mit einem Augenzwinkern an einem ihrer letzten Arbeitstage im Luisenforum.
Im Gespräch lässt sie den Blick noch einmal zurückschweifen und ihre Zeit hier Revue passieren. Bezeichnend für ihre Bescheidenheit in Bezug auf sich selbst, ist es dennoch nicht zu übersehen, in welchem Maße Silke Albrecht zur erfolgreichen Arbeit des BKV beigetragen hat. Sehr geschätzt hat sie es, über die eigentlichen Belange der Geschäftsführung hinaus, immer wieder auch unmittelbar Einfluss auf die Programmgestaltung nehmen zu dürfen. So wurde die erst kürzlich geendete Fotokunst-Ausstellung „Noir Complex“ auf ihre Anregung hin in Potsdam gezeigt. Auch bei dem momentan laufenden Ausstellungsprojekt im Austausch mit Frankreich war Silke Albrecht seit der ersten Begegnung mit den Franzosen vor zwei Jahren immer dabei.
Nun jedoch, so unmittelbar vor ihrem Aufbruch, steht ihr die Vorfreude auf die bevorstehende neue Herausforderung ins Gesicht geschrieben. Nach mehrjähriger Begleitung der Ausstellungsreihe „Art and Science“ als erfolgreiches Kooperationsprojekt auf den Feldern der bildenden Kunst und der Wissenschaften erwarten Silke Albrecht am WKV, etwa mit dem Profil „Design“, noch einmal ganz andere Dimensionen, „an welchen Schnittstellen zeitgenössische Kunst noch operiert". Anders als in Potsdam steht der mit Tradition und derzeit 2700 Mitgliedern gesegnete Kunstverein in Stuttgart (in Potsdam sind es rund 50 Vereinsmitglieder) strukturell gesehen auf einem rundum soliden Fundament.
Umso mehr Anerkennung gebührt dem seit 2008 institutionell und bis dahin experimentell geförderten Potsdamer Kunstverein dafür, dass er sich unter den etwa 300 registrierten deutschen Kunstvereinen einen exquisiten Ruf, auch international, erarbeitet hat. Über das Ungleichgewicht, das zwischen der starken Außenwahrnehmung des Vereinsprofils und seiner bisherigen Rolle innerhalb Potsdams besteht, kann sich Silke Albrecht nur wundern. „Wir kriegen das nach wie vor schwer in die Stadt hinein vermittelt“, merkt sie kritisch an. Gleichwohl scheint seit einigen Monaten Bewegung in die lange Zeit stagnierende Situation zu geraten. So ist inzwischen öffentlich, dass der Fachbereich Kultur und Museum dem BKV den Inselpavillon auf der Freundschaftsinsel als zukünftiges Quartier offeriert. Hintergrund ist der in diesem Winter auslaufende Mietvertrag für die Vereinsräumlichkeiten im Luisenforum. In dem gesamten Areal soll dem jetzigen Planungsstand nach die Kaufhauskette C&A wohl schon bald Einzug halten.
Dass der Kunstverein den städtischen Ausstellungsraum für zeitgenössische Kunst künftig für sich beanspruchen kann, spricht für eine Wende in Bezug auf die Bewertung der Vereinsarbeit. Silke Albrecht hebt hervor, dass der BKV fest beabsichtigt, den Verein der Freunde der Freundschaftsinsel, der die Geschicke des Inselpavillons bislang in die Hände nahm, bei den weiteren Planungen einzubeziehen. Als städtisches Ausstellungsforum fungiere künftig das Haus im Güldenen Arm.
Über das, was die Potsdamer und auswärtigen Besucher künftig im Inselpavillon konkret erwartet, verrät Albrecht vorerst so viel: Geplant ist der Pavillon als Schaufenster für Projekte im öffentlichen Raum. Dazu soll auch der ländliche Raum in Brandenburg zählen und damit dem Namen des Vereins neue Ehre erweisen. Die Weichen werden daher noch einmal neu gestellt für die Zukunft des Vereins in dieser Stadt. Daran, dass er eine wichtige Funktion für die Menschen vor Ort erfüllt, besteht schon längst mehr kein Zweifel. So wurde die wiederholt formulierte Rückmeldung „Wir brauchen Euch hier!“, gerade von Ausstellungsbesuchern aus Potsdam, zum deutlichen Signal. Auch wenn manches, was der Verein im Rahmen seiner Ausstellungen an Kunst zur Diskussion stellte, nicht immer auf Verständnis stieß, so schätzen die Leute doch die Einladung zur kritischen Auseinandersetzung. Sie prägt das tragende Konzept vom Abenteuer Gegenwartskunst. Wenn Kunst mehr sein will als dekorative Geste, wenn sie sich engagiert, querdenkt und anregt zu neuen Sichtweisen, darf und muss sie auch mal anstrengend sein, teilt Albrecht die Ansicht zahlreicher Besucher. Gäste aus Berlin kämen auch, weil man hier Kunst zu sehen bekäme, die im Dickicht der Metropole kaum zu finden ist.
Hier scheint tatsächlich die große Chance des kleinen aber feinen Vereins zu liegen: Qualität und singuläre Positionen in der zeitgenössischen Kunst zu vermitteln, die von Potsdam aus weithin strahlen kann. „Ich finde es schade, dass Potsdam nicht mit den Pfunden wuchert, die es hat“, bedauert Silke Albrecht.
Als sie vor fünf Jahren aus dem Ruhrgebiet hier ankam, war Potsdam für sie die Stadt der Schlösser und Gärten, aber auch der Wissenschaft. Heute findet sie, dass es Potsdam gut zu Gesicht stünde, sich noch viel mehr auf seine Stärken und Ressourcen zu besinnen. So sieht sie gerade eine Chance darin, sich in Bezug auf das Kunstgeschehen gegenüber Berlin ganz bewusst abzugrenzen. Die Arbeitsgemeinschaft Gegenwartskunst, als deren Sprecherin Albrecht seit 2008 auftrat, hat da schon viele Hebel in Bewegung gesetzt. Doch bleibt aus ihrer Sicht für eine bessere Akzeptanz innovativer Kunst in Potsdam immer noch viel zu tun: Das fängt an mit der Notwendigkeit einer stärkeren Wertschätzung des ehrenamtliches Engagements und lässt sich weiterführen bis ins Stadtmarketing. So lange die Kunstvermittler aus ihrer Rolle als Bittsteller nicht herauskommen, dürfte es vorerst mühsam bleiben, mutmaßt Silke Albrecht.
Sie verlässt Potsdam mit dem Wunsch an die zuständigen Akteure, dass man mit Blick auf verbesserte Bedingungen für die bildende Kunst noch mehr auf einer Augenhöhe miteinander spricht. Es sei schon viel erreicht, lautet das vorläufige Fazit Albrechts, jedoch: „Nach wie vor ist Potsdam noch nicht angekommen in der Gegenwartskunst.“
„The Eleventh Letter“ , 2. Teil des Kooperationsprojekts TRUST! mit Patrick Bernier & Olive Martin sowie Elise Florenty & Marcel Türkowsky, zu sehen bis 30. Januar im Luisenforum in der Brandenburger Straße 5, bis 3. Januar bleibt die Ausstellung geschlossen.
Almut Andreae
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